Fehlende Wohnheimplätze - Viele Berliner Studierende fangen ohne Wohnung an
In Berlin beginnen die Vorlesungen für das neue Wintersemester. 3.600 Studierende können nicht mit einem Wohnheimplatz versorgt werden. Das Studierendenwerk Berlin wünscht sich Zuschüsse für den Bau von Wohnheimen. Von Linh Tran
- Mehr als 108.000 neue Studierende starten in Berlin
- Günstige Wohnheimplätze belegt: 3.600 Bewerber:innen gehen leer aus
- Forderung nach Zuschuss für bezahlbare Wohnheime
Wenn das Studium beginnt, soll auch die beste Zeit des Lebens beginnen. Wäre da nur nicht das Problem mit dem Wohnungsmangel. Mehr als 108.000 Studierende starten in Berlin am Montag in das neue Wintersemester 2023/24. Die Freie Universität (FU) sprach von rund 37.600, die Humboldt-Universität (HU) von rund 35.700 und die Technische Universität (TU) von circa 35.000 Studierenden.
Irgendwo müssen diese Studierenden unterkommen.
"Allein im Studierendenwerk stehen 4.900 Studierende auf der Warteliste", sagt Jana Judisch, Pressesprecherin des Studierendenwerks Berlin. Viele davon konnten zum Semesterstart nicht versorgt werden. Darunter seien zwar 1.300 Menschen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt einziehen wollten. Trotzdem seien zum Stichtag noch 3.600 Bewerberinnen und Bewerber unversorgt, so Judisch.
Das sei deutlich weniger als vor einem Jahr, als es 4.600 waren. Und trotzdem: Wer auf einen bezahlbaren Wohnheimplatz warten wolle, müsse derzeit bis zu drei Semester warten.
Auf dem FU-Campus in Berlin-Dahlem sind einige Erstsemestler:innen bereits bei ihren Vorlesungen. Von 15 Studierenden, mit denen der rbb gesprochen hat, haben nur zwei ein Zimmer gesucht und gefunden. Einer hatte Glück. Er sei gleich bei seiner ersten Wohnungsbesichtigung genommen worden, sagt er.
Für Ben aus Karlsruhe gestaltete sich die Suche ein wenig schwieriger. Für ein 25-Quadratmeter-Zimmer in Zehlendorf zahle er nun 650 Euro. "Schon teuer", sagt er. "Gerade als Student kann man jetzt nicht ungebremst Geld anheuern."
Berliner:innen bleiben oft bei Eltern wohnen
Für diejenigen, die in Berlin und Umgebung aufgewachsen sind, kommt die Suche nach einer eigenen Wohnung oft gar nicht in Frage. "Eine Wohnung in Berlin zu finden, ist schrecklich", klagt beispielweise Merlin. Er wohnt bei seinen Eltern in Kleinmachnow und bleibt dort auch erst einmal. Auch sein Kommilitone sagt, es sei finanziell nicht machbar, von zu Hause auszuziehen. "Neben dem Studium müsste man einfach so viel arbeiten, dass es schwierig zu bewerkstelligen wäre."
Wer etwas weiter weg wohnt, für den würde sich ein Umzug vom Weg her lohnen. Alina aus Beelitz fährt eine Stunde und zwanzig Minuten zur Uni und wäre beispielsweise auch mit einer Wohnung in Potsdam zufrieden. Doch auch dort sei die Suche nicht leicht, erzählt Alina. "Es gibt sehr viele Betrüger, die einen verarschen wollen oder man findet auch gar nichts."
Alinas Kommilitonin erzählt von ungewöhnlichen Wohngemeinschaften, in denen sie sich nicht wohlfühlen würde: "Es sind WGs, die fraghaft sind, ob die so gut sind – mit alten Männern."
