René Wilkes Parteiaustritt - Lieber allein als weiter mit den Linken

Di 02.07.24 | 11:46 Uhr | Von Oliver Noffke
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Archivbild:René Wilke am 06.05.2018.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 03.07.2024 | Fred Pilarski | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Wenige Wochen vor der Brandenburger Landtagswahl scheint Die Linke nicht einmal mehr ihr eigenes Personal überzeugen zu können. Der Austritt von René Wilke war abzusehen, beschwichtigt der Landeschef. Doch der Zeitpunkt ist schmerzhaft gewählt. Von Oliver Noffke

Der Bruch mit Sahra Wagenknecht ist mehr als ein halbes Jahr her, doch Die Linke kommt nicht zur Ruhe. Die Kritik an der Bundesspitze flammt erneut auf. Die Parteilinie ist für einige nicht mehr tragbar. Wegen des Umgangs mit Wagenknecht, aber auch wegen der inhaltlichen Ausrichtung.

Am Samstag gab der Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke bekannt, die Partei zu verlassen. Wegen "inhaltlicher Differenzen". Allerdings nicht in Land oder Kommune. Im Stadtrat wollen Wilke und Die Linke weiterhin eng zusammenarbeiten, versichern beide Seiten. Es liege am grundsätzlichen Kurs der Partei, sagte er.

"Positionen - gerade bei bundespolitischen Fragen - haben sich in einem Maße unterschieden, dass man das auch nicht mehr mit Pluralismus schönreden kann", sagte Wilke am Montag dem rbb. Er kritisierte die Haltung seiner Partei gegenüber Russland. "Für mich hat der Krieg gegen die Ukraine viel verändert."

Er sprach auch von fehlender Balance zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. "Ich glaube schon fest an ein Sicherheitsnetz, das notwendig ist, aber das auch eine Balance braucht und nicht zur Hängematte werden darf." Seit einiger Zeit bereits habe er für seine Ansichten aus der Partei Gegenwind erfahren, sagte er.

Lieber allein als mit den Linken

Mit Wilke verliert die Partei eines ihrer bekanntesten Gesichter in Brandenburg. Einen der wenigen verbliebenen Entscheider in gewichtiger Position. Zudem quasi ein Eigengewächs. Mit 16 war Wilke in die Vorgängerpartei PDS eingetreten, seit fast zweieinhalb Jahrzehnten vertritt Wilke Politik links der Sozialdemokratie. Und das ziemlich erfolgreich.

Er wurde 2018 nicht nur der erste Oberbürgermeister der Linken in Brandenburg, mit gerade mal 34 war er auch der mit Abstand jüngste in der Geschichte des Landes. Mit der Entwicklung aber, die die Linke in den vergangenen Jahren genommen hat, hadert Wilke seit einiger Zeit.

Mit dem bundespolitischen Kurs der Linken eckte Wilke immer wieder an. Entgegen der Parteilinie sprach er sich schon vor Jahren für die Abschiebung von straffälligen Asylbewerbern aus. Er tritt – anders als die Linke - für die militärische Unterstützung der Ukraine ein. Wilke fordert zudem eine Sozialpolitik, die es den Menschen nicht zu bequem macht, sondern auch fordert. Wilke fremdelte und tat dies vor einem bundesweiten Publikum, etwa bei Markus Lanz. Sein Austritt war absehbar. Die Frage war nur, wann würde er es tun?

Nach der verkorksten Bundestagswahl im September 2021 beklagte Wilke, dass die Partei nicht mehr als Interessenvertreterin der Menschen wahrgenommen werde. "Sie kann im Moment nicht überzeugen mit Konzepten, mit tatsächlichem Gestaltungsanspruch, der abgenommen wird", sagte Wilke damals dem rbb. "Das ist wohl Teil des Problems." Er wolle sich nun weder der SPD noch dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anschließen. Lieber allein als weiter mit den Linken.

