Einheitsdenkmal in Berlin-Mitte - Steht die "Wippe" auf der Kippe?

Mi 14.02.24 | 17:54 Uhr | Von Oda Tischewski und Jonas Wintermantel
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Archivbild: Arbeiter arbeiten am 11.11.2021 mit Baumaschinen an der Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin. (Luftaufnahme mit einer Drohne). (Quelle: dpa-Bildfunk/Yamato Living Ramps)
Audio: rbb24 Radioeins | 12.02.2024 | Harald Welzer | Bild: dpa-Bildfunk/Yamato Living Ramps

Die Eröffnung des Einheitsdenkmals in Berlin-Mitte droht sich weiter zu verzögern. Dem ausführenden Stahlunternehmen wurde der Vertrag gekündigt - dieses meldete inzwischen Insolvenz an. Die Beteiligten werfen sich gegenseitig Vertragsbruch vor. Von Oda Tischewski und Jonas Wintermantel

Es könnte so schön sein. Eine begehbare Schale, die die Menschen nur durch gemeinsames Handeln in Bewegung setzen können. Eine Ode an die Freiheitskämpferinnen und -kämpfer der friedlichen Revolution, die gemeinsam ein totalitäres Regime zu Fall brachten. Eine 50 Meter lange Metapher aus Edelstahl. Und: ein Symbol für die Einheit (und Einigkeit) des Landes.

Wäre alles nach Plan verlaufen, wäre das, umgansprachlich bereits "Einheitswippe" genannte, Freiheits- und Einheitsdenkmal vor dem Berliner Stadtschloss seit dem 30. Einheitsjubiläum im Jahr 2019 fertiggestellt und begehbar gewesen.

Es kam alles ganz anders - mehr als einmal. Mal waren es seltene Wasserfledermäuse, die im Sockel ihren Nistplatz fanden, den Umweltschutz auf den Plan riefen und die Bauarbeiten unterbrachen. Sie wurden umgesiedelt - dann kam Corona dazwischen - die Eröffnung wurde erneut verschoben.

Und nun?

Das Denkmal ist beinahe fertig, doch jetzt beenden die Auftraggeber ihre Zusammenarbeit mit dem beauftragten Stahlunternehmen. Es herrscht Uneinigkeit in Sachen Einheitsdenkmal.

Vertrag mit Stahlunternehmer gekündigt

Anfang der Woche wurde bekannt, dass das Stahlunternehmen "Heinrich Rohlfing GmbH" vor dem Amtsgericht Bielefeld einen Insolvenzantrag gestellt hat. In einer dessen Werkshallen in Ostwestfalen liegt die 120 Tonnen schwere Stahlschale, die bereits zu 85 Prozent fertiggestellt ist. Doch seit über einem Jahr wird daran nicht weitergearbeitet. Die Schuld daran geben sich Auftraggeber und Stahlunternehmer gegenseitig.

Inzwischen ist auch klar: Die ausführende Kreativagentur "Milla & Partner" hat dem westfälischen Stahlunternehmer Rohlfing Anfang Dezember den Vertrag gekündigt. Der ist damit - Insolvenz hin oder her - ohnehin nicht mehr für die Vollendung seines Werks zuständig. Die Kündigung des Vertrages sei im Einvernehmen mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Claudia Roth geschehen.

Stahlunternehmer fordert Nachzahlungen

Der Stahlbauer Rohlfing aus Ostwestfalen sagt, ihm stünden noch Zahlungen im sechsstelligen Bereich zu - für Mehrarbeiten am Denkmal, die den ursprünglichen Vertragsrahmen gesprengt hätten. Außerdem seien ihm Verluste entstanden, weil das Denkmal eine seiner drei Werkshallen blockieren würde. Er habe sich zu jeder Zeit "straff an den Vertrag" gehalten.

Rohlfings Vorwurf an die Agentur "Milla und Partner": Diese habe ihm nun den Vertrag gekündigt, um sich diese Mehrkosten zu sparen. Dem Vorwurf, er sei terminsäumig geworden, widerspricht Stahlbauer Richard Rohlfing vehement. Ihm zufolge hätten die Auftraggeber immer wieder veränderte Wünsche an ihn herangetragen - außerdem fehlten finale Vorgaben für die Fertigstellung.

"Die ganzen letzten zwölf Monate haben wir alle sechs Wochen neue Statik-Vorgaben bekommen. Permanent kamen statistische Veränderungen. Und das beste Beispiel, woran es hapert: Bis heute hat uns die Arbeitsgemeinschaft nicht den Endfarbton vorgegeben." Rohlfing zufolge seien eben diese fehlenden Angaben der Grund dafür, dass seit Monaten die Arbeiten stockten.

