Gewalt in Berlin - Können Verbotszonen die Zahl der Messerangriffe verringern?

Fr 30.08.24 | 07:45 Uhr | Von Anna Bordel
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Symbolbild:Polizisten haben bei der Durchsuchung dieses Messer gefunden und sichergestellt, bei einer Polizeikontrolle.(Quelle:picture alliance/dpa/D.Young)
Bild: picture alliance/dpa/D.Young

Über Sinn und Unsinn von Zonen, in denen Messer verboten sind, wurde in Berlin schon vor dem Attentat in Solingen diskutiert. Politiker sind sich uneins, ob damit Angriffe verhindert werden können. Ein Kriminalitätsforscher hat eine klare Meinung. Von Anna Bordel

Eins – so viele Messer haben Berliner Polizisten während der Fußball-Europameisterschaft in der Hauptstadt sichergestellt. Zu der Zeit waren an bestimmten Orten Messer ab vier Zentimetern Klingenlänge verboten.

Es war das erste temporäre Messerverbot der Berliner Polizei. Trotz der nicht sehr großen Ausbeute der Kontrollen debattieren Politiker:innen in Berlin in diesem Sommer darüber, ob es in der Hauptstadt dauerhafte Messerverbotszonen braucht. Ob die die Zahl der Messerangriffe verringern könnten.

Diese Debatte entfachte sich in Berlin schon vor dem Terrorakt in Solingen vor einer Woche [tagesschau.de]. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich zuletzt offen dafür, über Messerverbotszonen nachzudenken. Oppositionspolitiker:innen wie Bettina Jarasch (Grüne) lehnten die eher ab.

Mehr Taten oder mehr Fokus

Fest steht: In Berlin steigt die registrierte Zahl der Messerangriffe seit Jahren an. 2023 waren es laut Polizei 3.482 und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 2022 war die Zahl sogar fast 20 Prozent höher als im Jahr davor.

Ob dieser Anstieg damit zusammenhängt, dass tatsächlich mehr Gewalttaten mit Messern begangen werden oder der Fokus mehr darauf liegt und deshalb mehr Taten erfasst werden, das könne man nicht abschließend beantworten, sagt Martin Rettenberger von der Kriminologischen Zentralstelle. Es sei häufig so, dass wenn Politik und Justiz den Fokus auf ein Problem legen, dass "bei der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, da explodiert gerade ein Problem. Das kann natürlich auch so sein. Möglich ist aber auch, dass durch mehr Kontrollen und eine bessere Registrierung mehr Fälle erfasst werden", sagt er.

Zur Info

In ganz Deutschland ist laut Waffengesetz das Mitführen von Einhandmessern, also Messer, die mit einer Hand geöffnet werden können, sowie Messern mit einer feststehenden Klinge von mehr als zwölf Zentimetern verboten. Ausnahmen gibt es zum Beispiel für Handwerker.

Opposition gegen Verbotszonen

Gewalt mit Messern in der Öffentlichkeit sind meist entweder körperlicher Auseinandersetzungen, bei denen auch Messer eingesetzt werden, oder Raubüberfälle - eher selten sind wie in Solingen terroristische Akte mit Messern.

Gerade die Vorstellung, aus dem Nichts mit einem Messer bedroht und überfallen zu werden, führt bei vielen Menschen zu einem Gefühl der Unsicherheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, könne er natürlich nicht konkret beziffern, sagt Rettenberg, "insgesamt ist die Sicherheitslage in Deutschland aber sehr hoch und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie heute mit einem Messer angegriffen werden, ist sehr gering", so der Wissenschaftler.

Dennoch gibt es ihm zufolge bestimmte Subkulturen von vor allem jungen Männern, die Messer einstecken, um sich selbst zu verteidigen oder Aggressivität auszustrahlen. Ob die sich von Messerverbotszonen davon abhalten lassen eins einzustecken?

