Berlin-Rummelsburg - Änderung des Kaufvertrags von Coral World stößt auf Unverständnis und Empörung
Der Bau des geplanten Hotel-Aquariums lässt auf sich warten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat den Kaufvertrag im Sinne des Investors geändert – obwohl das rechtlich nicht notwendig war. Das löst scharfe Kritik aus. Von Anja Herr
"Schleierhaft", "unredlich", "skandalös": Mit diesen Worten beschreiben Berliner Politiker verschiedener Parteien ihre Empörung über das Verhalten des Senats gegenüber dem Investor Coral World. Der plant seit Jahren ein umstrittenes Hotel-Aquarium an der Rummelsburger Bucht.
Wie rbb-Recherchen zeigen, hat die Verwaltung den Kaufvertrag Ende Januar 2023 im Sinne des Investors geändert: An die ursprünglich vorgesehene 5-Jahres-Frist zur Fertigstellung des Gebäudes muss sich Coral World nun nicht mehr halten. Diese wäre im Juni ausgelaufen, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags wäre dann grundsätzlich möglich gewesen. Aber genau das verhinderte die Senatsverwaltung offenbar selbst: Durch eine "Klarstellung", wie sie schreibt. Es habe sich dabei nicht um eine Änderung, sondern um eine Anpassung gehandelt, so formuliert es der Senat. Dazu sei es gekommen, "als wir Anfang 2023 vor dem Baubeginn zusammen mit Coral World entdeckt haben, dass die beiden Fristen im Kaufvertrag widersprüchlich und nicht umsetzbar sind", schreibt die Senatsverwaltung.
Gebäude müsste spätestens Juni 2024 fertig sein
Diese Argumentation ist aber nicht plausibel. Denn die Fristen im Kaufvertrag widersprechen sich nicht. Im Kaufvertrag steht, das Gebäude muss "innerhalb von vier Jahren nach Eintreten der Bestandskraft einer vom Käufer beantragten Baugenehmigung, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren ab Übergabetag" hergestellt sein. Hätte Coral World also sehr früh nach dem Grundstücks-Übergabetag, dem 1. Juni 2019, den Bauantrag gestellt und bereits wenige Monate später eine Baugenehmigung erhalten - beispielsweise Ende 2019 - hätte das Gebäude bereits Ende 2023 fertig sein müssen. Spätestens jedoch, so die klare Formulierung, muss es im Juni 2024 fertig sein - fünf Jahre nach dem Übergabetag.
Land verzichtet womöglich auf mehrere Millionen Vertragsstrafe des Investors
Mittlerweile hat die Verwaltung zugegeben, dass die Klarstellung – rechtlich betrachtet – nicht nötig gewesen wäre: In einer rbb|24 vorliegenden, noch nicht veröffentlichten Anfrage an den Senat fragt der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze, ob es seitens Coral World einen rechtlichen Anspruch auf eine Änderung gab. Die Antwort: "Einen solchen Anspruch gab es nicht."
Das bedeutet: Die Verwaltung ist dem Investor freiwillig entgegengekommen, hat die Möglichkeiten zur Rückabwicklung durch das Land deutlich eingeschränkt - zu einem Zeitpunkt, als gerade der Aquadom in Mitte geplatzt war und über die Sinnhaftigkeit solcher Einrichtungen diskutiert wurde. Auch verzichtet die Senatsverwaltung mit dieser "Anpassung" offenbar darauf, eine Vertragsstrafe in Höhe von mehreren Millionen Euro zu kassieren, wenn der Bau - wovon auszugehen ist - im Juni dieses Jahres noch nicht fertiggestellt ist. Dies wäre alternativ zu einer Rückabwicklung möglich gewesen.
Grünen-Politiker Schwarze: "Berlin kann das Grundstück selbst gebrauchen"
Julian Schwarze sagt rbb|24, er finde das Vorgehen der Senatsverwaltung "völlig unverständlich". Nicht ohne Grund seien Pflichten für den Investor im Vertrag formuliert worden. Wenn diese nicht eingehalten werden, müsse gehandelt werden, statt einfach die Fristen anzupassen, so Schwarze.
Statt dem Investor entgegenzukommen, solle der Senat jetzt umgehend prüfen, ob eine Rückabwicklung des Vertrags möglich sei. "Berlin kann das Grundstück in bester Lage selbst gebrauchen. Niemand braucht an dieser Stelle ein weiteres Riesen-Hotel mit einem überteuerten Aquarium für Touristen", sagt Schwarze.
Skandalös sei auch, dass der Senat solche wesentlichen Veränderungen vornehme, ohne darüber das Parlament zu informieren. Dieses "intransparente Vorgehen" sei sehr fragwürdig, so Schwarze.
Parlament wurde nicht über Änderung informiert
Hendrikje Klein, Sprecherin für Bürgerbeteiligung der Linken, bezeichnet das Vorgehen der Senatsverwaltung als "unredlichen Versuch, ein fragwürdiges Investment über die Ziellinie zu retten." Sie sagt: "Im Nachhinein den Vertrag in einem so wesentlichen Teil zu ändern, hätte der Beteiligung des Parlaments bedurft."
Ihr Parteikollege Antonio Leonhardt, Jurist und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in Lichtenberg, sagt, die vorgenommene Anpassung sei ein "teures Geschenk an Coral World". Durch die Anpassung des Vertrags sei Berlin nun die Möglichkeit genommen, eine Vertragsstrafe zu fordern. Zumindest für den Zeitraum bis April 2026 dürfte dies zutreffend sein. Und danach wäre die Geltendmachung der Vertragsstrafe nurmehr möglich, wenn der Bau bis dahin immer noch nicht fertiggestellt sein sollte. Dem Land und letztlich dem Steuerzahler sei damit ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden.
CDU Lichtenberg bringt Rückabwicklung ins Spiel
Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU in Lichtenberg, Benjamin Hudler, zeigt sich mit der Entwicklung an der Rummelsburger Bucht unzufrieden. Ihn störe, dass es zu langsam vorangehe. "Es ist mir schleierhaft, warum Verzögerungen an diesem wichtigen Standort so einfach und unbesehen hingenommen werden", so Hudler. Er erwarte sich seitens des Landes Berlin ein beharrlicheres Verfolgen der eigenen Interessen.
"Eine Rückabwicklung wäre eine Möglichkeit, die Entwicklung am Standort zu bewegen", sagt er. Diese Ansicht teilen offenbar viele im Bezirk. Im Ausschuss für Ökologische Stadtentwicklung in Lichtenberg ging es am 8. Februar unter anderem darum, ob eine Rückabwicklung von Coral World geprüft werden soll. Alle 16 anwesenden Mitglieder stimmten fraktionsübergreifend dafür.
Coral World: "Vertrag mit Baufirma steht zu 99 Prozent"
Das Unternehmen Coral World zeigt sich jedoch entschlossen, das Bauvorhaben durchzuziehen. "Der Vertrag mit der Baufirma Conex steht zu 99 Prozent", teilte eine Sprecherin von Coral World mit, es würden jetzt nur noch Details verhandelt. Conex wollte sich gegenüber rbb|24 nicht äußern. Für die Kommunikation sei die Firma Comcepta zuständig, so die Begründung - die wiederum spricht für Coral World. Die Senatsverwaltung verwies darauf, dass bereits Vorbereitungsarbeiten auf dem Gelände laufen. Mit den weiteren Arbeiten für das Hotel-Aquarium werde Coral World im März beginnen.