Kreativagentur beklagt Vertragsbruch - neuer Stahlbauer beauftragt

Die Kreativagentur "Milla und Partner", die für die Umsetzung des Einheitsdenkmals zuständig ist, widerspricht dieser Darstellung. Vielmehr sei der Stahlunternehmer Rohlfing ohne ihr Verschulden vertragsbrüchig geworden:

"Die Firma Rohlfing hat seit Jahren alle Angaben, die sie brauchen, um daran zu arbeiten. Die Firma hat vor mehr als einem Jahr begonnen, ihre Tätigkeit am Freiheits- und Einheitsdenkmal einzustellen und unberechtigte Mehrforderungen gestellt und versucht, durch die Einstellung der Arbeiten Druck auszuüben", sagte Johannes Milla, der Geschäftsführer und Kreativdirektor, dem rbb. "Er ist terminuntreu, technisch untreu und vertragsuntreu. Deswegen haben wir den Vertrag mit der Firma gekündigt."

Die Agentur habe deshalb bereits einen neuen Stahlbauer mit der Fertigstellung des Denkmals beauftragt. Dieser hätte sich vor Ort in Rohlfings Halle bereits ein Bild machen können. Mit Blick auf den Zeitplan sagte Johannes Milla: "Wir werden bald die zu 85% fertige Schale aus der Halle entfernen und dann wird es nahtlos und übergangslos weitergehen."

Eröffnung könnte sich weiter verzögern

Fraglich bleibt, ob das Freiheits- und Einheitsdenkmal wie geplant am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober eröffnet werden kann.

Denn: Dazu muss erst einmal die 120 Tonnen schwere Stahlkonstruktion aus der Halle in Westfalen abtransportiert und an einem anderen Ort fertiggestellt werden.

Stahlunternehmer Richard Rohlfing macht gegenüber dem rbb bereits deutlich, dass auf seine technische Unterstützung dabei niemand zählen solle, solange seine offenen Forderungen bestehen: "Ihr könnt das ja haben, ist gar kein Problem. Holt das doch ab. Aber meine Brückenkräne? Da ziehe ich den Stecker, dann haben die keinen Strom."

Johannes Milla wiederrum zeigt sich zuversichtlich, dass es mit dem neuen Stahlunternehmen jetzt zügig weitergehen kann. Auf eine Fertigstellung bis zum Jubiläumstag im Oktober will er sich jedoch nicht festlegen: "Ich denke, dass wir damit vielleicht einen Monat Zeitverzögerung haben. Aber wir werden zum Jahresende fertig sein mit dem Projekt."

Der Tag der Deutschen Einheit dürfte dann aber - auch dieses Jahr - vorbei sein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.02.2024, 14:30

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Beitrag von Oda Tischewski und Jonas Wintermantel

81 Kommentare

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  1. 81.

    Ganz abgesehen von den im Raume stehenden Kosten und neben der Tatsache, dass dieses Bauwerk sehr seltsam anmutet, fragt man sich, wieso das Monstrum gerade neben einen ebenso umstrittenen Bau wie den Schloss-Nachbau gestellt werden soll.
    Aber auch davon abgesehen kann ich darin nichts symbolhaftes erkennen. Was soll denn dort in die Waagschale gelegt werden? West und Ost, seine jeweilige auch an Zahlen sehr unterschiedliche Bevölkerung? Oder reich und arm? Tja, wohin wird sich die Wippe dann wohl neigen... Wer verschaukelt hier wen?
    Fragen über Fragen...

    Wirklich - man hätte das Geld sinnvoller nutzen können.

  2. 80.

    Ich kann mich schon nicht mehr erinnern, wer dieses bescheuerte, überteuerte, häßliche Denkmal eigentlich wollte, die Bürger waren es ganz sicher nicht, dann sollen sie es auch nicht bezahlen müssen.

  3. 76.

    Haben Se diese Entscheidung mitgetragen oder weshalb sind Sie so ein Verfechter dieses undurchdachten Gebildes, welches nach Fertigstellung (irgendwann) mehr zusätzliche Kosten verursachen wird, als uns lieb sein kann? Bewachung/Umzäunung, Reinigung/Entfernen von Graffiti, Zerstörung durch unsachgemäße Nutzung durch Touris, Jugendliche etc.? Ich halte mich mit DDR-Abitur und Studium für einen halbwegs intelligenten Menschen. Doch selbst mir erschließt sich der Nutzen dieses Projektes und die damit einhergehende Steuerverschwendung nicht. Auch fühlt sich wahrscheinlich ein großer Teil der eheml. DDR-Bürger eher verar... als respektiert. Dank Treuhand & Co. nichts mit blühenden Landschaften...

  4. 75.

    " Es ist ein tolles Kunstwerk am richtigen Platz! "

    Ob es wirklich so toll ist bleibt abzuwarten & ob es wirklich der richtige Platz ist sieht sicher auch jeder etwas anders . Ich persönlich brauche das Denkmal nicht & habe die Befürchtung das am Ende niemand für den dauerhaften Unterhalt aufkommt & dort ein weiterer vermüllter Platz im Zentrum Berlins entsteht .

  5. 73.

