Berlin-Rummelsburg - Änderung des Kaufvertrags von Coral World stößt auf Unverständnis und Empörung

Fr 16.02.24 | 06:10 Uhr | Von Anja Herr
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Die Coral-World-Baustelle (Quelle: rbb / Herr).
Bild: rbb / Herr

Der Bau des geplanten Hotel-Aquariums lässt auf sich warten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat den Kaufvertrag im Sinne des Investors geändert – obwohl das rechtlich nicht notwendig war. Das löst scharfe Kritik aus. Von Anja Herr

"Schleierhaft", "unredlich", "skandalös": Mit diesen Worten beschreiben Berliner Politiker verschiedener Parteien ihre Empörung über das Verhalten des Senats gegenüber dem Investor Coral World. Der plant seit Jahren ein umstrittenes Hotel-Aquarium an der Rummelsburger Bucht.

Wie rbb-Recherchen zeigen, hat die Verwaltung den Kaufvertrag Ende Januar 2023 im Sinne des Investors geändert: An die ursprünglich vorgesehene 5-Jahres-Frist zur Fertigstellung des Gebäudes muss sich Coral World nun nicht mehr halten. Diese wäre im Juni ausgelaufen, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags wäre dann grundsätzlich möglich gewesen. Aber genau das verhinderte die Senatsverwaltung offenbar selbst: Durch eine "Klarstellung", wie sie schreibt. Es habe sich dabei nicht um eine Änderung, sondern um eine Anpassung gehandelt, so formuliert es der Senat. Dazu sei es gekommen, "als wir Anfang 2023 vor dem Baubeginn zusammen mit Coral World entdeckt haben, dass die beiden Fristen im Kaufvertrag widersprüchlich und nicht umsetzbar sind", schreibt die Senatsverwaltung.

Gebäude müsste spätestens Juni 2024 fertig sein

Diese Argumentation ist aber nicht plausibel. Denn die Fristen im Kaufvertrag widersprechen sich nicht. Im Kaufvertrag steht, das Gebäude muss "innerhalb von vier Jahren nach Eintreten der Bestandskraft einer vom Käufer beantragten Baugenehmigung, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren ab Übergabetag" hergestellt sein. Hätte Coral World also sehr früh nach dem Grundstücks-Übergabetag, dem 1. Juni 2019, den Bauantrag gestellt und bereits wenige Monate später eine Baugenehmigung erhalten - beispielsweise Ende 2019 - hätte das Gebäude bereits Ende 2023 fertig sein müssen. Spätestens jedoch, so die klare Formulierung, muss es im Juni 2024 fertig sein - fünf Jahre nach dem Übergabetag.

Land verzichtet womöglich auf mehrere Millionen Vertragsstrafe des Investors

Mittlerweile hat die Verwaltung zugegeben, dass die Klarstellung – rechtlich betrachtet – nicht nötig gewesen wäre: In einer rbb|24 vorliegenden, noch nicht veröffentlichten Anfrage an den Senat fragt der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze, ob es seitens Coral World einen rechtlichen Anspruch auf eine Änderung gab. Die Antwort: "Einen solchen Anspruch gab es nicht."

Das bedeutet: Die Verwaltung ist dem Investor freiwillig entgegengekommen, hat die Möglichkeiten zur Rückabwicklung durch das Land deutlich eingeschränkt - zu einem Zeitpunkt, als gerade der Aquadom in Mitte geplatzt war und über die Sinnhaftigkeit solcher Einrichtungen diskutiert wurde. Auch verzichtet die Senatsverwaltung mit dieser "Anpassung" offenbar darauf, eine Vertragsstrafe in Höhe von mehreren Millionen Euro zu kassieren, wenn der Bau - wovon auszugehen ist - im Juni dieses Jahres noch nicht fertiggestellt ist. Dies wäre alternativ zu einer Rückabwicklung möglich gewesen.

Grünen-Politiker Schwarze: "Berlin kann das Grundstück selbst gebrauchen"

Julian Schwarze sagt rbb|24, er finde das Vorgehen der Senatsverwaltung "völlig unverständlich". Nicht ohne Grund seien Pflichten für den Investor im Vertrag formuliert worden. Wenn diese nicht eingehalten werden, müsse gehandelt werden, statt einfach die Fristen anzupassen, so Schwarze.

Statt dem Investor entgegenzukommen, solle der Senat jetzt umgehend prüfen, ob eine Rückabwicklung des Vertrags möglich sei. "Berlin kann das Grundstück in bester Lage selbst gebrauchen. Niemand braucht an dieser Stelle ein weiteres Riesen-Hotel mit einem überteuerten Aquarium für Touristen", sagt Schwarze.

Skandalös sei auch, dass der Senat solche wesentlichen Veränderungen vornehme, ohne darüber das Parlament zu informieren. Dieses "intransparente Vorgehen" sei sehr fragwürdig, so Schwarze.

