Geflüchtetenhilfe in Berlin - Sozialarbeiter am Limit

Do 26.10.23 | 11:26 Uhr | Von Agnes Sundermeyer
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Helfer und Sicherheitskräfte stehen in der Notunterkunft für Geflüchtete am ehemaligen Flughafen Tegel (Quelle: dpa/Sebastian Gollnow).
Video: rbb24 Abendschau | 26.10.2023 | A. Sundermeyer | Bild: dpa

Fast zwei Drittel der Deutschen sprechen sich dafür aus, weniger Geflüchtete aufzunehmen. Derweil steigt die Zahl der Menschen, die in Berlin ankommen. Diejenigen, die sich um sie kümmern, berichten von grenzenloser Erschöpfung. Von Agnes Sundermeyer

Irgendwas fällt immer aus in der aktuellen Notlage. Peter Hermanns und seine Kollegin Anja Thal drehen und drehen an den Knöpfen der Herdplatten in der alten Küche der Unterkunft für geflüchtete Männer in Treptow-Köpenick. 195 Menschen wollen hier täglich kochen.

Doch das geht gerade nur eingeschränkt. Neben ein paar kaputten Herdplatten gibt es nämlich momentan auch kein Wasser. Sozialarbeiterin Thal seufzt und deutet auf die Badezimmertür gegenüber. "Jetzt müssen die Bewohner eben Wasser von da holen, wenn sie ihr Essen kochen wollen. Das macht leider mehr Stress und Unruhe, wenn jemand anderes gleichzeitig duschen will."

Ehrenamtliches Engagement zurückgegangen

Kochen ist Fixpunkt in einem sonst oft ungeregelten Alltag – klappt das nicht, ist Stress programmiert. Das kann das Sozialarbeiter-Team von Anja Thal und Peter Herrmanns in der Unterkunft nicht gebrauchen. Die ist so gut wie voll. Peter Hermanns koordiniert die Unterbringung für den "Internationalen Bund", der 36 Einrichtungen in Berlin und Brandenburg betreut. Insgesamt sind dort gut 5.000 Menschen untergebracht. In den letzten Tagen ist das ein Job am Limit geworden.

Auf seine persönliche Belastung angesprochen, wird der 59-Jährige ernst. Im Moment sei es "wieder heftig". Zwischendurch habe er versucht, ein bisschen auf sich zu achten: "Das geht aber gar nicht mehr, im Moment sind es wirklich so regelmäßig 60 Stunden Arbeit pro Woche." Dabei hat Hermanns viel Erfahrung mit der schnellen, improvisierten Unterbringung von Menschen.

Im Moment sind es wirklich so regelmäßig 60 Stunden Arbeit pro Woche.

Peter Hermanns, Sozialarbeiter

Euphorische Willkommenskultur vorbei

2014, als die erste große Welle der Flüchtlingskrise kurz bevorstand, hatte er die Leitung der ersten Containerunterkunft übernommen. Gegen viel Widerstand einer teilweise von Rechtsextremisten unterwanderten "Nein zum Heim"- Initiative im Kiez. Aber auch mit viel Unterstützung rühriger Ehrenamtlicher.

Von der euphorischen Willkommenskultur sei nicht viel geblieben, so Hermanns. Helfer, Ehrenamtliche und Mitarbeiter seien desillusioniert und erschöpft, das ehrenamtliche Engagement signifikant zurückgegangen, so Hermanns.

Zusammenarbeit mit dem Landesamt oft chaotisch

Seit Februar steigt die Zahl der Geflüchteten, die in Berlin ankommen und untergebracht werden müssen, wieder kontinuierlich. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten verzeichnete im August einen Zugang von 9.988 Asylbewerbern, im September kamen 12.303. Dazu die Geflüchteten aus der Ukraine, 11.758 im September.

