Drehort: Standbad Wannsee - Kaum Platz zum Untertauchen

Fr 31.08.18 | 00:00 Uhr | Von Johanna Niedbalski
Standbild aus Babylon Berlin: Fritz (Jacob Matschenz, links) und Otto (Julius Feldmeyer, rechts) schauen vom Ufer des Strandbads Wannsee hinaus zu den vorbeifahrenden Ruderbooten. (Quelle: X Filme | ARD Degeto | sky | Beta)
Bild: X Filme | ARD Degeto | sky | Beta

Den Wannsee nennen viele die Berliner Badewanne - mit der Betonung auf viele: Schon in den Zwanzigerjahren war der Strand am Strandbad Wannsee so voller Menschen, dass er auf Aufnahmen aus der Zeit schwarz erscheint.

Das Wannseebad ist die Badewanne, oder vornehmer, der Lido Berlins. Es ist sogar über die Berliner Grenzen hinaus bekannt, spätestens seit 1951 der Kinderstar Conni Froboess den Schlager "Pack' die Badehose ein" ins Mikrofon trällert. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren ist es am Wannsee an warmen Sommertagen brechend voll. Auf Abbildungen aus dieser Zeit ist der Strand schwarz von Menschen, die Gäste lagern dicht an dicht, im Wasser ist kaum Platz zum Untertauchen und an den Wasserrutschen gibt es lange Schlagen. 40.000 Badegäste, 60.000, mitunter sogar 70.000 Menschen tummeln sich am rund einen Kilometer langen Sandstrand.

Auch die Kinderfundstelle war gut gefüllt

Es wird getanzt zu Musik aus Grammophonen, Händler bieten saure Gurken aus Eimern an, Eisverkäufer nutzen sogar Schiffe, um ihre Ware an die schwitzenden Gäste zu bringen. An der Kinderfundstelle helfen Bademeister den verloren gegangenen Kindern; verlorene Gegenstände hingegen können am Fundbüro abgeholt werden.

Im Strandbad Wannsee hätte vermutlich niemand über Charlotte Ritters Badekostüm gelästert. In Babylon Berlin wird das Strandbad der Massen kontrastiert mit der snobistischen Exklusivität des Akademischen Ruderclubs Wannsee.

Erlaubt ist das Schwimmen im Wannsee erst seit 1907. Zuvor hatte die Obrigkeit streng aufgepasst und regelmäßig wild badende Berlinerinnen und Berliner verscheucht. Mit der Legalisierung des Badebetriebs setzt die Massenwanderung an den Wannsee ein. Die engen Wohnverhältnisse und die unzureichenden sanitären Anlagen der Berliner Wohnungen führen zu sommerlichen Völkerwanderungen aus der Stadt heraus ins Umland, ins Grüne, in die Ausflugslokale und Freibäder.

Ab 1924 in städtischer Hand

Angesichts solcher Massen sonnenhungriger Menschen muss der Badebetrieb organisiert werden. Es gibt Probleme mit Gästen, die nur zum Gaffen kommen, mit Jugendlichen, denen die Hitze zu Kopf steigt und es gibt bereits damals ein Müllproblem. Denn wer kümmert sich um die zurückgelassenen Butterbrotpapiere Tausender Badegäste? Zunächst übernimmt ein privater Pächter diese Aufgaben, allerdings nicht zur allgemeinen Zufriedenheit.

Als 1924 der Pachtvertrag ausläuft, übernimmt die Stadt Berlin das beliebte Freibad. Neue Bauten werden errichtet: Strohgedeckte Holzhäuser mit Umkleidekabinen und Duschen, Toiletten und einem Erste-Hilfe-Raum, geplant vom Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann, der auch diverse Hallenbäder entwirft. Der langjährige Leiter des Wannseebads, der Sozialdemokrat Hermann Clajus, will seinen Gästen unter hygienischen Bedingungen einen Ort für Geselligkeit, gesunde Erholung und sportlichen Ausgleich bieten: Licht, Luft und Sonne für die Großstädterinnen und Großstädter.

Klinkerbauten für ein Weltstadtbad

Doch schon bald denken Stadtplaner und Badbetreiber über Erweiterungen nach. Im Mai 1927 brennen auch noch einige Holzhütten nieder. Der neue Berliner Stadtbaurat Martin Wagner will mehr Grünflächen und Sportanlagen für die Stadtbevölkerung schaffen und entwirft zusammen mit dem Architekten Richard Ermisch ein "Weltstadtbad" im Stil der Neuen Sachlichkeit. Bei weitem nicht alle Pläne werden verwirklicht, aber die 1930 fertiggestellten gelben Klinkerbauten am Strand und die große Gartenanlage mit Spazierwegen und Sportplätzen oberhalb der Uferböschung schaffen ein Bad, das modern, groß und beliebt ist wie eh und je. Noch heute gelten die Bauten als Zeugnis des Neuen Bauens und als Denkmal für die sozialpolitischen Ambitionen der Zwanzigerjahre.

Für Juden nicht mehr erlaubt

Die politischen Unruhen der frühen Dreißigerjahre machen nicht vor dem Strandbad halt. Im Sommer 1930 hissen Nationalsozialisten Hakenkreuzfahnen am Strand, es kommt zu Massenschlägereien. Im März 1933 drohen Hermann Clajus, dem Sozialdemokraten und langjährigen Leiter des Wannseebads, Entlassung und Verhaftung. Er begeht Selbstmord. Am Wannseestrand organisiert nun die nationalsozialistische Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ Sportspiele und das Singen von Volksliedern. Juden hingegen wird per Verbotsschild der Besuch des Bades verboten.

Beitrag von Johanna Niedbalski

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