Konzertkritik | Lee Fields im Festsaal Kreuzberg - Die Seele des Soul
Seit den 1970er Jahren gehört der Sänger Lee Fields zu den großen Stimmen des amerikanischen Soul. Im Rahmen seiner Europatournee hat er am Dienstag im Festsaal Kreuzberg gespielt. Von Hans Ackermann
"Put your hands together for the 'Soul of Soul': Mister Lee Fields!" - Mit diesen Worten wird die Soul-Legende pünktlich um 21:00 Uhr im Festsaal Kreuzberg ausgerufen und angekündigt. Natürlich tobt das Publikum, wenn Lee Fields nun im schicken schwarzen, mit Gold bestickten Anzug auf die Bühne tanzt.
Alle sind "happy"
Geschmeidig bewegt sich "The Soul" nach vorn - und fragt erst einmal, ob es auch allen wirklich richtig gut geht: "Are you happy?", ruft Lee Fields mehrmals. In den Jubel hinein singt er dann einen seiner Soul-Klassiker: "You can count on me". Für dieses ernstgemeinte Versprechen gibt es dann gleich schon wieder Riesenbeifall. So und nicht anders lässt ein Altmeister der emotionalen Musik eine Show beginnen - und die Temperatur im Saal in nur wenigen Minuten um einige Grad ansteigen.
Im gut gefüllten Saal sind wirklich alle "happy" - auch die sechs gutgelaunten Musiker, die Lee Fields begleiten. Schlagzeug, Bass und Gitarre, dazu eine Orgel und zwei Bläser. Mit voller Hingabe lassen sie um ihren Sänger herum wunderbar altmodische Soul-Klänge entstehen.
Bandmaschinen statt Computer
"Sentimental Fool" heißt Lee Fields aktuelles Album, das nach dem Konzert im Foyer des Festsaals auch käuflich zu erwerben ist - aber nur und ausschließlich als Vinyl-Schallplatte. CDs und andere modernen digitalen "Schnickschnack" sucht man bei Lee Fields vergeblich.
Digitaltechnik kommt hier aus Überzeugung nicht zum Einsatz. Sein New Yorker Produzent Gabriel Roth alias "Bosco Mann", der auch sämtliche Titel des aktuellen Albums geschrieben hat, nimmt in seinem "Daptone-Studio" in Brooklyn die Musik von Lee Fields ausschließlich mit analoger Technik auf.
Bandmaschinen statt Computerfestplatten - der warme 1970er-Jahre-Soul, der sich an diesem Abend so wunderbar im Festsaal Kreuzberg ausbreitet, stammt technisch gesehen buchstäblich aus dem letzten Jahrhundert. Faszinierend, wenn auf diese altmodische Weise zeitlose Kunst entsteht.
James Brown schaut von oben zu
2006 ist James Brown, der "Godfather of Soul" gestorben. Ziemlich genau zu dieser Zeit wurde Lee Fields mit seiner nach wie vor unglaublich intensiven Stimme von jungen Musikern aus der R&B- und Hip-Hop-Szene wiederentdeckt - gesampelt und damit für das neue Jahrtausend "aufbereitet".
Neben älteren Soul-Enthusiasten sind an diesem Abend vielleicht auch deshalb viele Jüngere im Publikum. Möglich, dass sie den "Soul" bisher wirklich nur aus den Samples jüngerer Musik kannten. Wenn hier nun "das Original" auftritt und zum Mitsingen auffordert, wird dieser Wunsch bereitwillig erfüllt, was bei Songs wie "Forever" zu schönen gemeinsamen Momenten führt.
Und darüber freut sich dann auch der 72 Jahre alte Sänger - und belohnt sich und das Publikum mit kleinen Tänzchen um die eigene Achse. Höchst agile "Moves", die auch James Brown nicht besser ausgeführt hätte.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.02.2023, 6:55 Uhr