Kulturausschuss - Demonstranten fordern Absicherung für Lehrkräfte an Berliner Musikschulen

Mo 24.06.24 | 15:29 Uhr
  33
Lehrkräfte von Berliner Musikschulen demonstrieren am 24.06.2024 am Eingang zum Abgeordnetenhaus unter dem Motto "Musikschulen sichern für Alle!" vor Beginn der Sitzung des Ausschusses für Kultur, Engagement und Demokratieförderung. (Quelle: dpa-Bildfunk/Soeren Stache)
Audio: rbb24 Fritz | 24.06.2024 | Natascha Gutschmidt | Bild: dpa-Bildfunk/Soeren Stache

Berliner Musikschullehrer befürchten ab dem Spätsommer erhebliche Einschränkungen wegen unsicherer Arbeitsbedingungen. Jetzt haben sie vor dem Abgeordnetenhaus demonstriert. Kultursenator Chialo machte Zusagen, bat allerdings um Zeit.

Mehrere Hundert Demonstranten haben am Montagvormittag vor dem Berliner Abgeordnetenhaus bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte an Musikschulen gefordert. Anlass war die letzte Sitzung des Kulturausschusses im Landesparlament vor der Sommerpause.

Dazu aufgerufen hatten der Verein Berliner Musikschulen und die Fachgruppe Musik Berlin-Brandenburg der Gewerkschaft Verdi. Aus ihrer Sicht drohen dem Musikschulangebot in Berlin ab diesem Spätsommer für bis zu 45.000 Kinder und Jugendliche erhebliche Einschränkungen.

Verdi wirft dem Senat vor, bisher keine rechtssichere Lösung für das Unterrichtsangebot an den bezirklichen Musikschulen vorgelegt zu haben. Die Gewerkschaft setzt sich wie viele Musikschullehrkräfte, Schüler und Eltern für eine Umwandlung von Honorarverträgen in Festanstellung spätestens zum Beginn des neuen Schuljahres ein.

Chialo: "Wer fest angestellt werden will, soll fest angestellt werden"

Kultursenator Joe Chialo (CDU) wies auf Sparzwänge in seiner Senatsverwaltung hin. Es sei keine einfache Situation für die Musikschulen. Aber es sei auch klar, dass das Einlösen der Forderungen Geld koste, so der Senator. "Wer fest angestellt werden will, soll fest angestellt werden. Wer frei bleiben will, soll frei bleiben", versicherte er dennoch. "Gebt uns Zeit", appellierte Chialo an die Demonstranten.

Die Zeit drängt allerdings: An den Berliner Musikschulen werden die Honorarverträge, also die Unterrichtsbeauftragungen für freie Musikschullehrerinnen und -lehrer, normalerweise am 31. Juli verlängert. Doch die Bezirke als Träger der Musikschulen müssen nach neuer Rechtsprechung fürchten, dass Honorarkräfte größtenteils scheinselbstständig - und damit rechtswidrig beschäftigt sind.

77 Prozent der Lehrkräfte auf Honorarbasis beschäftigt

Hintergrund ist ein Urteil aus dem Juni 2022: Im sogenannten "Herrenberg-Urteil" hatte das Bundessozialgericht geurteilt, unter welchen Umständen Musikschullehrer tatsächlich selbstständig arbeiten können und wann es sich dabei um eine Scheinselbstständigkeit handelt. Die Prüfkriterien der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur Scheinselbstständigkeit sind Verdi zufolge daraufhin ab Juli 2023 angepasst worden.

Den Gewerkschaftsangaben zufolge sind in Berlin 77 Prozent der Musikschullehrkräfte auf Honorarbasis beschäftigt und damit in einem rechtlich unsicheren Dienstverhältnis.

Sendung: rbb24 Fritz, 24.06.2024, 12:30 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 25.06.2024 um 07:32 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

33 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 32.

    Es geht nicht darum, was mehr Vorteile hat.
    Das Land Berlin MUSS bei gleicher Arbeit von Festangestellten und "Selbständigen" diese Scheinselbständigkeit beenden!
    Darum geht es!

  2. 31.

    Genau so ist es. Die Gesetze die dazu geführt haben, wurden ja um 2003 beschlossen und das ist nun 21 Jahre her.

  3. 30.

    Habe auch als (Schein-)selbständiger im Ausbildungsbereich gearbeitet. Mein Arbeitgeber hatte noch eine 2. Schule und seine Frau auch noch eine Schule. Mit 3 Auftraggebern galt man damals (bei Schröder) nicht mehr als Scheinselbständig. Ich konnte gerade so alle Kosten decken, Restaurantbesuch war nicht drin. Unterrichtsvorbereitung (und Nachbereitung) war dann abends zuhause teilweise bis Mitternacht.

  4. 29.

    Bittere Gesamtbilanz: Das ist keine Konjunktur-, sondern eine Strukturkrise. Der Standort schlittert immer weiter ab. Führend ist die Bundesrepublik nur noch bei Lohn- und Energiekosten und Steuern. Dafür haben wir bei der Bürokratie den unangefochtenen Goldstandard.
    Auch Berlin hat richtige Probleme und sollte hier einfach die Rahmenbedingungen so herstellen, dass man rechtssicher selbständig an verschiedenen Einrichtungen unterrichten kann.

  5. 28.

    Nicht zu vergessen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen von. Arbeits.arkt ferngehalten werden. Dass Fachkräfte allenthalben gesucht werden, wird oft beklagt. Tatsächlich mangelt es in Deutschland nicht nur an Fachleuten, sondern überhaupt an Arbeitskräften. Selbst Stellen für Hilfsarbeiter können massenweise nicht besetzt werden.

