Rikschas in Brandenburg/Havel - "Zur geforderten Verkehrswende gehört manchmal auch echte Handarbeit"

Sa 01.07.23 | 10:29 Uhr | Von Claudia Baradoy
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Vier Fahrrad-Enthusiasten bringen in Brandenburg an der Havel alte Velo-Taxis wieder zum Rollen. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 25.06.2023 | Claudia Baradoy | Bild: rbb

Rikschas – also Fahrrad-Taxis – gehören bald auch zum alltäglichen Stadtbild von Brandenburg an der Havel. Vier Fahrrad-Enthusiasten bringen dort alte Velo-Taxis wieder zum Rollen. Von Claudia Baradoy

 

Jeden Donnerstag wird in einer Werkstatt des Industriemuseums in Brandenburg Havel neuerdings geschraubt und getüftelt. Vier Fahrrad- Enthusiasten haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen schrottreife Velo-Taxis wieder startklar machen. Von den insgesamt drei Gefährten ist die Farbe abgeblättert, und die uralten Blei-Akkus sind mausetot.

Projektleiter Karsten Engelmann montiert an eine der Rikschas gerade einen neuen Akku, der er aus einem alten E-Bike ausgebaut hat: "Den haben wir ein bisschen aufgearbeitet, da war die Elektronik kaputt", erklärt er.

Die alten Fahrrad-Taxen standen nutzlos rum

Die Velo-Taxis werden mit Muskelkraft und Unterstützung eines Elektromotors betrieben. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 25 Kilometern pro Stunde und dürfen überall dort fahren, wo Fahrräder erlaubt sind: auf Radwegen, in Parkanlagen oder Fußgängerzonen.

In der eiförmigen weißen Kabine finden hinten zwei Personen Platz, vorne sitzt der Fahrer. 22 Jahre alt sind die Fahrradtaxis in Brandenburg/Havel. Die Rundumerneuerung ist also dringend nötig. Denn jahrelang rosteten die Fahrzeuge nur vor sich hin. Die Stadt Brandenburg hat sie 2001 angeschafft und kurze Zeit als Prospektständer benutzt. Später auf der Bundesgartenschau wurden sie nochmals für kurze Zeit genutzt. "Danach wurden sie komplett eingemottet und standen nutzlos rum. Das war einfach schade", erklärt Engelmann die Idee, die dahintersteckt.

"Das ist alles noch zum Anfassen"

Die Fahrradbastler starteten das Projekt in Eigeninitiative und arbeiten ehrenamtlich. Auch Frank Träger macht mit. Er engagiert sich bereits im Brandenburger Verkehrsclub und hat in der Stadt schon viele Projekte ins Rollen gebracht, wenn es um die Stärkung des Fahrrad-Verkehrs geht: Fahrrad-Reparaturstationen und neue Radstellplätze im Stadtgebiet.

Natürlich ist er auch beim Rikscha-Projekt dabei. "Zur geforderten Verkehrswende gehört manchmal eben auch echte Handarbeit", sagt Träger. Dabei sei er eigentlich ein Fan von modernerer Technik. "Aber die Velo-Taxis sind natürlich durch ihr Alter von über 20 Jahren sehr spannend für mich. Das sind die Anfänge der Elektromobilität im Fahrradsegment und man sieht dann halt die alte Bleitechnik, die alte 24 Volt Technik, die konventionelle Kettentechnik, noch keine elektronischen Antriebe. Das ist alles noch zum Anfassen."

