Flugplatz Neuhardenberg wird 90 - Nazi-Experiment, DDR-Drehkreuz und Tesla-Parkplatz

Sa 08.06.24 | 08:10 Uhr
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Archivbild: Blick aus einem Kleinflugzeug am 04.07.2014 auf das Gelände des Airports Neuhardenberg mit den riesigen Photovoltaikanlagen rund um die Start- und Landebahn in Neuhardenberg im Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenburg). (Quelle: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul)
Antenne Brandenburg | 06.06.2024 | Elke Bader | Bild: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Der Flugplatz Neuhardenberg feiert am Wochenende sein 90-jähriges Bestehen. Der Standort, der aktuell eher von Freizeitpiloten genutzt wird, will sich in Zukunft als Ausbildungszentrum für die Luftfahrtbranche profilieren.

Seit mittlerweile 90 Jahren ist die Fliegerei auf dem Flugplatz Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) zu Hause. In dieser Zeit ist der Standort durch eine wechselvolle Geschichte gegangen. Große Teile davon hat auch Pilot Bernd Koschmieder miterlebt. Am Mittwoch zieht er seine Propellermaschine mit Feingefühl per Seil aus einem kleinen Hangar. Der Platz zwischen Flügel und Wänden ist knapp bemessen. "Also man muss schon auf der Centerline bleiben, denn die Shelter sind für die MiG 21 gebaut worden. Die hatte sieben Meter Spannweite", sagt er.

Seine aktuelle Maschine misst hingegen zwölf Meter. Koschmieder muss es wissen. Als NVA-Pilot flog er ab 1966 das erwähnte Kampfflugzeug sowjetischer Bauart. Für die Besten seines Jahrgangs gab sein Kommandeur damals einen Anreiz aus. "Spätestens im Februar habt ihr eine neue Wohnung", zitiert er seinen einstigen Vorgesetzen. "Das war ein Argument."

Jetzt ist Koschmieder inzwischen 83 Jahre alt und fühlt sich topfit. Neuhardenberg ist noch immer sein Heimatflugplatz. Von dort aus startet der Pilot regelmäßig Flüge über den Brandenburgischen Himmel. "Delta Eco Lima, guten Flug und bis zum nächsten Mal - tschüss!", tönt es am Mittwoch von der Flugkontrolle aus dem Funkgerät. Schon dreht der Flieger in luftigen Höhen über die Solarpaneele entlang des Flugfeldes ab.

Pilot Bernd Koschmieder auf dem Flugplatz NeuhardenbergBernd Koschmieder ist noch immer als Pilot unterwegs.

Nazis testen im Geheimen neue Antriebe

Die Geschichte des Flugplatzes Neuhardenberg reicht bis ins Jahr 1934 zurück. Ein kleines Museum in einem alten Hangar erzählt davon. Damals hat das Reichsluftfahrtministerium dem damaligen Graf Hardenberg angeordnet, Land für einen Militärflugplatz bereitzustellen, erzählt Museums-Guide Jürgen Becker. "Neuhardenberg war nicht weit weg von dem Reichsluftfahrtministerium in Berlin. Man hatte also eine absolute Kontrolle darüber."

Becker zeigt auf alten Fotos, woran die Luftwaffe der Nationalsozialisten damals auf dem geheim gehaltenen Militärgelände forschte: Auf dem Platz starteten die ersten Flieger mit Hilfs-Raketenantrieb - Vorläufer der Düsenjets.

An Testflügen sei auch der damalige Raketenkonstrukteur Wernher von Braun beteiligt gewesen, der später die V2-Rakete entwickelte und am US-Mondlandungsprogramm beteiligt war. Zu den ersten Versuchen in Neuhardenberg sagt Jürgen Becker: "Dieser Platz ist so ausgelegt gewesen, dass also diese schweren Bomber, die damals als Transportflugzeuge umfunktioniert wurden, mit dieser schweren Bombenlast starten und landen konnten."

Fotos mit Flugtests der Nationalsozialisten auf dem Flugplatz Neuhardenberg
Bilder von Tests der Nationalsozialisten | Bild: rbb

Zu DDR-Zeiten hieß Neuhardenberg zwischenzeitlich Marxwalde und war ab Ende der 1950er Jahre Sitz eines Jagdfliegergeschwaders. Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, diente dort als Pilot. Sein Leben lang blieb der Kosmonaut mit dem Ort verbunden und wurde zum Ehrenbürger ernannt.

DDR-Führung flog ab Marxwalde

Zwischenzeitlich wurde Marxwalde dann zum hochmordernen Flugplatz ausgebaut, erinnert sich der Vereinsvorsitzende im Flugplatzmuseum Werner Hoffmann heute. "Wir haben eine 2.400 Meter lange Landebahn, 50 Meter breit. Das war gut ausgeleuchtet mit Instrumentenlandesystem." Dort war ihm zufolge auch die Regierungsfliegerstaffel der DDR untergebracht. Insgesamt elf Passagierjets standen der politischen Führung zur Verfügung. Und zudem ein paar Hubschrauber.

Museums-Guide Jürgen Becker flog einen davon, eine Mi8 - in der sogenannten Salonvariante. Häufiger Gast war der DDR-Verteidigungsminister Armeegeneral Heinz Hoffmann. Auf dem Rückflug vom Manöver begann der gemütliche Teil, erzählt Becker. "Da hat man sich schon mal etwas gegönnt. Da wurden Stewardessen eingesetzt. Wir hatten nicht nur eine Toilette an Bord, sondern auch eine Bar. Aus dieser Bar konnte man schöpfen."