Wagenknechts Push- und Pull-Effekte

Auch Marlen Block will lieber als Einzelkämpferin weiter Politik machen. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Brandenburger Landtag war vor zwei Wochen aus der Partei ausgetreten. Sie wolle sich weiterhin für Themen wie soziale Gerechtigkeit, einen menschlichen Umgang mit Geflüchteten oder Klimaschutz einsetzen, "aber unabhängig von der Partei Die Linke." Sie habe sich mittlerweile entfremdet und kritisierte, dass die Partei Sahra Wagenknecht zu lange gewähren lassen hatte.

Andere prominente Kommunalvertreter der Linken wechselten hingegen schnurstracks ins BSW. Templins Bürgermeister Detlef Tabbert trat ein, kaum dass die Partei gegründet war.

Verständnis von Landesparteichef Walter – Kritik von Bürgermeisterkollegen

Von einer Austrittswelle will Landeschef Sebastian Walter jedoch nichts wissen. Er spricht von einer Reihe persönlicher Entscheidungen. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe es laut Walter Hunderte Eintritte gegeben. "Überraschend kam der Schritt nicht. Herr Wilke hat ja schon seit mindestens drei Jahren gesagt, dass er ein Problem hat mit der Positionierung der Bundespartei", so Walter am Montag gegenüber rbb24 Brandenburg aktuell.

"An einer Stelle muss ich Herrn Wilke doch aber recht geben", sagte er. Es bestehe Klärungsbedarf zur inhaltlichen Ausrichtung der Partei auf Bundesebene. "Das ist auch unser Problem, das wir hier in Brandenburg haben." Die Linke sei zu einer Ja-aber-Partei geworden und biete keine klare Opposition mehr, so Walter.

"Natürlich nicht hilfreich"

Im Wahlkampf ist Wilkes Austritt ein herber Schlag für Walter. Nach einem jahrelangen, lautstarken, internen Streit macht die Partei nun wieder mit einer Resignation Schlagzeilen. Wie sollen Walter und sein Team die Wählerinnen und Wähler überzeugen, wenn die eigenen Leute nicht zu halten sind?

André Stahl, Bürgermeister von Bernau, kritisiert deshalb weniger den Austritt an sich, sondern vielmehr den Zeitpunkt. Schließlich muss Die Linke momentan um den Wiedereinzug in den Brandenburger Landtag bangen. "Wenn eine Partei ohnehin in schwierigem Fahrwasser ist, wie Die Linke es gerade ist, ist es natürlich nicht hilfreich, wenn dann auch noch Protagonisten aus der Partei austreten." Es hätte Zeitpunkte gegeben, die der Partei weniger Ärger bereitet hätten, so Stahl.

2026 stehen die nächsten Oberbürgermeisterwahlen an. Gut möglich, dass sich Wilke in Vorbereitung darauf von der Partei frei machen wollte. Bislang lässt er offen, ob er in eine andere Partei eintreten möchte. Vorerst will er als Parteiloser weitermachen. Als er seine Entscheidung am Samstag bekannt gab, bedankte sich René Wilke beim Landeschef. Walter sei ein glaubwürdiger Vertreter und Anker innerhalb der Linken. Einer Partei allerdings, der Wilke selbst nicht länger angehören will.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 03.07.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

37 Kommentare

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  1. 37.

    Bei 80 Proz. der Bürger sind über 60 Proz der Bücher im Regal ungelesen - bis zum Tode meines Vater stand Band 1 bei mir auch dort - um ihn zu ärgern, danach Bettstütze wieder zu was nütze ,-)
    Stellt sich nun aber wieder die Frage - haben die Bürger ihn o. ihn als Vertreter der Partei gewählt. Ich nehme Letzteres an und dann , was sich bei vielen Pol. auch ausschließt, er ob seines Gewissen zurücktreten.

  2. 36.

