Theater in der Bundespressekonferenz | Premierenkritik - "Mit aller Härte bestrafen und remig… äh, zurückführen!"

Sa 28.09.24 | 09:46 Uhr | Von Von Barbara Behrendt
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Aufführung des Stücks "Volksbürger" in der Bundespressekonferenz am 27.09.24 (Bild: dpa-news/
Audio: rbb24 Inforadio | 28.09.2024 | Barbara Behrendt | Bild: dpa-news/

Zum 75. Geburtstag der Bundespressekonferenz zeigen Fabian Hinrichs und "Nico and the Navigators" in einem fiktiven Freistaat, was passiert, wenn eine populistische Partei an die Macht kommt und macht, was sie will. Die Realität ist allerdings noch gruseliger. Von Barbara Behrendt

Die ersten Hochrechnungen erscheinen auf dem Bildschirm in der Bundespressekonferenz: Linke, BSW und Grüne fliegen aus dem Landtag, die SPD liegt im einstelligen Bereich und die CDU kommt immerhin auf knapp 20 Prozent. Klarer Wahlsieger im Freistaat ist mit satten 44 Prozent die DA. DA – das steht für Demokratische Allianz, aber auch für den Namen ihres Gründers, Dominik Arndt, neuer Ministerpräsident.

Der kommt noch am Abend seines Wahlsiegs überraschend nach Berlin, um sich den Fragen der Journalist:innen zu stellen, die er bislang gemieden hat. Noch bevor er das Haus der Bundespressekonferenz betritt, bekommt der TV-Journalist Theo Koll das erste Interview. Der echte Theo Koll, versteht sich. Auch das flimmert nun über den Bildschirm im Pressekonferenzraum.

Aufführung des Stücks "Volksbürger" in der Bundespressekonferenz am 27.09.24 (Bild: dpa-news/Katharina Kausche)
Dominik Arndt alias Fabian Hinrichs. | Bild: doa-news/Katharina Kausche

Fabian Hinrichs: smarter und aalglatter Populist

Und dann betritt er den Raum: Dominik Arndt alias Fabian Hinrichs - federnder Gang, smarter Anzug, charmantes Lächeln. Statt Fragen zu beantworten, reißt er allerdings lieber sein Parteiprogramm ab: "Wir sind sozial, wir sind demokratisch, wir sind alternativ, wir sind liberal. Wir sind auch national, aber das hat nichts mit rechts zu tun oder links, sondern mit der Mitte, mit einer Leidenschaft für unser Land."

Das Publikum dieses Theaterstücks mit dem sprechenden Titel "Ein Volksbürger" sitzt, wo sonst die Presse sitzt – dazwischen vier Schauspieler:innen in der Rolle von Journalist:innen, die nun im Laufe eines Jahres und einer Reihe von sich immer weiter zuspitzenden Pressekonferenzen unbequeme Fragen stellen. Denn wo die Demokratische Allianz Geld für Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung ausgeben möchte, da muss auch gespart werden. "Kann es sein, dass sich Ihre Sparmaßnahmen bereits jetzt auf den Vollzug des Ausländerrechts erstrecken?", fragt eine forsche Journalistin.

Plötzlich heißt es: Putsch der Bundesregierung!

Die Vorwürfe erhärten sich. Der Freistaat verschleppt Asylverfahren, verweigert Aufenthaltstitel, sodass Geflüchtete ohne Grundsicherung im wahrsten Sinne auf der Straße sitzen. Und verteidigt genervt sein Vorgehen mit dem vermeintlichen Schutz seiner Wähler:innen: "Wer bei uns im Freistaat einen Gottesstaat ausrufen möchte oder widerlichste, antisemitische Aktionen fährt, der wird bei uns mit aller Härte bestraft und auch remi… äh, zurückgeführt."

So der Seitenhieb auf die AfD und die Remigrationsdebatte, den Maximilian Steinbeis, Jurist und Autor des Theaterstücks, hier eingefügt hat. Was tun, wenn die Exekutive die Judikative nicht anerkennt? Die DA-Partei missachtet das Grundrecht auf Asyl und verweigert der Bundesregierung Zugang zu den Akten. Bis die Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht zwar Recht bekommt - dieses Recht nun aber mit der Bundespolizei einfordern muss. Was nicht überall für gute Schlagzeilen sorgt. Von Putschversuchen seitens der Bundesregierung ist plötzlich die Rede.