Für Menschen, die in Berlin keine Familie oder Verwandten haben, bleibt neben Wohnheimplätzen nur der freie Markt. "Was anderes bleibt ihnen gar nicht übrig", sagt Judisch. "Sie leben damit, dass sie sehr viel Miete zahlen müssen, einfach damit sie in Berlin eine Unterkunft haben."
In anderen Ländern ist das anders
Gerade internationale Studierende seien oft überrascht, wenn sie in Deutschland keinen Platz im Wohnheim bekommen, sagt Studierendenwerks-Sprecherin Judisch. "Denn die wissen das gar nicht, dass mit der Immatrikulation kein Wohnheimplatz verbunden ist. Das ist in anderen Ländern anders."
Eine günstige Alternative zu Berliner WG-Zimmer sind Studierendenwohnheimplätze. In ganz Berlin gibt es insgesamt 9.200 Plätze. Mit einer Durchschnittsmiete von circa 300 Euro liegen Wohnheimplätze des Studierendenwerks weit unter der durchschnittlichen Berliner WG-Zimmer-Miete, die laut einer Anfrage bei "wg-gesucht.de" 2023 bei 650 Euro liegt.
In Berlin ist der Anteil der Studierenden, die in einem Wohnheim leben, mit knapp sieben Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ klein. In Brandenburg sind es dagegen 23,8 Prozent. Das ergab eine Befragung zu den Wohnverhältnissen durch das Centrum für Hochschulentwicklung [hochschuldaten.che.de]
8 000 Wohnheimplätze in Bau oder Planung
Auf Anfrage des rbb an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, wird darauf hingewiesen, dass es ein wichtiges Anliegen sei und bleibe, bezahlbaren studentischen Wohnraum in Berlin auszubauen und die Versorgungsquote zu erhöhen. "Daher befinden sich knapp 8.000 Plätze in Bau oder Planung und sollen bis 2028 fertiggestellt werden." Allein die landeseigene Wohnungsgesellschaft Berlinovo will nach eigenen Angaben bis Ende 2026 rund 6.500 Wohnplätze für Studierende errichten.
Judisch vom Studierendenwerk hat nach eigener Aussage nicht den Eindruck, dass genügend Wohnplätze geschaffen werden. Idealerweise müsse es mehr Wohnheime in Trägerschaften des Studierendenwerks geben und dieser müsse bezuschusst werden, sagt sie: "Wenn man zum Bafög-Satz bauen will, also zu dem Preis, die das Bafög vorsieht, was eine Miete kosten maximal darf, dann braucht es Zuschuss, und zwar gewaltig", so die Pressespecherin.
Neubau deckt Bedarf nur kurzfristig
Auch Wibke Werner vom Berliner Mieterverein sieht das Wohnproblem der Studierenden. Trotzdem sei Neubau allein auch nicht die Lösung, sondern würde nur kurzfristig den Bedarf decken. Es müsse zudem Regelungen geben, bei denen Wohnungen weder zweckentfremdet noch möbliert für viel Geld vermietet werden.
In anderen Studentenstädten wie beispielweise Bologna in Italien ist es gang und gäbe, dass sich Studierende ein Zimmer teilen. Ähnlich wie auch an Universitäten in den USA. Werner sagt, sie fände dieses Modell für Berlin problematisch, wenn die Studierenden sich nicht selbst dazu entscheiden würden, beispielweise als Paar oder sehr gute Freunde zusammen zu leben. "Das ist keine angemessene Wohnraumbeschaffung, nur weil Berlin es nicht hinbekommt, die Wohnungsfrage zu lösen."
Werner empfiehlt den Studierenden, flexibel zu bleiben, auch Randbezirke in den Blick zu nehmen, sich zusammen mit anderen Studierenden nach eine größeren Wohnung umzusehen und eine neue WG zu gründen. Judisch gibt den Suchenden denselben Rat: "Ein paar Wege muss man in Berlin in Kauf nehmen. Und an der Peripherie ist meistens noch was möglich, während hier in der Mitte von Berlin nichts mehr zu finden ist."
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.10.2023 17:30 Uhr