Später sollen die Rikschas ältere Leute zu Veranstaltungen abholen

Die Stadt Brandenburg an der Havel hat die Rikschas kostenlos zur Verfügung gestellt. Unterstützt wird das Projekt vom Verkehrsclub Brandenburg, dem deutschen Fahrrad-Club ADFC, dem gemeinnützigen Verein "Denkmanufaktur" und dem Industriemuseum. Wenn die Rikschas wieder rollen, sollen sie mit ehrenamtlichen Fahrer:innen für Ausflüge mit Senior:innen verwendet werden - zum Beispiel für Touren, die das Industriemuseum anbietet. "Wir wollen damit ältere Leute zu Veranstaltungen abholen, wir wollen mit denen Stadtrundfahrten machen, wir fahren mit ihnen übers Werksgelände oder in die Walzwerksiedlung, alles Strecken, die zu Fuß für ältere Menschen zu weit sind", sagt Engelmann.

Nachdem Karsten Engelmann den neuen Akku in das erste Velo-Taxi eingebaut hat, kommt der große Moment: Gemeinsam schieben sie die Rikscha samt Fahrer an: Die Proberunde glückt. Doch bis alle drei Rikschas einsatzbereit sind, wird es noch etliche Arbeitseinsätze brauchen. Im Herbst sollen sie erstmals durch die Stadt rollen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 23.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Claudia Baradoy

12 Kommentare

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  1. 12.

    Unter 10000 € kann man so etwas seit Jahren kaufen. Sind erweiterte Pedelecs. Ich habe mir jetzt auch ein Pedelec gekauft. Eine schöne Sache für über 1000 €. Mit den Abmessungen vom normalen Fahrrad. Die Rikschas werden sicherlich auch ihren Markt haben, Allerdings für mich zu groß und klobig. Jedem das Seine. Man muss da keinen Glaubenskrieg 'draus machen und damit die Verkehrswende ausrufen.
    Als Handwerker-Transport Möglichkeit wohl in der Mehrzahl der Fälle ungeeignet.

  2. 9.

    Kleinwagen: 1700 kg, Rikscha: 200 kg
    Dhl hat in manchen Bezirken längst Rikscha Transporter mit Kasten hinten drauf.

  3. 8.

    Kleinwagen mit Tretantrieb sind also Verkehrswende?

  4. 7.

    Woher haben Sie die Erkenntnis, daß es sich um Jugendliche handelt?

  5. 6.

    Die Räder sind eine tolle Sache. Sie müssen gerne gekauft und betrieben werden. Das ist das k.O.-Kriterium. Gerne höre ich mehr dazu. Nach gewisser Zeit.
    Sie haben keinen Klimaeinfluss, was hier so einfach selbstverständlich behauptet wird. Und eine Wende ist es warum gemau?

  6. 5.

    Ich bin echt beeindruckt, es gibt noch Jugendliche, die wirkliche Handarbeit verrichten und hier auch etwas für‘s Klima tun.

  7. 4.

    „…ersetzen…“
    Sicher? Ich lese meist ergänzen oder da wo es effizienter ist auch ersetzen.
    Material lässt sich oft direkt anliefern, so dass nur noch Mensch mit Werkzeug benötigt wird.
    Gibt also mit Sicherheit reichlich Anwendungsfälle im gewerblichen Bereich für sowas um die Lebensqualität in den Städten für alle zu verbessern.
    Schliessdienste, Pflegedienste, einfache Reparaturen so als erste Gedanken.

  8. 3.

    Nette Idee für touristische Zwecke. Gewisse Kreise meinen ernsthaft, solche Fahrzeuge könnten auch im kommerziellen Transportverkehr die (Klein)-Lieferfahrzeuge ersetzen. Für das gros des Handwerker- und Lieferanten-Verkehrs ungeeignet, da die Zuladung zu gering ist.

  9. 2.

    Lesen?
    "Danach wurden sie komplett eingemottet und standen nutzlos rum. Das war einfach schade"
    Wo steht das die frei zugänglich waren?
    Wenn sie das gewesen wären, wären sie eventuell gar nicht mehr da.

  10. 1.

    Blei-Akkumulatoren standen einfach, ungesichert, so in der herum ?
    Da fehlen wohl noch wichtige Umweltschutz-basics ?

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