    Die "Berliner Woche" ist ein Wochenblatt, welches sich aus Anzeigen finanziert und wöchentlich über die Berliner Kieze berichtet.

    https://www.berliner-woche.de/

  6. 72.

    Falsch! Nicht nur WIR als ehem. Ostdeutsche sollten darüber abstimmen, sondern ALLE, zumindest in Berlin. Denn die Steuergelder ALLER werden hier verballert.

  7. 71.

    Hallo Omi 79,
    Sie haben meine volle Zustimmung ;-)

  8. 70.

    2007 vom Bundestag beschlossen und 2011 die Ausschreibung abgeschlossen...Wir schreiben heute das Jahr 2024, dass sagt doch schon alles: Dieses Projekt sollte schnellstens vergessen werden. Mich als in Friedrichshain Geborene 60+, die hautnah dabei war, hat man nicht gefragt. Meine Antwort wäre gewesen: Weder brauche ich dieses Denkmal an exponierter Stelle, noch will ich, dass dafür meine Steuergelder verballert werden, die heute dringender denn je an anderer Stelle benötigt werden. Stattdessen schaukelt sich dieser Vorgang um Ausführung, Schuld, Verantwortung gerade ins Unermessliche und noch mehr Geld wird zweckentfremdet. Wer hat eigentlich die detaillierten Verträge damals abgeschlossen? Offenbar jmd. mit wenig Sach- und Rechtsverstand! Ein Vertrag ist bindend, Änderungswünsche, noch dazu alle 6 Wochen, sollten unterlassen und vereinbarte Zahlungen pünktlich geleistet werden. Aber selbst die "Öffentliche Hand" macht ja vor, wie es geht: Oftmals säumige Zahler und Inkompetenz.

  9. 69.

    Hallo, Lemme (26),
    echt jetzt, Sie sprechen für ALLE, die dabei waren?

  10. 68.

    Das Ding ist weder ein Kunstwerk, noch steht es am richtigen Platzt. Schon mal darüber nachgedacht?

  11. 67.

    Ein Denkmal von Wessis für Ossis.

    Diese Heuchlerei ist unerträglich.

    Gleichzeitig wurden wir über Jahrzehnte beleidigt, ausgenutzt, unterdrückt und an den Rand gedrängt.

  12. 66.

    Leider zeigt sich wieder einmal… ist der Staat Auftraggeber wird es doppelt so teuer, dauert doppelt so lange und wird halb so gut.
    Das wird sich im Grundsatz auch nicht ändern, da Amateure sich theoretisch was ausdenken ….

  13. 65.

    Wenn ich die ach so hübschen Visualisierungen mit frei zugänglichen Bereichen unter der Wippe sehe stellt sich mir immer eine Frage: Wie stellt man sicher, dass das Ding nicht Schwerstverletzte und Tote produziert weil Unwissende dort stehen wo gleich ein riesiges Gewicht sie zerquetschen kann? Na ja, man kann ja eine Sicherheitsabsperrung (Gitterzaun etc.) bauen und ganz viel Aufpassende in Sicherheitspersonal-Uniform dazustellen, damit nicht doch jemand über die Absperrung klettert. Diese Absperrungen mit Aufpassenden (und damit irgendwie viel DDR-"Charme") sollte man bei den Visualisierungen aber auch deutlich sichtbar machen. Außer man hat halt bislang noch nicht daran gedacht, wie viel Gefahrenpotenzial die Wippe birgt. Und wie stellt man sicher dass oben niemand Abenteuerlustig an und "über den Rand geht", mit ebenfalls potenziell fatalen Folgen? Mit einem Gitterkäfig auf der Wippe? Unter den zart gemalten Querstreben der Visualisierung rennen kleinere Kinder einfach durch.

  14. 64.

    Lt. rbb radio vom 12.02, : "Die geplante Fertigstellung (eigentlich 2013) wurde immer wieder verschoben, die Kosten waren mal kalkuliert mit 660.000 Euro, nun liegen sie bei mindestens 18 Millionen."
    Kein Geld in der Kasse, neue Schulden aufnehmen aber auf der anderen Seite Steuergelder für dieses Gebilde ausgeben.
    Für mich gibt es kein Ost/West mehr und darum brauche ich auch kein Denkmal!

  15. 63.

    Bürgerschaukel gekippt - klingt erstmal nach einer guten Nachricht.

    Aber dann entgeht uns doch der weitere Spaß: Erster Unfall, zweiter Unfall, Sperrung aus Sicherheitsgründen, Bauschäden, erster Reparaturversuch, zweiter Reparaturversuch, diverse Insolvenzen verantwortlicher Firmen, Erklärung zum Schandfleck, Generalsanierung(sversuch), Abbruch - alles nach jahrelangen Diskussionen.

    Prestigeprojekte und andere fixe Ideen einiger Politiker können solche Freude bereiten. Ich sage nur: Pamukkale im Görlitzer Park!

  16. 62.

    Das liest sich nicht gut für die Auftraggeber. Jetzt wird man zum Schluss die Wippe zweimal bezahlen.

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