Musikgeschäft - Warum die großen Popstars Berlin meiden
Taylor Swift, Beyoncé, Bruce Springsteen und jetzt auch noch Adele: Auffällig oft machten Stars zuletzt einen Bogen um die Hauptstadt. Warum? Von Anja Caspary
- Berlin fehlt es an Platz für Groß-Events wie von Taylor Swift oder Adele
- Nötig sind bis zu 75.000 Plätze - die schafft nur das Olympiastadion
- Hinzu kommen Anforderungen an den Lärm- und Naturschutz
- Auch die Lage Berlins ist suboptimal - es fehlt ein stark besiedeltes Umland
Örtlichkeiten in der Größenordung, die Taylor Swift für ihre Konzerte benötigt, die also eine Kapazität von 60.000 bis 75.000 Fans haben, sind in Berlin rar gesät. Einzig das Olympiastadion kann so viel Platz bieten. Allerdings muss das Olympiastadion auch Fußballevents beherbergen, also die Hertha-Heimspiele, das Pokalfinale, Länderspiele oder - wie in diesem Sommer etwa - internationale Wettbewerbe wie die Fußball-Europameisterschaft. Freie Termine sind dort rar.
Außerdem ist das Olympiastadion unbespielbar, wenn direkt nebenan in der Waldbühne auch Konzerte stattfinden - nicht nur aus logistischen, sondern vor allem aus kakophonischen Gründen. Die Lärmproblematik würde nicht nur Anwohner:innen, sondern vor allem die Künstler:innen selber stören, wenn sie sich gegenseitig beschallen. Da die Waldbühne im Schnitt rund 25 Veranstaltungen in der Saison bucht, fallen die dann also auch im Kalender des Stadions weg. Berlin fehlt schlichtweg eine Alternative zum Olympiastadion.
Wenn nicht Stadion, dann eben Flughafen - aber nur eventuell
Wobei, da war doch noch ... das Tempelhofer Feld! Die Größe stimmt, aber nicht die Planbarkeit, denn Berlin ist wankelmütig, was das Feld angeht. Wenn dort Konzerte erlaubt sind, schlagen kurzfristig gern Die Ärzte oder Die Toten Hosen zu. Langfristig aber können Anfragen nicht bestätigt werden. Denn womöglich muss es wieder wegen der Flüchtlingsunterkünfte für Konzerte gesperrt werden, oder ist wegen den zukünftigen Bebauungsplänen ein unsicherer Kandidat.
Für die langfristige Planung - amerikanischer Managements für die Touren ihrer Künstler:innen - ist das Feld ungeeignet. Und die Möglichkeit, große Massen vor dem Reichstagsgebäude wie in den 1980er Jahren mit David Bowie, Pink Floyd, Genesis oder Michael Jackson zu erfreuen, ist vorbei, seit die Hauptstadt verbannmeilter Regierungssitz ist.
München will Adele - und bastelt ihr ein Stadion
Adele hätte Berlin theoretisch auch bekommen können, aber für Handküsse ist man hierzulande zu stolz, den können die Münchner besser. Und so bauten die Bayern der Las-Vegas-gestählten Britin mal eben ein Pop-up-Stadion nach ihren Wünschen auf.
Die Idee dafür kam vom dortigen Veranstalter Klaus Leutgeb. Die Messe München stieg darauf ein. Sie schufen Platz für ein 75.000-Plätze-Stadion mit angeblich gemütlicher Atmosphäre, denn Adele wollte es "cozy inside". Auch ein 93 Meter langer Catwalk wurde für sie installiert. Zudem will der Superstar mit dem größten Monitor der Konzertgeschichte - 220 Meter lang - ins Guinness Buch der Rekorde. Laut des Veranstalters "Live Nation" hat all das einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet.
Extrakosten sorgen für miese Publicity
Selbst wenn ein Berliner Veranstalter die Handynummer von Adele und die Idee gehabt hätte - wo hätte er hin sollen mit dem maßgeschneiderten Pop-up-Stadion? Auf dem Messegelände wäre schon mal kein Platz dafür gewesen. Und auf Flächen außerhalb der Innenstadt gibt es traditionsgemäß immer Ärger, wie bereits die Veranstalter des Lollapalooza-Festivals lernen mussten: Im Treptower Park gab es Ärger mit den Anwohnern, auf der Galopprennbahn Hoppegarten mit dem Naturschutz.
Inzwischen hat das "Lolla" eine Heimat im und am Olympiastadion gefunden, muss aber den Anwohnern zwei Nächte im Hotel zahlen. Solche Nebenkosten sprechen sich natürlich negativ in der Szene der musikalischen Global Player herum. Dort erwartet man möglichst wenig Arbeit und möglichst große Wirtschaftlichkeit. Und wenn diese Großkopferten dann noch auf die Karte schauen und sehen, dass um Berlin herum das dünn besiedelte Bundesland Brandenburg liegt, dann hat das Ruhrgebiet mit seinen 13 Millionen Einwohnern natürlich einen Standortvorteil.
Auch Hamburg kann da punkten. Weshalb die Managements der großen Stars auch lieber das Volksparkstadion in der Hansestadt buchen. Sie denken: Den Bruce-Springsteen- oder den Taylor-Swift-Fans kann man schon mal zwei Stunden Anfahrtszeit zumuten, womit also Berlin zum Einzugsgebiet von Hamburg wird.
Berlin hat keine ansteckende Krankheit und es gibt auch kein prinzipielles "No", hier zu spielen. Aber Berlin hat zu wenig Platz, zu wenig Geld, zu wenig Kapazitäten. Ganz einfach.
Sendung: Radio3, 30.07.2024, 16:50 Uhr