Drehort: Alex - Am Alexanderplatz
In Wirklichkeit war der Alexanderplatz in den 20er Jahren eine riesige Baugrube. Berolinahaus und Alexanderhaus standen noch nicht, von Weltstadtplatz war noch nicht viel zu sehen. Der Eindruck eines quirligen Zentrums musste her - der digitale Aufwand war entsprechend groß.
Im Jahr 1929 ist der gesamte Alexanderplatz eine riesige Baustelle. Zwischen 1927 und 1932 wird der Platz unter- und überirdisch grundlegend neu gestaltet. Für die Dreharbeiten am Alexanderplatz wird der Abschluss der Bauarbeiten vordatiert, hier ist der Platz wieder intakt, die beiden modernen Bauten, das Alexander- und das Berolinahaus, sind fertiggestellt. Was verändert sich im Zuge der Bauarbeiten? Beginnen wir mit einem Rückblick:
Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 1926 und wir stehen im Zentrum des Berliner Ostens, auf dem Alexanderplatz: Der Osten Berlins ist arm, soziales Elend und Kriminalität sind überall sichtbar. Aber der Alexanderplatz ist auch Verkehrsknotenpunkt, die zentralen Markthallen liegen gleich um die Ecke, es gibt Warenhäuser und Kinos. Üblicher Treffpunkt ist die Berolina, die Kolossalstatue einer Frau, die auf einem hohen Sockel vor der prächtigen Fassade des Warenhauses Hermann Tietz steht und huldvoll die Hand über die Menschen ausstreckt. Wenden wir uns nach Westen, so sehen wir die Gleise der Stadtbahn und, halb verdeckt von Häusern, den Bahnhof Alexanderplatz. Jenseits des Stadtbahnviadukts befindet sich das zweite große Warenhaus am Platze, Wertheim, etwas nobler als Hermann Tietz.
Geplant ist ein Weltstadtplatz
Gegenüber von unserem Standort an der Berolina – wir erinnern uns, es ist das Jahr 1926 – sehen wir das Gebäude des ehemaligen Königstädtischen Theaters, das 1824 als erstes privat finanziertes Berliner Theater eröffnete. Ein Theater ist es schon lange nicht mehr, hier befindet sich eine Filiale der beliebten und preiswerten Restaurantkette Aschinger. Östlich neben Aschinger öffnet sich der Platz. Früher diente die Fläche als Viehmarkt und Exerzierplatz. Heute ist der Platz begrünt und von hier gelangt man zum U-Bahnhof.
Seit 1913 verkehrt die Untergrundbahn von Charlottenburg kommend über den Alexanderplatz bis in den Prenzlauer Berg. Hinter der Grünfläche ragt der Eckturm des Polizeipräsidiums empor. Das Riesengebäude, genannt die Rote Burg, empfinden viele Berlinerinnen und Berliner als düster oder sogar bedrohlich, auf jeden Fall aber als imposant. Wenden wir uns Richtung Osten, so sehen wir den ehemaligen Gasthof Zum Hirschen, ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, in dem Heinrich von Kleist logierte, bevor er sich am Wannsee das Leben nahm.
Abriss für die U-Bahn
Dieser Alexanderplatz gehört schon bald der Vergangenheit an. Für sechs Jahre verwandelt er sich in eine gigantische Baustelle. Am Anfang steht der U-Bahnbau: Die Trassen für zwei weitere U-Bahnlinien werden gezogen - und dafür fallen etliche Bauten des "alten" Platzes: Das Haus Zum Hirschen wird ebenso abgerissen wie das Königstädtische Theater und Häuser entlang der Dircksenstraße.
Da nun sowieso die Bautätigkeit eröffnet ist, soll der Platz zu einem "Weltstadtplatz" umgestaltet werden, so der Stadtbaurat Martin Wagner. Priorität hat nun die "Durchschleusung des Verkehrs": Busse und Straßenbahnen, die neuen U-Bahnlinien, die Stadtbahn, der zunehmende Autoverkehr und die Fußgänger – alle sollen möglichst reibungslos den Platz passieren. Während der Bauzeit jedoch wird der Straßenverkehr umgeleitet und die Fußgänger müssen auf schmalen Wegen über Baugruben und Schächte balancieren.
Die Weltwirtschaftskrise verhindert die Verwirklichung aller Pläne. Während der Bau der neuen U-Bahnlinien bis 1930 vollendet wird, fehlen Investoren für oberirdische Neubauten. Nur zwei achtstöckige "Hochhäuser" werden mit nordamerikanischem Geld verwirklicht: das Berolinahaus parallel zur Stadtbahn und das Alexanderhaus gegenüber auf dem ehemaligen Aschinger-Grundstück. Die Entwürfe stammen von Peter Behrens, Stararchitekt und Chefdesigner der AEG.
Bis heute zeugen die Behrens-Bauten von den ambitionierten Plänen
Die beiden Behrensbauten überstehen den Krieg weitgehend unbeschadet. Daher bilden sie die Hauptkulisse für die Szenen der Serie Babylon Berlin, die auf dem Alexanderplatz spielen. Bei den Dreharbeiten fahren alte Autos und Straßenbahnen über den Platz, Komparsen belebten die Straßenszenen, Blumen- und Bücherstände verdecken die modernen Stadtmöbel, in einem Kiosk, bei dem sich Charlotte Ritter und Gereon Rath beim Zigarettenkaufen treffen, verbirgt sich ein Lüftungsschacht der heutigen U-Bahn. Gedreht wird an einem Sonntagvormittag, ein blau verhängter Bauzaun verhüllt alle noch sichtbaren modernen Elemente und die nicht mehr vorhandenen Gebäude, vor allem die Rote Burg, Sitz des Polizeipräsidiums, wird später digital ergänzt. An ihrem Platz steht heute das Alexa-Einkaufszentrum.
Und was wird aus dem "kolossalen Weib", der Berolina (A. Döblin)? Bereits 1927 wird sie für den U-Bahnbau von ihrem Sockel gehoben und in einem Schuppen in Treptow zwischengelagert. Nach Ende der Bauarbeiten bekommt sie einen neuen Standort vor dem Alexanderhaus. Endgültig verschwindet sie 1944, vermutlich wird sie eingeschmolzen und der Waffenproduktion geopfert. Ihr letzter Standort ist ungefähr dort, wo sich heute die Weltzeituhr befindet, die seit ihrer Einweihung 1969 als Treffpunkt auf dem Alexanderplatz dient.