"Inhaltliche Differenzen" - Frankfurter Oberbürgermeister Wilke verlässt die Linke

Mo 01.07.24 | 18:33 Uhr
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Archivbild: René Wilke, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt Oder, auf der 42. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in der Köln Messe am25.05.2023.(Quelle: IMAGO)
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Audio: rbb24 Inforadio | 30.06.2024 | Ute Sander | Bild: IMAGO

"Inhaltliche Differenzen mit der bundespolitischen Ausrichtung" der Linken sieht der Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke - und verlässt nun die Partei. Sein Amt will er ab jetzt parteilos fortführen.

Der Frankfurter Oberbürgermeister, René Wilke, tritt aus der Partei Die Linke aus. In einer Stellungnahme, die dem rbb vorliegt, begründet Wilke seinen Schritt mit zunehmenden "inhaltlichen Differenzen mit der bundespolitischen Ausrichtung der Partei zu grundsätzlichen Fragen".

Er wolle dennoch weiter Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) bleiben und eng mit der Linken-Fraktion im Stadtparlament zusammenarbeiten. "Ebenso wie mit allen anderen konstruktiven Kräften, die bereit und Willens sind, die Stadt positiv zu gestalten."

Er plane derzeit nicht, in die SPD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) einzutreten, so Wilke. Das Amt als Oberbürgermeister wolle er parteilos weiterführen.

"Ich gehe ohne Groll"

Wilke betonte: "Ich gehe ohne Groll und blicke mit großer Dankbarkeit auf die gemeinsame Zeit und die vielen Dinge, die ich in den vergangenen 24 Jahren gemeinsam mit den Mitgliedern der Linken gestalten konnte." Er bedankte sich bei Linke-Landeschef Sebastian Walter, der für ihn
ein Anker und glaubwürdiger Vertreter der Partei sei.

Die Linke hatte in Brandenburg bei der Europa- und Kommunalwahl drastische Einbußen im Vergleich zu 2019 erlitten. Vor einer Woche war die Brandenburger Landtagsabgeordnete Marlen Block aus Unmut aus der Partei Die Linke ausgetreten.

Kreisverband der Linken Frankfurt bedauert Wilkes Entscheidung

Nach einer Mitteilung des Kreisverbands der Linken von Sonntagnachmittag gab Wilke am Samstag bei der Mitgliederversammlung seinen Austritt aus der Partei bekannt. Man nehme die Entscheidung mit Bedauern zu Kenntnis, respektiere sie jedoch, schreibt der Kreisverband weiter.

Die Kreisvorsitzende Anja Kreisel erklärte: "Unsere Zusammenarbeit mit René Wilke war stets von gegenseitigem Respekt und dem gemeinsamen Ziel geprägt, das Beste für Frankfurt (Oder) zu erreichen. Dieses Ziel werden wir auch weiterhin verfolgen." Wilkes Schritt falle in eine herausfordernde Zeit für Partei. Man werde sich nun wieder auf Kernthemen der Linken konzentrieren. Das bedeute letztlich: "Es wird jetzt einige Positionen geben, wo man sicherlich auch härter urteilt, was er an Vorlagen vorbringt. Aber es bleibt trotzdem klar, dass wir Frankfurt einfach gemeinsam besser machen wollen."

Austritt habe sich abgezeichnet

Für für Oliver Kossack, Co-Sprecher der Grünen in Frankfurt (Oder), kam der Austritt Wilkes nach vorhergehenden Ankündigungen wenig überraschend. "Wir respektieren das natürlich auch als Partei, die ihn auch mit zur Wahl als Oberbürgermeister aufgestellt hat." Wie die Linke wolle auch er mit seiner Partei mit Wilke weiterhin als Partei und Fraktion im Stadtparlament konstruktiv zusammenarbeiten. "Für unsere Fraktion wird sich da nicht viel verändern", so Kossack.

Er könne sich vorstellen, dass Wilke es gerade in der neuen Stadtverordnetenversammlung als Parteiloser an der ein oder anderen Stelle einfacher haben könnte, Mehrheiten für seine Vorhaben.

Auch für die AfD sei der Austritt von René Wilke keine Überraschung, berichtet Wilko Möller: "Wir finden diesen Austritt gut, weil er jetzt auch befreiter Politik machen kann. Er muss nicht mehr auf die Linken Rücksicht nehmen." Laut Möller sei die Linke in der vergangenen Zeit ideoloigscher und radikaler geworden.