    Also ich weiß nicht aus welchem verschlafenen Netz sie kommen, aber ich nehme mal an, dass sie dort auch einen Bürgermeister und Parteien haben. Indes kommt mir Frankfurt ganz und gar nicht ausgestorben vor. In den letzten Jahren sind durch Zuwanderung sogar wieder welche hinzugekommen.
    Ihr Kommentar macht so eigentlich gar keinen Sinn.

  3. 35.

    "Die Partei Die Linke, der René Wilke bis jetzt angehörte, hat es bis heute nicht verstanden, vom überkommenen Weltbild des Historischen Materialismus zu verabschieden. Der WISSENSCH. Sozialismus => Quell aller Rechthaberei."
    Das verwechseln sie jetzt mit der SED. Bei den Linken ist vom demokratischen Sozialismus und nicht von der Diktatur des Proletariats oder von Basis und Überbau die Rede, wie Marx dies definierte. Der demokratische Sozialismus ist nichts weiter als das Ergebnis in einer Konvergenztheorie. An sowas glaubten auch viele linke Strömungen in der SPD. Und der Antrieb der Linken ist der fundamentale Makel des Kapitalismus zyklich zurückgesetzt werden zu müssen (Währungsreform), im Prozess selbst entstehende unangenehme Exzesse und natrlich die sich ausbildende immer stärker werdende inhomogene Vermögens und damit Machtverteilung. Das da gelegentlich Marx zitiert wird, bedeutet ja nicht, dass Marx für die noch die Bibel ist.

  4. 34.

    Hat den FF überhaupt noch Einwohner/innen ???
    Laut Zensus 2022 wahrscheinlich sowieso nicht mehr.
    Da braucht man dann auch keine Parteien mehr.

  5. 33.

    Alle. Die stehen bei mir angestaubt im Regal. Irgendeine DDR-Sonderausgabe zum xyz-Jubelfeiertag...

  6. 32.

    "Ich brauche keine Millionen, ich brauch' kein Pfennig zum Glücl" - und notfalls einfach eine Spendencampagne starten o. nicht influencia bekommen sondern Influencer werden ;-)

  7. 31.

    Wieviel Marx haben Sie denn gelesen? Kapital Band 1 , oder auch 2 und 3? Oder fusst Ihr Urteil nur auf Internet- Häppchen?

  8. 30.

    Die Linke sollte einsehen, dass sie am Ende ist. Der Versuch, als Kopie der Grünen erfolgreich zu sein, ist gescheitert. Ihre Glaubwürdigkeit ist verspielt, für einen Kurswechsel ist es zu spät. Die Zukunft gehört dem BSW und das ist auch gut so. Der Linken bleiben nur zwei Alternativen: sich zeitnah in Würde auflösen oder einen langsamen Tod als Politsekte zu sterben.

  9. 29.

    Es ist ein winziger Ausschnitt davon, was Menschen so o. aber anders handeln lässt. Das fußt auf einem rein mechanistischen Menschenbild des ausgehenden 19. Jhs., der Mensch quasi als funktionierende Maschine, was nicht etwa Marxisten, sondern andere in die Welt brachten und Marx als "Kind seiner Zeit" nichts Besseres einfiel, als dieses Weltbild in sich aufzunehmen.

    Das lässt sich getrost als holzschnittartig und grob bezeichnen.

    Falsch ist nicht, was Marx als Kind seiner Zeit für seine Zeit schrieb, falsch wird es, dieses recht verengte u. eindimensionale Weltbild in das 21. Jh. hinüberzutransferieren. Sämtliche Erkenntnisse der Psychologie sind daran vorbeigegangen und auch Reich und anderen ist es nicht gelungen, das im Marxschen Sinne zu retten.

    Die Partei Die Linke, der René Wilke bis jetzt angehörte, hat es bis heute nicht verstanden, vom überkommenen Weltbild des Historischen Materialismus zu verabschieden. Der WISSENSCH. Sozialismus => Quell aller Rechthaberei.

