Kolkwitz (Spree-Neiße) - Ist die Genossenschaft ein Modell gegen den Nachwuchsmangel?

Mo 13.01.25 | 11:42 Uhr
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Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 13.01.2025 | Aline Anders-Lepsch | Bild: rbb

Vor mehr als einem Jahr entschließen sich zwei Tischler aus Kolkwitz, ihre Unternehmen aufzulösen und eine Genossenschaft zu gründen. Die Handwerker sind zufrieden - die Handwerkskammer befasst sich aber kaum mit dem Konzept.

Thomas Uhlendorf und Rainer Böhm können sich über mangelnde Aufträge aktuell nicht beklagen. Die beiden Tischlermeister haben volle Auftragsbücher, in ihrer Werkstatt in Kolkwitz (Landkreis Spree-Neiße) wird gehobelt, gesägt, gespaltet. "Dadurch, dass wir viele Leute sind, können wir auch größere Auftragsvolumen bedienen", sagt Uhlendorf. Früher hätte man die Finger von Großaufträgen gelassen, zu zweit hätten die beiden Tischlermeister nicht viel ausrichten können, wie er sagt.

Mittlerweile sind sie zu neunt in der Werkstatt - Tendenz steigend. Uhlendorf habe sich das zwar gewünscht, wie er sagt, doch seine Stimme klingt noch immer ungläubig darüber, dass das Modell, das er und sein Kollege Böhm gewählt haben, wirklich Früchte trägt.

Handwerker-Genossenschaft war Neuheit in Brandenburg

Uhlendorf und Böhm waren ursprünglich klassische Alleinunternehmer mit jeweils eigenen Tischlerbetrieben. 2023 kamen sie aber auf die Idee, ihre Unternehmen zu bündeln. Sie entschlossen sich, eine Genossenschaft zu gründen, und lösten ihre bisherigen Unternehmen auf. Mit dieser Idee betraten die Männer damals Neuland in Brandenburg.

Die Gründe lagen damals für die beiden Unternehmer auf der Hand. Rainer Böhm, der die Idee hatte, erklärte dem rbb schon vor zwei Jahren, dass der Nachwuchsmangel ein Hauptgrund für die Gründung der Genossenschaft war. "Das was ich immer war, Tischler, das wollte ich weitertragen und nicht meine Werkstatt irgendwann zuschließen müssen, weil es keine Nachfolger gibt", sagte er damals.

Allein konnten beide Handwerker nicht mehr ausbilden, konnten kaum in den Urlaub fahren, hätten ihre Unternehmen mit der Rente schließen müssen. Gemeinsam können sie Aufträge annehmen, die sie zuvor ablehnen mussten. Beide brachten ihre jeweiligen Fachrichtungen - Böhm die Restauration, Uhlendorf das Geschäft mit Türen - in die Genossenschaft ein. Und es zeigt sich: Für die beiden Handwerker war es wohl die richtige Entscheidung.

Wieder Azubis dank der Genossenschaft

"Wir kannten uns privat schon lange vorher und man macht halt schon vorher dies und das miteinander", sagt Uhlendorf. Doch obwohl sie sich, ganz wie unter Handwerkern üblich, immer mal wieder gegenseitig ausgeholfen haben - am Ende standen beide doch immer als Alleinunternehmer da. So kam die Idee auf, die Unternehmen zu bündeln.

In der Genossenschaft vereinen beide Männer nun ihr Wissen und teilen sich gleichzeitig das unternehmerische Risiko und beispielsweise die Kosten für Maschinen und Personal. So sind sie, als Unternehmen mit Zukunftsperspektive, auch wieder interessant für den Nachwuchs.

"Wir hatten bei zwölf Tischlereien in der Umgebung angerufen und die haben gesagt, 'wir können nicht mehr ausbilden, unser Betrieb wird wahrscheinlich nicht mehr lange existieren'", erzählt Simon Engel, der im Betrieb seine Ausbildung begonnen hat. Mit der Genossenschaft habe er "genau die richtigen" gefunden, hier gebe es eine Perspektive.

Denn wenn der aktuelle Chef in Rente geht, besteht die Genossenschaft weiter. Sie kann auch jederzeit mit anderen Gewerken erweitert werden.

Fehlende Unterstützung durch Handwerkskammer

Für die Kolkwitzer Tischler-Genossenschaft klingt also alles sehr gut - doch offiziell existiert sie noch gar nicht. Die Genossenschaft ist aktuell noch immer "in Gründung", wie Thomas Uhlendorf sagt, obwohl längst unter genossenschaftlichen Bedingungen gearbeitet wird.

"Noch können wir nicht sagen, wir sind komplett. Wir schicken uns immer noch gegenseitig Rechnungen hin und her", so Uhlendorf.