Das zu kontrollieren würde zu viele Polizeikräfte binden und sie davon abhalten, begangene Straftaten zu verfolgen, sagt Jarasch von den Grünen dem rbb. Auch Tobias Schulze von den Linken sagt, die Verbotszonen scheiterten an der Personalfrage. "Wer soll das kontrollieren", fragt er.

Ich denke, es gibt in Berlin Orte, an denen kann man mit einer intelligent eingerichteten Waffenverbotszone das Kriminalitätsaufkommen verringern.

Martin Rettenberger, Kriminalitätsforscher

In mehreren deutschen Großstädten gibt es bereits seit Jahren Waffenverbotszonen. Während in Leipzig geplant ist, die seit 2018 bestehende Zone wieder aufzuheben, wurde Anfang dieses Sommers in Köln eine der temporär bestehenden Zonen zu einer dauerhaften erklärt. Auch die Polizei in Hamburg, das 2007 als erstes Bundesland Waffenverbotszonen zunächst an der Reeperbahn einrichtete, zeigt sich zufrieden mit den Erfahrungen.

Im vergangenen Herbst wurden Waffen auch am Hamburger Hauptbahnhof verboten und seitdem seien dort 350 Messer aufgegriffen worden, sagt ein Sprecher der dortigen Polizei. "Es ist davon auszugehen, dass weitere Straftaten, die mit dem Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen verbunden gewesen wären, dadurch verhindert werden konnten."

Verbotszonen als Teil eines Pakets

Sollte Berlin also auch solche Zonen dauerhaft einführen? Kriminalitätsforscher Rettenberger betont, dass man sich immer fragen müsse, was das Ziel sein sollte. Um anlasslose Personenkontrollen durchführen zu können, könne man solche Zonen einführen. In Berlin gibt es bereits sieben sogenannten kriminalitätsbelastete Orte, an denen die Polizei anlasslos Personen kontrollieren kann, unter anderem auf der Warschauer Brücke und am Kottbusser Tor. Dafür müssten also nicht extra Waffenverbotszonen errichtet werden.

Als ein Teil weiterer Maßnahmen könnte eine Einführung von Verbotszonen durchaus sinnvoll, wenn es darum gehen soll Kriminalität zu senken, sagt Rettenberger. "Schilder aufstellen allein, reicht natürlich nicht. Das Verbot muss auch kontrolliert und Verstöße entsprechend sanktioniert werden", sagt er.

Und neben den Verbotszonen müsse man verstärkt auf Prävention setzen. Zum einen bei jungen Menschen, dafür gibt es in Berlin bereits seit einigen Jahren das Projekt "Messer machen Mörder" an Oberschulen. Zum anderen müsse man bei der Prävention auch in Richtung Radikalisierung und Extremismus ansetzen.

Einerseits auf seiten der Strafverfolgungsbehörden: Wie kann man Täter möglichst früh ermitteln. Andererseits auf seiten der potentiellen Täter: Wie kann man verhindern, dass sich jemand radikalisiert?

Vereine man diese Projekte mit Verbotszonen, dann spricht der Kriminalistätsforscher Rettenberger sich ganz klar für ihre Sinnhaftigkeit aus: "Ich denke, es gibt in Berlin Orte, an denen kann man mit einer intelligent eingerichteten Waffenverbotszone das Kriminalitätsaufkommen verringern".

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Beitrag von Anna Bordel

103 Kommentare

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  1. 103.

    "Ein generelles Verbot von Messern macht wohl mehr Sinn." Das ist doch aber auch nur wieder eine Diskussion um die Größe der Verbotszone und geht nicht die wirklichen Ursachen an. Wer mit dem Messer auf Menschen einsticht, hat jeglichen Respekt vor Menschenleben und Gesetzen schon lange vorher verloren oder tut dies sogar in voller Absicht. Die Messer der letzten Straftaten, die bundesweit für Aufregung gesorgt haben, waren allesamt verboten. Es hat die Täter schlicht nicht interessiert. So lange das Messer als Zeichen der Stärke und Wehrhaftigkeit bei manchen Menschen gesehen wird, wird es auch mitgeführt werden, egal ob es illegal ist.