Das könnte laut AfD auch positiv für die künftige Arbeit sein: "Wenn er jetzt nicht mehr der Linken-Partei angehört, werden wir auf jeden Fall die Hand reichen und nochmal einen neuen Versuch starten. Ich glaube, dass er besser mit uns zusammenarbeiten wird", sagt Möller

Wilke will als parteiloser Oberbürgermeister weitermachen

Mit 16 Jahren trat Wilke in die damalige Linke-Vorgängerpartei PDS ein. Er ist seit 2018 Bürgermeister von Frankfurt (Oder) und war mit damals 34 Jahren der jüngste Oberbürgermeister Brandenburgs. Die Entscheidung nach Medienberichten nicht überraschend: Bei den Kommunalwahlen im Juni hatte die Linke in Frankfurt (Oder) an Zustimmung verloren. Wilke äußerte sich anschließend öffentlich, dass er über Konsequenzen nachdächte.

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Sendung: rbb24 Inforadio, 30.06.2024, 19:00 Uhr

80 Kommentare

  1. 80.

    Ich wünsche Herrn Wilke alles Gute. Ich denke, er macht einen guten Job. Einige seiner Vorgänger habe ich nicht so positiv wahrgenommen.

  2. 79.

    "Wen wundert es da, dass das Volk diesen Parteien nichts mehr zutraut und sich nach der SCHLECHTESTEN Alternative umschaut..." >ganz einfach: afd, heimat und bsw haben NULL Erfolge vorzuweisen, Höcke hat Prozesse am Hals und darf berechtigt als Faschist tituliert werden, mehrere afd-Landesverbände sind als gesichert rechtsextrem der Verfassungsschützer. Das gleiche Maß an "intelligenz" darf bei den Wählern/innen von afd, heimat und bsw vermutet werden. Wo kein Wissen ist kann auch nichts gewusst werden. Ist Deutschland erstmal im Totalschaden, kann man immer noch (wie 1945 und 1989) behaupten, man hätte angeblich nichts gewusst...

  3. 78.

    "Wen wundert es da, dass das Volk diesen Parteien nichts mehr zutraut und sich nach Alternativen umschaut..."

    ......kennen Sie den Wagen von Jacques Tilly vom Düsseldorfer Rosenmontagszug zu dem Thema: Wir sind das Volk? Als Antwort darauf hat er den Spruch: Wir sind mehr. Daran musste ich gerade denken, als ich Ihren Satz gelesen habe.

    "https://www1.wdr.de/nachrichten/mottowagen-jacques-tilly-102.html"

  4. 77.

    Hier kann man die Zeit nach den BUndestagswahlen erahnen: https://www.wahlrecht.de/umfragen/

  5. 76.

    die linke wird im kommenden Bundestag nicht mehr vertreten sein, die fdp vermutlich auch nicht, während die Grünen trotz vier Wunschdenker/innen nicht zu vergraulen sind.

  6. 75.

    "Wen wundert es da, dass das Volk diesen Parteien nichts mehr zutraut und sich nach Alternativen umschaut..."

    Oje, jemand, der im Namen des "Volkes" spricht. Zu blöd nur, dass ich auch zu dem "Volk" gehöre und das ganz anders sehe als Sie. Sprechen Sie doch bitte für sich. Was soll diese Verallgemeinerung?

  7. 74.

    Mit dem Kopf durch die Wand und die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc scheinbar und mit Halbwissen auf seiner Seite. Doch die angerufene Dritte Gewalt, das Gericht, faktisch als klitzekleine Nebensache betrachtend. Der hat sich dann mit dem erstgenannten Aspekt herausgeredet, nur nach besten Wissen und Gewissen gehandelt zu haben.

    In der Tat ein immenser Schaden - nicht nur finanziell.

  8. 73.

    Da bin ich aber froh, dass die etablierten "demokratischen" Parteien nicht dem Volk nach dem Mund reden und daher nicht populistisch sind!
    Leider wissen sie auch nicht WIRKLICH, wie sie ihre Versprechungen überhaupt REAL umsetzen können.
    Und das seit mehreren Jahrzehnten, in denen sie mehr als genug Chancen hatten, Dinge zu verändern...