Im Nachhinein den Vertrag in einem so wesentlichen Teil zu ändern, hätte der Beteiligung des Parlaments bedurft.

Hendrikje Klein, Sprecherin für Bürgerbeteiligung der Linken

Parlament wurde nicht über Änderung informiert

Hendrikje Klein, Sprecherin für Bürgerbeteiligung der Linken, bezeichnet das Vorgehen der Senatsverwaltung als "unredlichen Versuch, ein fragwürdiges Investment über die Ziellinie zu retten." Sie sagt: "Im Nachhinein den Vertrag in einem so wesentlichen Teil zu ändern, hätte der Beteiligung des Parlaments bedurft."

Ihr Parteikollege Antonio Leonhardt, Jurist und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in Lichtenberg, sagt, die vorgenommene Anpassung sei ein "teures Geschenk an Coral World". Durch die Anpassung des Vertrags sei Berlin nun die Möglichkeit genommen, eine Vertragsstrafe zu fordern. Zumindest für den Zeitraum bis April 2026 dürfte dies zutreffend sein. Und danach wäre die Geltendmachung der Vertragsstrafe nurmehr möglich, wenn der Bau bis dahin immer noch nicht fertiggestellt sein sollte. Dem Land und letztlich dem Steuerzahler sei damit ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden.

CDU Lichtenberg bringt Rückabwicklung ins Spiel

Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU in Lichtenberg, Benjamin Hudler, zeigt sich mit der Entwicklung an der Rummelsburger Bucht unzufrieden. Ihn störe, dass es zu langsam vorangehe. "Es ist mir schleierhaft, warum Verzögerungen an diesem wichtigen Standort so einfach und unbesehen hingenommen werden", so Hudler. Er erwarte sich seitens des Landes Berlin ein beharrlicheres Verfolgen der eigenen Interessen.

"Eine Rückabwicklung wäre eine Möglichkeit, die Entwicklung am Standort zu bewegen", sagt er. Diese Ansicht teilen offenbar viele im Bezirk. Im Ausschuss für Ökologische Stadtentwicklung in Lichtenberg ging es am 8. Februar unter anderem darum, ob eine Rückabwicklung von Coral World geprüft werden soll. Alle 16 anwesenden Mitglieder stimmten fraktionsübergreifend dafür.

Coral World: "Vertrag mit Baufirma steht zu 99 Prozent"

Das Unternehmen Coral World zeigt sich jedoch entschlossen, das Bauvorhaben durchzuziehen. "Der Vertrag mit der Baufirma Conex steht zu 99 Prozent", teilte eine Sprecherin von Coral World mit, es würden jetzt nur noch Details verhandelt. Conex wollte sich gegenüber rbb|24 nicht äußern. Für die Kommunikation sei die Firma Comcepta zuständig, so die Begründung - die wiederum spricht für Coral World. Die Senatsverwaltung verwies darauf, dass bereits Vorbereitungsarbeiten auf dem Gelände laufen. Mit den weiteren Arbeiten für das Hotel-Aquarium werde Coral World im März beginnen.

Beitrag von Anja Herr

31 Kommentare

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  1. 31.

    Ich meine mit meinem Kommentar, dass die Berliner Verwaltung (die Senatsverwaltungen und die Bezirksämter)keine eigene Rechtspersönlichkeit für eine Vertragsänderung hat! In Berlin hat nur das Land Berlin als solches eine Rechtspersönlichkeit. Mit einer Senatsverwaltung oder einem Bezirksamt kann man deshalb keinen Vertrag schließen.

  2. 30.

    Perpetuum (im)mobile:

    Schild hinstellen,
    Fördergelder einstreichen,
    Wertzuwachs abwarten,
    mit neuem Wert rückabwickeln.

    Schild (3 km weiter) hinstellen…

  3. 29.

    Den Text habe ich doch schon mal gelesen....
    Warum ist das jetzt noch einmal aufgewärmt worden?

  4. 27.

    Vielleicht platzt ja zur Abwechslung mal vorher was, bevor es ein weiteres unnötiges Aquarium tut.

  5. 26.

    ich muss sie leider enttäuschen 2016 regierte rot-schwarz, jedoch war bei beiden fällen, die jeweils kurz vor einer agh-wahl stattfanden ein und die selbe person zuständiger senator.

  6. 24.

    Das geht doch gar nicht um den Vertrag.. die Kritiker wollen schon von Anfang an nur, dass das generell gar nicht gebaut wird. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Man sollte diese störer Parteien am nächsten Wahltag vielleicht mal honorrieren.

  7. 23.

    Hat der damalige für den Verkauf und die Vertragsänderung verantwortliche Senator sich schon dazu geäußert, oder warum finde ich den Namen Geisel nicht in den letzten Texten auf rbb24 zum Thema Rummelsburger Bucht?