  2. 102.

    Ich persönlich empfinde die Diskussion über Verbotszonen albern, da es das Problem nicht beseitigt. Ein generelles Verbot von Messern macht wohl mehr Sinn. Denn wozu braucht man ein Messer allgemein gesehen => GAR NICHT. Und jeder der ein Messer dabei hat, dem muss auch klar sein, das man damit nur verletzen und töten kann. Was einige wohl auch wissen und tatsächlich auch die Absicht haben. Und denen ist nicht mehr zu helfen.

    Denn wozu braucht man ein Messer außerhalb der Küche. Nur beim Camping, unterwegs zum Obst schneiden, bei der Pilzsuche und anderen solchen Sachen. Also nicht auf der Straße notwendig.

    Na ja, wie auch immer. Bin gespannt ob man wieder ein Gesetz nicht umsetzt, weil die Polizei “jammert“, weil man das nicht umsetzen kann, bzw. nicht könnte. Was bei der Gesetzgebung doch erst mal überhaupt keine Rolle spielt. Lass doch erst mal das Gesetz da sein, damit man Sachen sofort umsetzen kann, wenn es dringend nötig ist.

  3. 101.

    Messer, Schere, Licht gehören in Kinderhände nicht.
    Willkommen im neuen Deutschland, das Land der Infantilen, die erzogen werden müssen. Mit Verboten, Geboten (Kirchenersatz?), Gute/Schlechte–XYZ-Gesetz.

    Dann doch lieber das Original am andern Ende der Seidenstraße, da geht's ganz unverhohlen zu mit Massenüberwachung und Social Score und "Erziehungs"lagern. (s. arte-Doku)

  4. 100.

    Den Täter, der losgeht, um Un-oder Andersgläubige abzubrechen, wird man mit Verboten nicht abhalten. Deshalb ist der ANLASS der jetzigen Diskussion durchaus das falsche Beispiel. Aber viele junge Männer gehen mit Messern aus dem Haus, um sich zu "verteidigen". Im Ernstfall wird dann aus der Verteidigung eine schwere Verletzung. Und gegen diesen Mechanismus könnte ich mir langfristig eine Wirkung eines "Messerverbots" durchaus vorstellen.

  5. 99.

    Wenn Sie das überall in Deutschland machen, bräuchten Sie Heerscharen von Polizisten, die wir nicht haben. Daher bleibts auch dort nur bei Stichprobenkontrollen. Im Übrigen halte ich eine gemäßigte tägliche Polizeipräsenz an solchen hoch frequentierten Punkten wie Hauptbahnhof, Alex inkl. Bahnhof usw. für das Sicherheitsgefühl wesentlich sinnvoller, als jedem die Taschen zu kontrollieren, der diese Bereiche betritt. Wenn Sie das unter ständiger Kontrolle solcher Verbotsbereiche verstehen.

  6. 98.

    Und warum klappt es in Hamburg? Seit 2007 auf St.Pauli ( absolute Waffenverbotzone inkl Reizgas usw. , ) immer in unregelmäßigen Abständen Kontrolle durch Ladespolizei,am S,-Bf. Reeperbahn durch die Bundespolzei. Der Hauptbahnhof wird seit einem Jahr mit einer sog.Quadrstreife kontrolliert, d.h
    jeweils ein Angehöriger Bundes -undLandespolizei,DB Sicherheit und Hochbahnwache, somit sind alle Kompetenzbereiche abgedeckt, es wird sofort eingegriffen. Die Trinkerszene hat es auch zu spüren bekommen. Man kann richtigerweise nicht überall sein und alles verhindern, aber der ausgeübte Kontrolldruck zeigt Wirkung. Am Hansaplatz, unweit entfernt, Kameraüberwachung mit KI, direkt ins PK 11 am Steindamm eingespielt.
    Ansonsten erinnern mich hier einige Kommentare an billige Comic. Haben den Ernst der Lage nicht verstanden.

  7. 97.