Mehr Unterstützung hätten sich die beiden Tischlermeister gewünscht, vor allem von der Handwerkskammer Cottbus. Die war von Beginn an um Hilfe gebeten worden. Doch rund ein halbes Jahr hätten sie in der Gründung verloren, weil sich Uhlendorf und Böhm selbst um alle Regularien kümmern mussten, selbst alle Voraussetzungen prüfen mussten.

Nachmachen wird dadurch schwierig - obwohl Böhm und Uhlendorf ihr Konzept für ein Zukunftsmodell im Handwerk halten.

HWK sieht in Genossenschaft eine "Alternative"

Ihre Zurückhaltung beim Thema Genossenschaft begründet die Cottbuser Handwerkskammer (HWK) mit der geringen Nachfrage. So sagt es die Hauptgeschäftsführerin Manja Bonin. Sie sieht in der Genossenschaft eine Alternative für kleine und mittlere Betriebe, sich zusammenzuschließen. "Allerdings müssen wir ehrlich sagen, dass wir aktuell bei uns im Kammerbezirk in Südbrandenburg gerade mal sechs Genossenschaften im Handwerk beherbergen", so Bonin. Das Wissen über Genossenschaften sei bei der Kammer deshalb "nicht ganz so ausgeprägt". Sie habe aber bereits selbst mit Rainer Böhm über das Thema gesprochen und einen gegenseitigen Wissenstransfer vereinbart.

Die Cottbuser Handwerkskammer, so wie andere HWKs, will Unternehmen beispielsweise bei der Vermittlung von Nachfolgern helfen. Die Genossenschaft könnte dieses Problem lösen. Doch schon als die Idee von Böhm und Uhlendorf aufkam, fremdelte die HWK mit dem Konzept. Der damalige Hauptgeschäftsführer Knut Deutscher, Vorgänger von Manja Bonin, erklärte im rbb, das klassische Unternehmermodell laute: "Ich bin selbstbestimmt für mein Eigentum zuständig:" Bei einer Genossenschaft sei das anders, auch andere hätten dann Mitspracherecht.

Deutscher begründete die Zurückhaltung damals auch damit, dass zu DDR-Zeiten viele Handwerker zu Genossenschaften zwangsvereinigt wurden. Doch die Wende liegt mehr als 35 Jahre zurück, die Bedingungen haben sich geändert.

Auch jetzt ist die Genossenschaft für die HWK nur eine von mehreren Möglichkeiten, die Unternehmensnachfolge zu sichern. "Es könnte ein Modell werden, das in Zukunft mehr genutzt wird", so Bonin. Häufiger sei es aber, dass sich Unternehmen zu GmbHs oder zu Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zusammenschließen.

Für die beiden Tischlermeister Böhm und Uhlendorf ist ihre Idee ein Erfolg, auch, wenn die Genossenschaft noch in Gründung ist. Sie sind überzeugt davon, dass das ein Zukunfts- und Erfolgsmodell für das Handwerk sein wird.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 12.01.2025, 19:30 Uhr

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10 Kommentare

  1. 9.

    Ja, das ist richtig. / Sie "liegen mit allem schon richtig", wie man so sagt.
    Aber statt Unternehmungen zu fördern, wird hier lt. Wiedergabe der Äußerungen in der Meldung Wortklauberei betrieben. Dabei sollte sich die Region freuen, wenn sich Erfahrungen mit Jugend zusammentut und eine Form kreiert, die erfolgreich arbeitet. Ich kann da ehrlich nichts Gesetzwidriges erkennen, bin aber nicht juristischer Insider, sondern lediglich mit gesundem Verstand ausgestattet.
    Diese unsäglichen Argumente, nun auch noch mit DDR-Zeiten zu kommen, wären aus meinerSicht eine disqualifizierend. Aber, ich schlage vor, wir beenden dies. Wir werden das nicht lösen, nur die Genossenschaft sollte wissen, dass es hoffentl. mehr als 2 Leute gibt, die der Unternehmung viel Erfolg wünschen!

  2. 8.

    Ja wäre gut wenn da direkt vor Ort jemand wäre. Ich meinte in 2. übrigens HWK nicht IHK ...war wohl schon ein bisschen spät.
    Bürokratie - ja schlimm. Diese ganzen verschiedenen Körperschaftsformen und überall lauern Fallstricke. Daher ist es umso mehr absurd wenn von der HWK ganz bestimmte Körperschaften bevorzugt werden.

  3. 7.