Flugzeug der DDR-Führung
DDR-Regierungsflieger über Marxwalde | Bild: rbb

Noch Tesla-Parkplatz, bald Ausbildungszentrum

Mit dem Militärstandort Neuhardenberg war es kurz nach der Wende vorbei. 2012 entstand dort der damals größte Solarpark Deutschlands. Mittlerweile unter Leitung von einer dänischen Gesellschaft starten und landen heute auf dem Flugplatz hauptsächlich kleine Privatflugzeuge, wie das von Bernd Koschmieder. Neuerdings ist der Airport auch Zwischenlager für die im Grünheider Werk produzierten Tesla-Autos. Die werden wohl aber bald einen neuen Platz brauchen. Denn die Eigentümer wollen Millionen investieren.

Geplant ist ein Ausbildungszentrum für Luftfahrtberufe, sagt Uwe Hädicke, der Geschäftsführer vom Airport Neuhardenberg. "Unsere großen Nachbarn - seien es der BER oder unsere polnischen Nachbarn - haben einen großen Fachkräftebedarf. Und das wollen wir mit einem großen Ausbildungsträger aus Deutschland und Polen hier aufbauen." Die Investoren hoffen dafür auf eine Erlaubnis des Bundes: Dass der Airport mit Instrumentenhilfe angeflogen werden darf. Denn zurzeit ist die Fliegerei nur bei guter Sicht gestattet.

Jubiläum wird mit Flughafenfest gefeiert

Zunächst soll das 90-jährige Jubiläum an diesem Samstag und Sonntag mit einem deutsch-polnischen Gemeinde- und Flughafenfest gefeiert werden. Neben einem Bühnenprogramm unter anderem mit Frank Schöbel, wird dort auch die Geschichte des Flugplatzes gezeigt. So stellt der Airport zahlreiche Flugzeuge aus und informiert in Vorträgen zum Luftfahrtwesen. Auch Rundflüge in Flugzeugen und Helikoptern sind möglich.

Flugplatz Neuhardenberg (Quelle: rbb)

Das deutsch-polnische Gemeinde- und Flughafenfest Neuhardenberg wird präsentiert von Antenne Brandenburg.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.06.2024, 19:30 Uhr

Mit Material von Fred Pilarski und Elke Bader

10 Kommentare

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  1. 9.

    "Kleine Militaria-Ecke. Das hat nicht viel mit uns zu tun. " Wie kommen Sie denn darauf. Das sind alles technische Entwicklungen, die später auch zivil nach dem Krieg genutzt wurden und werden.

  2. 8.

    "Wat is jetzt der Unterschied zwischen Hilfs-Raketenantrieb und Starthilfsraketen? " Hilfs-Raketenantrieb ist falsch für die getesteten Flugzeuge. Bei der He 111 waren es Starthilfraketen, um die Maschine mit schwerer Last und wenig Runway in die Luft zu bekommen, die wurden dann abgeworfen und wiederverwendet. Bei der He 176 war das Raketentriebwerk das Haupttriebwerk, gab es nur einen Prototyp - führte später zur Natter und dem Rheinboten u.a. Ein Hilfs-Raketenantrieb wurde nie in Neu-Hardenberg getestet - das wäre ein Raktenantrieb, der zum Hauptantrieb bei Bedarf zuschaltbar wäre.

  3. 7.

    Es ging um den Nebensatz "Vorläufer der Düsenjets". Da hat er Recht. Raketenantrieb und Düsenantrieb haben nichts miteinander zu tun. Bei Raketen wird Treibstoff und gebundener Sauerstoff mitgeführt und verbrannt und erzeugt Vortrieb. Bei Düsentriebwerken wird Luftsauerstoff angesagt, verdichtet und der Verbrennung des Treibstoffs zugeführt und damit Vortrieb erzeugt. Der Düsenantrieb ist eine Weiterentwicklung des Propellers, nicht der Rakete.

  4. 5.

    Wat is jetzt der Unterschied zwischen Hilfs-Raketenantrieb und Starthilfsraketen?
    Kann es sein, dass das das Gleiche meint?

  5. 4.

    Neben den Starhilfsraketen ging es um diese Maschine von Heinkel:
    http://www.luft46.com/prototyp/he176.html
    Es waren aber Triebwerke von Walter, nicht von v.Braun, wie dort fälschlicherweise steht.

  6. 3.

    "Auf dem Platz starteten die ersten Flieger mit Hilfs-Raketenantrieb - Vorläufer der Düsenjets" Das mit dem Vorläufer der Düsentriebwerke ist sachlich einfach falsch, das sind Starthilfsraketen. Die Arbeitgruppe mit v. Braun befaßte sich mit Raketentechnik und nicht mit Triebwerken, das spätere JUMO 004 und BMW 003 waren ganz andere Arbeitsgruppen. Die Entwicklung der Starthilfraketen mündete dann in das Walter HWK 109-500, das an mehreren Flugzeugen eingesetzt wurde (https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_HWK_109-500). Es war technisch insoweit für die A4 (und deren weiterentwickelte Prototypen) wichtig, da die Turbopumpe in der A4 einen damit vergleichbaren Antrieb hatte.

  7. 1.

    das sieht echt schlimm aus. Da seh ich schwarz für die Zukunft.

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