  8. 22.

    Wie kommt der rbb darauf, dass es rechtlich nicht nötig war???? Das ist der Unterschied zwischen Vertragsstrafe zahlen und Kaufvertrag rückabwickeln oder länger Zeit für den Bau haben. Das ist schon irgendwie rechtlich relevant. In 2 Jahren sind Wahlen, wer weiß welche Truppe dann das Ruder übernimmt und wohin die steuern.
    Die Ampel will das BVerfG vor dem Einfluss der AfD schützen und dazu das GG ändern und möchte den Einfluss selber behalten (hört hört, Einfluss auf das Gericht)Und hier wird ein Vertrag angepasst, damit der Investor vor ähnlichem geschützt ist. Man hört/liest ja die Kritik, dann weiß man alles.

  9. 21.

    Ich habe weder Unverständniss noch Empörung. Bei den Bauvoraussetzungen die gerade durch die geschaffen wurden, die sich heute echauffieren, ist es erstaunlich, dass überhaupt noch irgendetwas gebaut wird. Ich finde das richtig, dass man den Investoren nicht noch Steine in den Weg legt. Die ganzen Bauvorschriften und politischen Vorgaben sprengen alleine schon jede Vernunft. Die Investoren werden ja ihr Geld nicht freiwillig in den Sand setzen oder den Bau ewig verzögern. Die wollen Dividende sehen. Deswegen gehts bei Privaten auch schneller als zB beim BER. Musste der etwa Strafe zahlen? Oops Wespennest getroffen.

  10. 20.

    „Mann mit zugeknöpften Taschen, Dir thut niemand was zu lieb: Hand wird nur von Hand gewaschen; Wenn du nehmen willst, so gib!“ - was da wohl gegeben wird?

  11. 19.

    Riecht es da vielleicht etwas nach Korruption?

  12. 18.

    Wann gibt es endlich vernünftig denkende Beamte in den Senatsverwaltungen?!?!

  13. 17.

    Es hat ja auch wenig Sinn, eine Vertragsstrafe in Millionenhöhe in einen Bauvertrag zu schreiben für den Fall dass der Investor nicht mit dem Bau beginnt. Wenn er schon das Geld zum Bauen nicht zusammenbekommt, woher will er dann die Millionen nehmen für die Vertragsstrafe? Man treibt ihn so nur erst recht in den Konkurs.

    Sinnvoll für eine Stadt bei einem Vertrag mit Investoren die nicht bauen ist allenfalls ein Rücktrittsrecht vom Vertrag, damit man dann einen anderen, leistungsfähigeren Investor suchen kann, oder ein neues Projekt aufsetzen kann. Wie z.B. beim "Riesenrad"-Baugrundstück am Bahnhof Zoo geschehen. Der Riesenrad-Investor hatte sich hoffnungslos übernommen und ging pleite. Auch da hätte eine Vertragsstrafe rein gar nichts genützt, genauso wie beim Checkpoint Charlie, bei SIGNA, am Kudamm-Karree, beim Steglitzer Kreisel und, und, und...

  14. 16.

    Die ursprüngliche Fassung von RRG war anscheinend völlig okay formuliert. Nun hat CDU / SPD - Gäbler nochmal zum Nachteil der Allgemeinheit den Vertrag geändert.

  15. 15.

    SOFORT rückabwickeln und das Grundstück geht an eine Genossenschaft zum Bau von Wohnungen. Zum Paul-und-Paula Ufer hin ein Kulturzentrum mit Gastro für die Allgemeinheit. So geht Stadtentwicklung für Bürger. Hotels mit Aquarium gerne in Schönefeld an der Grünbergallee...

  16. 14.

    Doch ein Vertrag kann von beiden Seiten - im gegenseitigen Einvernehmen (2 konkludente Willenserklärungen) verändert/angepasst werden.
    Auflagen können jedoch im Bescheid (einseitig von der Verwaltung)zb der Baugenehmigung, gemacht werden und wurden wohl auch auferlegt.

  17. 13.

    Wie dem Bericht zu entnehmen ist, erfolgte die Änderung des Vertrages im Januar 2023. Wer regierte damals in Berlin? Meines Wissens übernahmen die CDU/SPD erst im März 2023 die Regierungsgeschäfte. Ergo waren im Januar RGR dafür verantwortlich! Und jetzt erheben plötzlich die Grünen und Linken die Stimme gegen die Abänderung des ursprünglichen Vertrages? Völlig unverständlich, dass haben sie doch selbst zu verantworten!

  18. 12.

    Warum verzichtet der Berliner Senat auf Millioneneinnahmen (Strafen) wie schon Hamburg (Elbtower, Warburg …)? Das sind Vertragsgelder der Steuerzahler. Warum wird nicht rückabgewickelt?

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