    Weil´s nichts bringt, wahrscheinlich keinen Erfolg hat, lassen wir es lieber gleich? Was ist DAS füreine Logik? Bitte erst nachdenken, dann kommentieren...

  8. 95.

    Wenn jemand einen anderen verletzen oder gar töten will, dann sind ihm Waffenverbote, die ohnehin nur punktuell kontrolliert werden können, völlig egal. Hilfreich wären dagegen eine zeitnahe Strafverfolgung, verpflichtende psychologische Betreuungsprogramme sowie gegebenenfalls sofortige Abschiebung. Aber gerade alles, was helfen könnte, scheitert an mangelndem Personal, fehlender Digitalisierung und nicht ausreichenden Plätzen in den Strafanstalten. Außerdem befördert die desaströse Unterbringung vieler Flüchtlinge und deren ewiges Warten auf Bescheide und Genehmigungen psychologische Ausnahmesituationen. Dass sich manchen dann denen zuwenden, die sich scheinbar um sie kümmern (z.B. IS oder dubiose religiöse Vereinigungen), ist nicht verwunderlich. Unter den wenigen Straftätern müssen zudem alle anderen Menschen mit Migrationshintergrund leiden, da sich in der medialen Aufmerksamkeit jede Straftat scheinbar vervielfacht und zudem mit unsäglichen Pauschalierungen einhergeht.

  9. 92.

    >"Darum bringt dieses scheinheilige Verbot auch nichts"
    Solche Sachen wie Messerverbotszonen laufen bei mir unter Aktionismus. Wenns denn keine Messer sein sollen, dann finden böse Buben immer andere Werkzeuge, die andere verletzen oder gar töten können. Zumal wer wirklich einen Vorsatz hat, den interessieren Verbote herzlich wenig.

  10. 91.

    Also, wenn einige Asylsuchende unsere Gesellschaft mit Messern einschüchtern, muss man nur ein Schild aufstellen? Wie seit 2018 in der Eisenbahnstraße in Leipzig, mit großen Piktogrammen, riesiges Schild und alle abgebildeten Waffen, rot durchgestrichen? Gestern gab es dort einen Schwerverletzten, im Juli einen Toten. Das durchgestrichene Messer, das international deutbare Piktogramm, hat auf den Messertäter keinen Eindruck machen können.
    Was ist mit den Vergewaltigern? Stellen wir jetzt Schilder auf, bitte keine Frauen vergewaltigen? Was ist mit den Jugendbanden, stellen wir jetzt Schilder auf, bitte keine unschuldigen Bürger ausrauben? Piktogramme wären gut verständlich.
    Es muss mit diesen Tätern gesprochen werden, vielleicht benötigen sie Aufklärung, was bei uns geht und was nicht. Grenzen setzen, Schutz bedeutet nicht, uns in Unsicherheit zu versetzen.

  11. 87.

    Ganz so einfach ist es nicht. Auch Privatpersonen sind u.U. mit potenziell gefährlichen Gegenständen unterwegs und nicht nur Handwerker oder Berufstätige. Ich habe beispielsweise hin- und wieder ein Campingbesteck dabei um unabhängig vom Einwegbesteck zu sein.

  12. 86.

    NEIN.

    Natürlich können sie das nicht.

    Wie sollten sie?

    Was ist das für eine Frage?

    Als ob jene (Waffenmitfühenden) Menschen sich dafür interessieren...

    Als ob die meisten jener Menschen solche Nachrichten überhaupt erreichen...

    Und selbst wenn letzteres, denken sich die Menschen dann sicher: "Oh! So ein Mist. Verboten. Jetzt lasse ich mein Messer zuhause."

    Eine populistische, aktionistische Diskussion unter Menschen, die fernab der Lebensrealität lebt, im Elfenbeinturm schlau daherredet.

  13. 85.

    Kann auf diese Weise nicht verhindert werden, denn wer was Schlimmes vorhat, dem interessiert kein Messerverbot. Ist also absolut nicht hilfreich.

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