    Wen wundert es da, dass das Volk diesen Parteien nichts mehr zutraut und sich nach Alternativen umschaut...

  9. 72.

    Im Vergleich zu Dieter Dehm, der ja aus freien Stücken schon ein halbes Dutzend Parteizugehörigkeiten hinter sich hat, ist René Wilke dagegen eher ein Beispiel für Kontinuität. Es waren ja gemeinschaftlich getragenene Entscheidungen der gleichen Partei, die sich viermal verbal häutete und i. S. der Fortgeltung eines Historischen Materialismus doch den Kern ihrer Rechthaberei behielt. ;-

  10. 71.

    Kritik an Parteien, die gehört zu Meinungsfreiheit, ergo bin ich voll auf dem Boden des GG.

  11. 70.

    Es ist ja schon geradezu peinlich, wie ein ehemaliger linker Jubelgenosse die viermal umbenannte SED verlässt, um sich als "parteilos" zu plakatieren, und spätestens nach einer gewissen Zeit sich der BSW anzudienen.
    Wie scheinheilig und verlogen - passt aber hervorragend.

  12. 69.

    Oh, schon wieder? Der tritt aber oft da aus …

  13. 68.

    Ja, Andreas Scheuer schuldet uns noch eine halbe Milliarde Euro! Das stimmt mich traurig, was könnte nicht alles mit diesem/unserem Geld beglichen werden. Zum Beispiel Umweltschutzkosten, Unterstützung der Kommunen im kämpf gegen Rechts usw.

  14. 67.

    Der Unterschied zwischen Populisten und Menschen, die am Populismus nicht vorbeikommen ist derjenige, dass Populisten beständig ein Strohfeuer nach dem anderen entfachen, sich daran berauschen und Menschen, die einem Blendwerk erlegen sind, gleichfalls auch. Populistisch Erlegene hingegen der Auffassung sind, dass sie an diesen Strohfeuern nicht vorbeikommen, weil diese ja nun einmal da sind.

    (Ggf. ein "Prüfstein": Andreas Scheuer konnte sich dem Populismus der bayerischen Stammtische nicht entziehen, die lauthals forderten, dass Durchfahrende auch hier gefälligst eine Maut zu zahlen hätten. Was die Stammtischler dann nicht wollten, das war die 1 : 1 -Eigenbeteiligung, gleich aller anderen. So fiel es dem Andi auf die Füße.)

  15. 66.

    Genau wie die OB von Erfurt die dann beim BSW auftaucht um an fette Tröge zu kommen.

  16. 65.

    Noch ein Postenliebhaber, der sinkende Schiff verlässt.

  17. 64.

    Feine Sahne, ihm, Sache das. Ich kann ihn gut verstehen und wünsch weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit. Die Linke muß sich reformieren, wird aber gebraucht.

  18. 63.

    Sie verbreiten gerade rechtspopulistische Narrative. Ich frage mich ob sie überhaupt noch auf dem Boden des GG stehen.

  19. 62.

    Das Beste ist das die Linke sich immer und immer auflöst.

    Wissler forderte heute auf der Pressekonferenz offene Grenzen für alle.

    Sie forderte auch das alle direkten Anspruch auf Bürgergeld haben.

    Geringere Asylleistungen gegören zu 100 Prozent gestrichen.

    Jetzt im ernst - wie dämlich kann man eigentlich sein!

  20. 61.

    Ist ein schwieriges Thema; nicht umsonst ist die Wahlverdrossenheit ja so hoch.
    Natürlich navigieren die anderen Parteien auch hart am Munde des Wählers, allerdings immer mit viel kleineren Schritten.
    Und natürlich gibts auch bei denen immer ein Delta zwischen den Versprechungen und der realen Umsetzung. Allerdings auch ein kleineres Delta als bei den zu erwartenden tatsächlichen Umsetzungen bei Populisten.
    Ich will hier garnicht die aktuelle Politik bewerten, die sich regelmäßig selbst im Weg steht. Auch das ist im Ergebnis Demokratie, also die Konsequenz eines Wahlergebnisses. Ich warne nur vor schnellen, einfachen Antworten, die garantiert zu überhaupt nichts sinnnvollem führen, als mit Sicherheit in die Katastrophe.

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