Realer Fall: Markus Söder und das Dieselfahrverbot

Wer diese dreiste Missachtung des Gerichts von einem Ministerpräsidenten für übertrieben hält, der braucht, auch das zitiert der Abend, nur nach Bayern zu schauen. Wo Markus Söder 2012 schlicht das Dieselfahrverbot ignorierte, zu dem der Freistaat verurteilt worden war.

Die Inszenierung von Nicola Hümpel und der Gruppe "Nico and the Navigators" legt Wert darauf, ein realistisches Szenario darzustellen – inklusive Namensschilder und Wasserflaschen für die Gesprächspartner. Trotzdem spielt der Abend auch mit der politischen Farce, Fabian Hinrichs überzeichnet und ironisiert – was dem zweistündigen Spiel durchaus guttut.

Im Dienste der politischen Aufklärung

Ein Theaterabend, der weniger im Dienst der Kunst steht als im Dienste der politischen Aufklärung - wogegen nichts zu sagen ist. Dass sein Inhalt weniger wachzurütteln vermag, als er beabsichtigt, liegt schlicht daran, dass die Realität noch gruseliger ist als die Fiktion. Denn wo hier der populistische Spuk schon nach einem Jahr vorbei ist (die Partei liegt am Boden, der Ministerpräsident ist ins Ausland geflohen), muss sich die Wirklichkeit auf ein mindestens vierjähriges Debakel einstellen. Im Thüringer Landtag. Aber nicht nur dort.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.09.2024, 7:55 Uhr

Beitrag von Von Barbara Behrendt

12 Kommentare

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  1. 12.

    Nee, mein Junge, daß ist leider, bittere Realität und im wirklichen Leben noch viel schlimmer. Die Dummheit und Machtgeilheit stirbt eben nicht aus.

  2. 11.

    Auch sie glänzen von böswilliger Unterstellung, bzw. Ahnungslosigkeit und fehlendem Humor. waren Sie schon mal im Tneater? Dieses Theaterstück, verspricht, weil voll aktuell, einen Genuß, an Erkenntnis, wie auch schwarzem Humor, zu bringen!
    Die Realität ist aber wirklich viel grausamer, siehe afd-büttel.

  3. 10.

    Jaja, und Filme wie "Die Welle", "American History X", "Schindlers Liste" - auch alles AgitProp, wa? Dass Kunst für demokratische Werte einsteht, wollen Sie auch gar nicht verstehen, oder?

  4. 9.

    Ob Sie es glauben oder nicht... Sofort erinnerte ich mich an die frühen Siebziger. Kabarett- Truppe unserer. Agitprop vom feinsten. Bleiben wir einfach neugierig auf das was kommt.

  5. 8.

    Also sobald Kunst demokratische Werte vertritt, ist das AgitProp? Interessante Interpretation...

  6. 7.

    Vielleicht hätten Sie die Debatte im BT zum Thama Kunst und Frau Roth verfolgen sollen. Da ging es genau um das Thema, welche "Kunstrichtung" vermehrt unterstützt wird.

  7. 5.

    Naja, wenn Sie wüssten, welche Aufgaben und Ansprüche mit der Kunst seit jeher einhergehen, würden Sie das Stück anders bewerten. Dass sich zum Beispiel Anhänger:innen rechtsextremer Strukturen, zum Beispiel AFD-Anhänger:innen an Kunst stören und sich von dieser bevormundet fühlen, liegt in der Natur der Sache. Es wäre viel bedenklicher, wenn Kunst den Rechtsextremismus nicht kritisieren und verurteilen würde.

  8. 4.

    Agitation und Propaganda sind aus meiner Sicht nicht die Gründe, warum Kunst überhaupt existiert.
    Leider entwickelt sich die Kunst in Deutschland (besonders Film und Theater) seit einigen Jahren in genau diese Richtung.
    Man hält offenbar den Zuschauer für geistig mindernegabt ausgestattet, und glaubt, ihn moralisch und politisch belehren und agitieren zu müssen.
    Sichtbar unter anderem auch in der Fortsetzung von "Liebling Kreuzberg". Furchtbar langweilig!

  9. 3.

    Die gestrigen Ereignisse des Okkupators Tentschel in Thüringen zeigen klar, dass dies keine unrealistischen Horrorszenarien sind.
    Man kann rechtsextrem wählen, aber dann nicht mehr abwählen.

  10. 2.

    Langeweile und der Drang, Untergangsszenarien unter die Leute zu bringen. Funtktioniert auf dieser Plattform hervorragend.

  11. 1.

    Klingt nach AgitProp wie seinerzeit in der DDR.
    Warum das...?

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