    Bei Wobnungsbaugenossenschaften ist ne Genossenschaft Gang und Gäbe. Zahlen die Handwerker dort Anteile ein? Völlig in Ordnung solange so was anderen Gewerbetreibenden nicht die Lebensgrundlage weggenommen wird. Gründe eine Genossenschaft. spuckt das Internet nicht raus. Ich finde bei vielen Sachen würde ne Steuernummer reichen. Die Mehrwertsteuer muß man ja eh ohne Kleinunternehmer zahlen. Warum findet man im Netz bei Kleinunternehmern, dass die nur 15 arbeiten dürfen? Wenn ich mich Selbständig mache, möchte ich voll arbeiten. Teil Zeit (kennt die Autotastatur nicht) kann ich mich anstellen lassen.

  4. 6.

    Die HWK sollte mal endlich in sich gehen und sich von alten Zöpfen auch mal trennen und nicht guten Ideen wiedermal Knüppel zwischen die Beine werfen. Nicht jede Firma ist in der glücklichen Lage z.B. innerhalb der Familie adäquate Nachfolger zu haben oder solche extern zu finden. In der Folge verschwinden die "anderen" Firmen, die Ausbildungsplätze, die künftigen Fachkräfte (die eh schon fast Goldstaub sind) ganz oder teilweise. Das kann nicht im Sinne der HWK sein. Das "DDR-Argument" ist m.M.n. völliger Blödsinn. Sicher ist es schwer sich von seinem "Lebenswerk" zu trennen, aber es wird ja nicht verstaatlicht, sondern gehört dann mehreren Gleichgesinnten. Der Beruf lebt weiter - durch echte Handwerker. Bezüglich der Frau Boning sei die Frage gestattet, welche handwerkliche Qualifikation sie denn so vorweisen kann. Sollte sie eine haben, könnte sie sich bestimmt in die Lage der Kollegen hineinversetzen.

  5. 5.

    Tja, das sehe ich auch so, nur müsste derart von vor Ort kommen. Als interessierter Forist und Fürsprecher für Lösungen auf der Basis genossenschaftlicher Lösungen kann man das wenig ausrichtem Aber danke, dass mein erster Eindruck (Stolperstein)doch richtig war.
    Ich finde es grundsätzlich gut und hoffe, dass die Genossenschaft viele Aufträge aus der Region bekommt. -
    Insgesamt würde ich hier aber nochmals mahnen - wollten wir nicht irgendwo Bürokratie abbauen ???

  6. 4.

    Ich hatte eigentlich erwartet, dass sich Frau Bonin für die mangelnde Unterstützung der Tischler entschuldigt - aber nein im Gegenteil, sie deklariert Genossenschaften als eine Art Kuriosum und ruft nach Unterstützung von Unternehmertum (zu diesem werden Genossenschaften üblicherweise nicht gezählt werden, sondern die gbr‘s und gmbh‘ s) . Diese Einseitigkeit ist aber nicht im Sinne der Aufgaben der IHKs.

  7. 3.

    Ja, es liest sich so wie ein innerer Widerspruch.
    Ich bin darüber naämich auch gestolpert.
    Dennoch, dass ich es doch noch richtig verstanden habe; Ihr Schlusswort ist super! Volle Unterstützung!

  8. 2.

    Bonin IHK Cottbus: "gemeinsam eine Gesellschaft zu gründen ist noch nicht ganz ausgeprägt..... Wir würden uns wünschen wenn die Unternehmer, das Unternehmertum mehr gewertschätzt werden".

    Das kann man definitv nicht als Wertschätzung und Unterstützung von Genossenschaften verstehen, dabei war es geschichtlich so, dass Genossenschaften lange zur IHK gehörten.
    Daher steht schon die Frage im Raum ob hier die ureigentlichen Aufgaben der IHK (wie . „Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet“) neutral und effektiv umgesetzt werden.
    Den Tischlern: Super Aktion, lasst Euch durch die Verwaltungstypen nicht fertig machen!

  9. 1.

    Ein Bericht, der Hoffnung macht. Die beidenb haben das gemacht, was sie am besten können: Erfahrungen neudeutsch: potenzieren. Eine wirklich tolle Idee, und ich wünsche der Genossenschjaft, dass sie weiter vorankommt und das alle von den Vorteilen profitieren! Ich habe zwar nur die ERfahrung genossenschaftlichen Wohnens, aber das Prinzip ist dennoch unschöagbar. Haltetn Sie durch! Erfolge werden sich einstellen.
    Die IHK als Verwaltung (sbegleiter) sollte sich freuen, dass so viel Initiative im Ländlich geprägten Raum vorhanden ist und aktiv genutzt wird. Den tozghen Verwaltern der IHK CB könnte man nur zurufen, nicht nur "den Beitrag kassieren - sondern auch Fortschritte unterstützen!

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