  10. 28.

    Na ja holzschnittartig verkennt wohl komplett die geistige Leistung bei der Offenlegung des fundamentalen Makels der Anatomie des Kapitalismus inform der Geldschöpfung aus sich selbst heraus nebst Konsequenzen. Und die sind gewaltig und werden uns zyklisch heimsuchen, daran hat sich seit seinen Thesen nichts geändert, auch wenn der Feinschliff der Modelle uns immer bessere Stabilität beschert hat.
    Geirrt hat er sich nur in der Mechanik des Wesens, das er offenbar noch losgelöst, also abgekoppelt vom menschlichen Wesen sah.

  11. 27.

    Ja, die AfD ist in diesen Kreisen sehr beliebt. Gerade weil z.B. die SPD ihre Stammwähler langsam aber sicher verraten hat.
    Das man mit Hartz IV den Menschen ihre Ersparnisse weggenommen hat, haben viele noch nicht vergessen.
    Die meisten Wechselwähler zur AfD kamen zur EU-Wahl von der SPD. Trotz Deportation, Vertreibung und Spionage. Die ganz Linken haben ihre Sympathien völlig verspielt. In ein paar Wochen wird man wissen, um wie viel. Geschenke allein erzeugen eben noch keine Liebe !

  12. 26.

    Es ist die einfache Wahrheit des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die holzschnittartige Sichtweise der Welt.
    Marx war - nachvollziehbarerweise - ein Kind seiner Zeit und ich habe den Eindruck, der olle Marx muss im 21. Jh. (!) vor seinen Anhängern geschützt werden.

  13. 25.

    Sie sind Gedankenleser?

    Wenn ich von selbständigen Paketfahrern schreibe, brauchen sie mich nicht zu belehren, was ich denn ihrer Meinung nach tatsächlich meine. Wenn ich mir einen gebrauchten Sprinter kaufe und ein Gewerbe anmelde, so habe ich die Produktionsmittel in meiner Hand, werde von meiner Arbeit aber trotzdem nicht zum bösen&reichen Kapitalisten. Als selbständiger Handwerker habe ich die Produktionsmittel (Werkzeug) auch in meiner Hand, werde dadurch trotzdem nicht zum bösen&reichen Kapitalisten. Feindbilder sind so bequem, gelle?

  14. 24.

    Das schlimmste an der Linken ist noch nicht mal das Parteiprogramm - sondern dass man trotz 2 Komma noch was % weiterhin am Kurs festhalten möchte.
    Dies erinnert mich an völlige Realitätsverweigerung.

  15. 23.

    Die Paketboten sind Subunternehmer, die ihr Auto kaufen.... nach Vorgaben, die auch preisrelevant sind. Seit Jahren mahne ich hier die eigentliche Aufhabe des Arbeitsministeriums an... statt Lohnhöhen „gönnerhaft“ so festzulegen, dass dann bald alle gleich arm sind... aber das ist ein anderes Thema.

  16. 22.

    Selbständige Paketfahrer haben ihre eigenen Produktionmittel, werden aber trotzdem nicht reich. Hat Karl Marx uns etwa angelogen? Muss ich nochmal nachlesen im Kapital...

  17. 20.
    Antwort auf [Wossi ] vom 02.07.2024 um 16:04

    So viele Theorien, so viele Einteilungen. Die Schlüssigkeit und die Auswirkungen davon stehen auf einem anderen Blatt. Die Schwierigkeit fängt da an, wo eine bloße Theorie, wo ein spezifischer Zugang, zur einzig möglichen und alles erklärenden Lehre (!) wird.

  18. 19.

    Donnerwetter, da hat jemand in Staatsbürgerkunde aufgepasst. Nur zu doof, dass sich ihre Arbeiterklasse nicht mehr als solche sieht.

  19. 18.

    Richtig, die wählen dann auch noch AfD. Auch wenn linke und SPD immer mehr Geschenke machen.

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