  6. 27.

    Also als ITler bevorzuge ich Flexibilität und Unabhängigkeit, also Selbständigkeit. Warum wird so getan als sei es so toll angestellt zu sein? Man verdient als Selbständiger mehr, muss man aber auch. Das Einzige, was wirklich nervt ist das Steuer- und Abgabenthema gepaart mit überbordender Bürokratie. Hier wäre weniger mehr. Aber wahrscheinlich ist es oftmals pure Unwissenheit um die zahlreichen Vorteile...

  7. 26.

    Ist es bei Ihnen Faktenignoranz oder einfach nur Unwissenheit? Die nicht vorhandene Demographieresistenz kennt sogar mein 18jähriger Neffe. Der sich übrigens auch über Rentengeschenke ärgert und dann Protestparteien seine Stimme gibt, damit nicht immer nur alte Menschen Politik für noch ältere Menschen auf Kosten der Jungen machen.

  8. 25.

    Man echt jetzt, solche Wissenslücken? Dann sollten Sie mal auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung nachlesen, woher das Geld kommt:
    https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2023/230908-bundesmittel-bundeszuschuss.html

  9. 24.

    Ich fühle mich mal nicht angesprochen - antworte aber trotzdem.
    Nein, ich möchte nicht alles googlen und recherchieren.
    Ich bezahle für den rbb eine schöne Stange Geld und möchte über die ganze Sachlage ausgewogen und mit den notwendigen Hintergründen neutral und sachlich informiert werden.

  10. 23.

    Das erstaunt mich jetzt etwas.
    Denn Politiker erzählten erst kürzlich, das Rentenniveau stabil halten zu wollen.
    Ein lautes Schreien, dass das nicht stimmt, habe ich auch nicht gehört.
    Allein dass dieser Brief einmal pro Jahr ins Haus kommt, signalisiert mir, dass die Rente sicher ist.
    Oder gibt es da ein Problem?

  11. 22.

    Offenbar hat sich in vielen Gehirnen schon eine Art Ideologie-Mauer festgesetzt. "Frei" ,"nach unten treten" , "CDU und FDP ist das egal" und sonstiges wirres Zeug. Hier geht es allein um ein arbeitsrechtliches Konstrukt, Scheinselbstständigkeit. Wer vor lauter Ideologieklebstoff nicht mehr weiß von was er redet, dem könnte Google helfen. Das gibt es besonders gerne auch in der IT-Welt, Logistik und Dienstleistungen, die man gerne auslagert.

  12. 21.

    Es geht darum, dass die für mehrere Auftraggeber ihre Arbeit erbringen sollen. Nicht nur für eine einzige Musikschule.

  13. 20.

    Viele wollen doch gar nicht einen echten Arbeitsvertrag lieber selbst über ihre Zeit entscheiden wollen. Aber wer das eine will , muss das andere auch hinnehmen. Nicht nur immer alle Vorteile sich rauspicken. Verdienen in ihrer Selbständigkeit viel Geld, aber wenn es mal nicht so läuft, bittet man um Spenden.

  14. 19.

    Ja, stimme Ihnen zu, die freiberufliche Tätigkeit hat super viele Vorteile. Hoffentlich schafft Berlin jetzt den Rahmen mit mehreren Auftraggebern. Ich würde auch in mehreren Bezirken unterrichten.

  15. 18.

    Nur das die Umverteilungssysteme rechnerisch sterben, weil immer mehr Menschen Geld entnehmen wollen und immer weniger aufgrund der Demographie zukünftig einzahlen. Deswegen heisst es Renten-INFORMATION und -Zusage oder Versprechen. Denken Sie mal darüber nach, warum es Menschen gibt, die nicht mehr in Zukunftsvision Rente einzahlen wollen beim Staat!

  16. 17.

    Was wäre für Sie ein niedriger 40 Std.-Knechtelohn?
    Nur um mal zu wissen, ob ich mich selbst eigentlich schon knechten lasse?

  17. 16.

    Als Wohlhabender ist es mir nicht egal, aber ich möchte meinen mir erarbeiten Status und das Ergebnis richtiger Entscheidungen mir nicht wieder abnehmen lassen durch Umverteilung. Jeder Mensch kann Konsum gegen Sparprozesse eintauschen und die dann diszipliniert und konsequent über mind. 10 Jahre hinweg durchhalten. Nicht in den teuren Urlaub, nicht das Leasingauto, nicht Essen gehen, in der Datscha wohnen... 120 Monate x 500 Euro sind 60 TEUR zzgl. Zins und ZinsesZins, geht vergleichsweise schnell. Man muss halt mal anfangen statt zu reden und es anderen zu neiden...

  18. 15.

    Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Arbeitnehmer RV-Beiträge zahlen.
    Das muss ich auch.
    Ich kann meinem AG auch nicht sagen, ich möchte auf Honorarbasis arbeiten.
    Wenn jeder in Deutschland RV-Beiträge zahlen würde, könnte man evtl. auch mal die Renten erhöhen für Menschen, die jahrelang für wenig Geld gearbeitet haben.

  19. 14.

    Das Problem ist doch dem Senat seit Jahrzehnten bekannt, nicht erst seit dem "Herrenberg-Urteil".
    Man hatte wohl gehofft, mit dem ungesetzlichen Konstrukt weitete Jahrzehnte irgendwie durchzukommen.
    Insofern ist die gerichtlich jetzt erzwungene Klärung auch positiv.

Nächster Artikel