Ostprignitz-Ruppin - Erste Brandenburger Reisernte eingefahren
Reisanbau in Brandenburg? Klingt exotisch, ist aber Realität. In Linum (Ostprignitz-Ruppin) hat ein Bio-Betrieb erstmals erfolgreich Reis geerntet. Ganz problemlos verlief die Premiere von Landwirt Robert Jäkel allerdings nicht. Von Michel Nowak
Robert Jäkel lässt durch seine Handflächen einige Getreidekörner rinnen. Optisch erinnern sie in ungeschältem Zustand an Weizen. Tatsächlich handelt es sich um eine Neuheit: in Deutschland angebauter Reis, erstmals in größerem Stil hier geerntet. Mit dem Ergebnis ist Landwirt Jäkel mehr als zufrieden, wie er sagt. "Es ist wirklich atemberaubend, dass der Versuch gelungen ist. Das hat alles riesengroße Freude gemacht."
Es war in erster Linie ein Experiment, als die Beschäftigten der Natur Konkret GmbH Mitte Mai rund 85.000 kleine Reispflanzen ins zehn Zentimeter tiefe Wasser eines ehemaligen Fischteichs setzten. Davon haben sie hier in Linum (Ostprignitz-Ruppin) genug. "Sogar mehr als wir für die aktuelle Karpfenproduktion brauchen", sagt der Betriebsleiter.
Reis bleibt Wildenten und Gänsen nicht verborgen
Neben Fisch- und Wasserbüffelzucht sind Gäste-Unterkünfte und ein Hofladen bisherige Geschäftszweige des Bio-Betriebs. Warum in Zeiten des Klimawandels nicht mal etwas Neues wagen, fragte sich Firmengründer Guido Leutenegger – und setzt jetzt auf naturnahen Reisanbau vor den Toren Berlins. Auf einer Fläche von knapp einem Hektar konnten inzwischen rund 5.000 Kilogramm Reis der Sorte "Lotus" geerntet werden. Mitte Oktober sei dafür die richtige Zeit, sagt Robert Jäkel, nachdem er auf ein dabei knackendes Reiskorn gebissen hat. "Wenn dieses Geräusch zu hören ist, dann weiß ich, dass Stärke einlagert und der Reis reif ist."
Ganz komplikationsfrei verlief der Anbau nicht. Wildenten und Gänse hatten sich an einigen der Reisähren zwischenzeitlich sattgefressen. Der eher wolkenverhangene, regnerische August ließ die wärmeliebenden Pflanzen nur langsam wachsen. "Dafür war das nasse Feld lange Zeit auch ein Lebensraum für die Kaulquappen der seltenen Rotbauchunken", so Robert Jäkel. "Das war ein schöner Begleiteffekt."
Die vielen Sonnenstunden im September ließen den ersten Brandenburger Reis dann aber doch ausreichend reifen. Das Wasser ist nun vom Feld abgelassen, die etwa einen Meter langen Pflanzen sind abgeschnitten. Pünktlich zur Ernte kommen auch Wissenschaftler vorbei. Sie interessieren sich vor allem dafür, wie der Reis in Zeiten des Klimawandels hier gedeiht.
Die Landwirtschaftliche Versuchsstation Berge im Havelland stellt sogar einen speziellen, kleinen Mähdrescher für die Ernte zur Verfügung. Nach verheißungsvollem Start streikt der aber. Zu lang sind die vom Feld geholten Halme, zu nass der Reis. "Normalerweise dreschen wir nur die Getreide-Rispen", sagt Andreas Muskolus, stellvertretender Geschäftsführer der Versuchsstation. "Aktuell müssen wir aber auch die grünen Halme durch die Maschine bringen und das verursacht noch Probleme." Nun werde zunächst am Mähdrescher geschraubt, dann könne es weitergehen.
Insgesamt sei der Reisanbau in Deutschland vor dem Hintergrund des Klimawandels ein extrem spannendes Projekt, sagt der Wissenschaftler. Dabei gebe es durchaus noch Schwierigkeiten: "Eine weitere Herausforderung ist momentan beispielsweise, dass der Reis hier in Linum extrem unterschiedlich abreift." Einige Körner seien noch komplett grün, andere bereits druschreif. "Das ist eine Sache, die wir uns anschauen werden. Wir überlegen dann, wie wir das optimieren können", so Andreas Muskolus.
2024 soll sich die Anbaufläche vervierfachen
Solche Kinderkrankheiten sind von der Natur Konkret GmbH jedoch offenbar durchaus einkalkuliert. Schon Mitte November könnte es im betriebseigenen Hofladen den ersten selbstangebauten Reis geben. "Die Sorte 'Lotus' soll sich besonders für Risotto eignen", sagt Robert Jäkel. Auch Restaurants im Umkreis könnten bald mit regional produziertem Reis beliefert werden. Eine entsprechende Nachfrage gebe es bereits.
Weil sich das Brandenburger Klima in der Premieren-Saison grundsätzlich als geeignet für den Reisanbau erwiesen hat, soll es in Linum auf jeden Fall weitergehen. "2024 starten wir wieder auf der gleichen Fläche durch", so der Betriebsleiter. "Zusätzlich kommen noch drei weitere Hektar hinzu."
Ein Modell fürs gesamte Land dürfte Reisanbau im dafür zu trockenen Brandenburg zwar nicht werden. Dies beschränkt sich eher auf wasserreiche Regionen, braucht der Reis doch beständig "nasse Füße". Im Storchendorf Linum ist die Infrastruktur dafür ganz offensichtlich vorhanden. Und weil sich die Anbaufläche künftig vervierfacht, will Robert Jäkel bald sogar mit einer eigens angeschafften Erntemaschine über Brandenburgs neue Reisfelder rollen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 17.10.2023, 19:30 Uhr