Parallel zu den Zahlen steigt auch der Druck auf Hermanns und die anderen Betreiber von Unterkünften, schnell genug Betten bereitzustellen. Und das nicht nur von heute auf morgen, sondern von Stunde zu Stunde. Da habe Berlin "wenig aus der Krise gelernt", so Hermanns. Immer noch gebe es große organisatorische Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: "Erst wurde uns gesagt, es kommen 100 neue Bewohner, dann 150, 200. Und so müssen wir im Laufe des Tages permanent die Dienstpläne ändern, die Logistik, um das hinzukriegen."

Erst wurde uns gesagt, es kommen 100 neue Bewohner, dann 150, 200.

Peter Hermanns, Sozialarbeiter

Mehr Augenmaß in der Krise

Hauptherkunftsländer der Männer im Heim in Treptow-Köpenick sind Syrien, die Türkei und Afghanistan. Im Durchschnitt sind die Bewohner 31 Jahre alt. Die Sozialarbeiter helfen ihnen bei der Suche nach Integrationskursen und einem Ausbildungsplatz. Nur wenige haben schon Asyl und arbeiten.

Voraussetzung für eine bessere Integration sei mehr "Augenmaß in der aktuellen Krise", davon ist Hermanns überzeugt. Auch wenn er vom Krisenmanagement des Landes enttäuscht sei, könne es nur mit den Behörden gelingen, und nicht gegen sie. "Wir dürfen nicht mehr permanent in so einer Notsituation sein, sondern müssen endlich die Dinge in Ruhe steuern!"

Es ist ein Appell an das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, das seine interne Kommunikation dringend verbessern müsse, so Hermanns. Außerdem brauche es eine Hausleitung als konstanten Ansprechpartner: Sonst hielten das auch die Sozialarbeiter nicht mehr lange aus. Im Heim in Treptow zieht mittlerweile wieder Essensgeruch durch die Flure. Es wird gekocht, wenn auch auf weniger Herdplatten. Fünf Betten sind noch frei in der Einrichtung. Spätestens am Wochenende werden sie belegt sein.

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.10.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Agnes Sundermeyer

14 Kommentare

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  1. 14.

    Ich staune über den Ton der Kommentare, der so langsam schärfer wird. Ist es nicht mehr möglich, bei solch einem wichtigen Thema ruhig und sachlich zu diskutieren? Ich würde mich wirklich über Vorschläge freuen, wie eine Integration ohne Sozialarbeiter funktionieren kann. Das Thema zu teuer, sorry, zählt für mich nicht. Denn die Kosten, die eine schlechte oder gar keine Integration in Deutschland zur Folge hätten, wären mit ziemlicher Sicherheit höher als das, was man jetzt für die Sozialarbeiter ausgeben muss. Jeder Flüchtling, der durch die Sozialarbeiter in Kurse, Ausbildung oder Arbeit gelangt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

  2. 13.

    Ist das gleiche, da wir ja versuchen, das Sozialamt für die halbe Welt zu sein.

  3. 12.

    „Was ist falsch an der Idee:
    "Die Sozialarbeiter helfen ihnen bei der Suche nach Integrationskursen und einem Ausbildungsplatz“

    Die (oftmals vergebliche) Suche ist viel zu teuer.

  4. 10.

    Haben Sie sich mal die Zahlen der Asylanträge von Flüchtlingen in Spanien für 2022 angeguckt? Ich habe es gerade getan und dann wird es sehr interessant. Die meisten Asylanträge 2022 in Spanien wurden mit Abstand aus Venezuela, Kolumbien und Peru gestellt. Alle anderen Länder fallen dagegen rapide ab. Woran das wohl liegen mag? Vielleicht an der Sprache? Soviel zum Thema Dolmetscher.
    Und ich finde nicht, dass man jemandem einen Vogel zeigen muss, wenn man ihm versucht zu helfen. Was daran ist falsch? Wie soll die Integration denn besser klappen, als mit Sozialarbeitern und vielen ehrenamtlichen Helfern? Ich sehe da keine bessere Lösung.

