Gewalt in Berlin - Können Verbotszonen die Zahl der Messerangriffe verringern?
Über Sinn und Unsinn von Zonen, in denen Messer verboten sind, wurde in Berlin schon vor dem Attentat in Solingen diskutiert. Politiker sind sich uneins, ob damit Angriffe verhindert werden können. Ein Kriminalitätsforscher hat eine klare Meinung. Von Anna Bordel
Eins – so viele Messer haben Berliner Polizisten während der Fußball-Europameisterschaft in der Hauptstadt sichergestellt. Zu der Zeit waren an bestimmten Orten Messer ab vier Zentimetern Klingenlänge verboten.
Es war das erste temporäre Messerverbot der Berliner Polizei. Trotz der nicht sehr großen Ausbeute der Kontrollen debattieren Politiker:innen in Berlin in diesem Sommer darüber, ob es in der Hauptstadt dauerhafte Messerverbotszonen braucht. Ob die die Zahl der Messerangriffe verringern könnten.
Diese Debatte entfachte sich in Berlin schon vor dem Terrorakt in Solingen vor einer Woche [tagesschau.de]. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich zuletzt offen dafür, über Messerverbotszonen nachzudenken. Oppositionspolitiker:innen wie Bettina Jarasch (Grüne) lehnten die eher ab.
Mehr Taten oder mehr Fokus
Fest steht: In Berlin steigt die registrierte Zahl der Messerangriffe seit Jahren an. 2023 waren es laut Polizei 3.482 und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr. 2022 war die Zahl sogar fast 20 Prozent höher als im Jahr davor.
Ob dieser Anstieg damit zusammenhängt, dass tatsächlich mehr Gewalttaten mit Messern begangen werden oder der Fokus mehr darauf liegt und deshalb mehr Taten erfasst werden, das könne man nicht abschließend beantworten, sagt Martin Rettenberger von der Kriminologischen Zentralstelle. Es sei häufig so, dass wenn Politik und Justiz den Fokus auf ein Problem legen, dass "bei der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, da explodiert gerade ein Problem. Das kann natürlich auch so sein. Möglich ist aber auch, dass durch mehr Kontrollen und eine bessere Registrierung mehr Fälle erfasst werden", sagt er.
Opposition gegen Verbotszonen
Gewalt mit Messern in der Öffentlichkeit sind meist entweder körperlicher Auseinandersetzungen, bei denen auch Messer eingesetzt werden, oder Raubüberfälle - eher selten sind wie in Solingen terroristische Akte mit Messern.
Gerade die Vorstellung, aus dem Nichts mit einem Messer bedroht und überfallen zu werden, führt bei vielen Menschen zu einem Gefühl der Unsicherheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, könne er natürlich nicht konkret beziffern, sagt Rettenberg, "insgesamt ist die Sicherheitslage in Deutschland aber sehr hoch und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie heute mit einem Messer angegriffen werden, ist sehr gering", so der Wissenschaftler.
Dennoch gibt es ihm zufolge bestimmte Subkulturen von vor allem jungen Männern, die Messer einstecken, um sich selbst zu verteidigen oder Aggressivität auszustrahlen. Ob die sich von Messerverbotszonen davon abhalten lassen eins einzustecken?
Das zu kontrollieren würde zu viele Polizeikräfte binden und sie davon abhalten, begangene Straftaten zu verfolgen, sagt Jarasch von den Grünen dem rbb. Auch Tobias Schulze von den Linken sagt, die Verbotszonen scheiterten an der Personalfrage. "Wer soll das kontrollieren", fragt er.
In mehreren deutschen Großstädten gibt es bereits seit Jahren Waffenverbotszonen. Während in Leipzig geplant ist, die seit 2018 bestehende Zone wieder aufzuheben, wurde Anfang dieses Sommers in Köln eine der temporär bestehenden Zonen zu einer dauerhaften erklärt. Auch die Polizei in Hamburg, das 2007 als erstes Bundesland Waffenverbotszonen zunächst an der Reeperbahn einrichtete, zeigt sich zufrieden mit den Erfahrungen.
Im vergangenen Herbst wurden Waffen auch am Hamburger Hauptbahnhof verboten und seitdem seien dort 350 Messer aufgegriffen worden, sagt ein Sprecher der dortigen Polizei. "Es ist davon auszugehen, dass weitere Straftaten, die mit dem Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen verbunden gewesen wären, dadurch verhindert werden konnten."
Verbotszonen als Teil eines Pakets
Sollte Berlin also auch solche Zonen dauerhaft einführen? Kriminalitätsforscher Rettenberger betont, dass man sich immer fragen müsse, was das Ziel sein sollte. Um anlasslose Personenkontrollen durchführen zu können, könne man solche Zonen einführen. In Berlin gibt es bereits sieben sogenannten kriminalitätsbelastete Orte, an denen die Polizei anlasslos Personen kontrollieren kann, unter anderem auf der Warschauer Brücke und am Kottbusser Tor. Dafür müssten also nicht extra Waffenverbotszonen errichtet werden.
Als ein Teil weiterer Maßnahmen könnte eine Einführung von Verbotszonen durchaus sinnvoll, wenn es darum gehen soll Kriminalität zu senken, sagt Rettenberger. "Schilder aufstellen allein, reicht natürlich nicht. Das Verbot muss auch kontrolliert und Verstöße entsprechend sanktioniert werden", sagt er.
Und neben den Verbotszonen müsse man verstärkt auf Prävention setzen. Zum einen bei jungen Menschen, dafür gibt es in Berlin bereits seit einigen Jahren das Projekt "Messer machen Mörder" an Oberschulen. Zum anderen müsse man bei der Prävention auch in Richtung Radikalisierung und Extremismus ansetzen.
Einerseits auf seiten der Strafverfolgungsbehörden: Wie kann man Täter möglichst früh ermitteln. Andererseits auf seiten der potentiellen Täter: Wie kann man verhindern, dass sich jemand radikalisiert?
Vereine man diese Projekte mit Verbotszonen, dann spricht der Kriminalistätsforscher Rettenberger sich ganz klar für ihre Sinnhaftigkeit aus: "Ich denke, es gibt in Berlin Orte, an denen kann man mit einer intelligent eingerichteten Waffenverbotszone das Kriminalitätsaufkommen verringern".
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