  5. 9.

    Danke für Ihre Ausführungen, das musste mal gesagt werden.
    Es gibt auch bei Einheimischen mit Problemen Bedarf an Sozialarbeitern, die helfend eingreifen bei der Suche nach Ausbildungsplätzen, Mobilitätsproblemen, Antragsformulare ausfüllen. Da gibt's kein Limit, da ist keins. Nicht jeder, der in einer Hartz4-Familie aufgewachsen ist, sieht Bezug von Bürgergeld als Option fürs eigene Leben. Leider fehlen gerade an dieser Stelle Sozialarbeiter als beratender Ersatz für Eltern, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Ich halte es für falsch, dass solche Jugendliche durch alle Maschen rutschen und am Ende ein Ergebnis steht, das niemand wollte. Diese jungen Leute sind anscheinend nicht so willkommen in dieser Kultur.

  6. 8.

    Vielleicht so vorgehen, wie in allen anderen demokratischen Staaten auf der Welt? Da gibt es keine Hilfe zur Selbsthilfe. In Spanien zum Beispiel muss man sich selbst um Fortbildung und Integration kümmern. Nur in Deutschland bekommt man noch Tipps und Tricks an Firmen Hand und im Zweifel Rechtsanwälte und Dolmetscher. Wenn ich das in Spanien verlange, würden die mir den Vogel zeigen und das zurecht.

  7. 7.

    Was bitte schön wollen Sie mit Ihrem Kommentar erreichen? Wollen Sie ebenso wie vorher schon geschehen, die Arbeit von Sozialarbeitern generell in Frage stellen?
    Was ist falsch an der Idee:
    "Die Sozialarbeiter helfen ihnen bei der Suche nach Integrationskursen und einem Ausbildungsplatz"
    Ich kann Ihren Pessimismus nicht teilen. Wie sollte man Ihrer Meinung nach denn stattdessen vorgehen? Irgendwelche Ideen?

  8. 6.

    „Wir müssen mit Sozialarbeitern da rein“
    Hieß es schon nach Silvester, von vornehmlich Ideologen vorgebracht. Vor allem WIR. Bloß nicht verurteilen. Ergebnisse?

  9. 5.
    Antwort auf [Turtle] vom 26.10.2023 um 17:12

    Ich stimme Ihnen zu, solche Haltungen sind erschreckend. Schaut man sich allerdings die Entwicklung dieser Gesellschaft an, so hat die Daseinsfürsorge in allen ihren Formen i.d.R. einen eher schweren Stand, insofern ist es vielleicht etwas krass formuliert aber leider auch symptomatisch.

  10. 4.

    Das stimmt ... nur scheinen Planung, Struktur und interne Kommunikation im LAF so zu sein, dass neben den ohnehin vorhandenen Problemen hausgemachte noch dazu kommen. Und die wirken sich vor allem auf diejenigen aus, die untergebracht werden müssen, aber auch auf die Träger, die jeden Tag Unterstützung leisten, die von heute auf morgen Mitarbeitende finden und einstellen müssen, während beim LAF Einstellungsprozesse monatalang dauern. ... Für all das können natürlich die einzelnen LAF-Mitarbeitenden nichts. Sie sind genauso Opfer wie die Kolleginnen und Kollegen der freien Träger.

  11. 2.

    Bei aller Verständnis für das Klagen des IB, nur pfeifen die KuK im LAF nicht mal mehr auf dem letzten Loch, da sind keine mehr. Auch sie wünschen sich ein Ende des Dauerkrisenstatus und auch einen oder eine neue Präs. Egal ob das Land, LAF es kann oder nicht, es muss die hier ankommenden Menschen unterbringen. Da führt rechtlich kein Weg daran vorbei. Jeder der Betreiber kann sagen, dass er kein Personal nicht mehr. Das LAF muss weiter liefern.

  12. 1.


    "Sozialarbeiter am Limit"

    "Deutschland am Limit" ist treffender....

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