Schutz vor Klimawandel-Folgen - Kaum Pläne für Wasserspeicher oder Entsiegelung in Brandenburg
Der Klimawandel ist deutlich spürbar in Brandenburg - mit Starkregen, Hitzetagen, Dürre. Doch die Landkreise und kreisfreien Städte sind zu wenig auf die Herausforderung vorbereitet, wie eine Gruppe von Journalist:innen analysiert hat. Von Haluka Maier-Borst
In Brandenburg herrscht deutlicher Nachholbedarf, wenn es darum geht, wie man sich auf den Klimawandel einstellt. Das ist das Recherche-Ergebnis einer aktuellen Abfrage [quarks.de] durch Journalist:innen von BR Data, NDR Data, WDR Quarks und Correctiv in den Landkreisen und kreisfreien Städten.
Im Rahmen der Abfrage hatte das Team gefragt, welche Herausforderungen Kommunen bezüglich des Klimawandels auf sich zukommen sehen. Es wurde aber auch insgesamt abgefragt, ob und inwiefern 25 mögliche Maßnahmen als Vorbereitung auf Folgen des Klimawandels schon ergriffen wurden.
Von allen 18 Brandenburger Landkreisen und kreisfreien Städten haben auf diese Abfrage 14 geantwortet. Die Landkreise Barnim, Prignitz, Spree-Neiße und Uckermark äußerten sich nicht.
Nicht alle abgefragten Maßnahmen sind für Brandenburg relevant. Einige beziehen sich auf den Küstenschutz und standen im Fragekatalog der Recherchegruppe, weil es eine deutschlandweite Erhebung war. Trotzdem fällt auf, dass nur bei zwei der Maßnahmen eine Mehrheit der 14 antwortenden Landkreise und kreisfreien Städten bereits tätig geworden ist.
So sagten elf, sie hätten bereits eine konkrete Regelung, was die Wasserentnahme betrifft. Acht haben auch bereits dürreresistentere Bäume angepflanzt. Ansonsten sieht es eher mau aus bei den Maßnahmen, die gegen die Folgen des Klimawandels helfen sollen.
Neue Wasserreservoirs oder Entsiegelung von Betonflächen. Abflusssysteme, die Regenwasser länger aufhalten und somit länger nutzbar machen – all das findet man nur in den wenigsten Kommunen. Und das obwohl Experten und Expertinnen zu solchen Maßnahmen schon seit einer Weile raten.
Potsdam ist eins der wenigen Positivbeispiele
Die Ausnahme von der Regel ist Potsdam. Als einzige Brandenburger Kommune weist die Stadt ein konkretes Klimaanpassungskonzept vor. Schon seit 2006 gibt es eine Stelle für das Thema Klima in der Verwaltung. Cordine Lippert, Bereichsleiterin dieser Koordinierungsstelle Klimaschutz erklärt, dass es dadurch etwa eine Stadtklimakarte gibt: "Da sehen wir zum Beispiel, dass unser Marktplatz noch Verbesserungspotenzial hat. Oder auch welche Straßenzüge als Firschluftschneisen wichtig sind."
Die beiden Meteorologinnen Ewelina Walawender und Katharina Lengfeld vom Deutschen Wetterdienst finden es gut, dass Städte wie Potsdam solche Koordinationsstellen einrichten. Das könne sich aber wahrscheinlich nicht jede Kommune leisten. "Darum ist es wichtig, dass es zenrale Anlaufstellen wie beim Städtetag gibt und die kleinen Kommunen diese in Anspruch nehmen können, wenn sie etwas neu bauen", sagt Lengfeld.
Denn um eigens als Maßnahme gegen den Klimawandel etwas umzubauen, zu verändern, dafür fehle leider oft das Geld in den Kommunen. Aber bei einem Neubau den Klimawandel von Anfang an mitzudenken, sei meist nicht teurer. Walawender ergänzt: "Genauso ist das auch bei Renovierungen. Wir müssen nicht alles Alte einreißen. Aber wir sollten nicht die Baufehler von früher wiederholen. Wir müssen ja nicht wieder vollkommen auf Beton setzen."
Stark gefährdete Landkreise reagieren eher zögerlich bisher
Doch es dauert anscheinend noch, bis die Erkenntnis ankommt, dass das Einplanen des Klimawandels nun zum Alltag gehört und ein wichtiges Thema ist. Und das ist, so das Rechercheergebnis, auch der Fall bei Landkreisen, die stark von den Folgen betroffen sind und sein werden.
Der Landkreis Elbe-Elster gehört zum Beispiel zu den von Dürre, Hitze und Wassermangel besonders betroffenen Landkreisen. Trotzdem hat man laut Antwort des Kreises weder neue Wasserreservoirs geplant noch gebaut. Man sei sich auch nicht sicher, ob man künftig andere, dürreresistente Pflanzen anbauen werde. Das Umstellen der Abflusssysteme für trockenere Zeiten werde zwar als notwendig angesehen, sei aber noch nicht finanziert.
Der Landkreis Prignitz wiederum hat weder auf die Anfragen der Recherchegruppe geantwortet noch auf eine telefonische Nachfrage reagiert. Dabei gilt diese Region als verhältnismäßig gefährdet, wenn es um Hochwasser geht. Rund ein Drittel der Bevölkerung könnte laut manch früheren Gutachten von Hochwasser bedroht sein.
"Aus wissenschaftlicher Sicht ist viel erforscht und vorbereitet. Doch nach wie vor ist so oft in der Praxis die Frage 'muss das denn wirklich sein?'", sagt Stephan Köster, Leiter des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft der Universität Hannover. An vielen Stellen fehle schlicht der Wille, anders zu denken.
So könnte ein Regenwasserreservoir helfen, plötzliche Starkregenfälle besser abzufedern und ein Volllaufen von Straßen und Kellern zu vermeiden. Man hätte dadurch zudem an heißen Dürretagen genügend Wasser für Grünflächen. Doch bevor jemand ein Wasserreservoir baue, würde statt auf den Nutzen erstmal nur auf die zusätzlichen Kosten geschaut. "Dann kriegt man zu hören, dass Wasser bei uns so billig sei, da brauche man doch keinen zusätzlichen, teuren Speicher für Regenwasser. Die Frage ist doch: wie lange noch?", sagt Köster.
Auch am Personal wird gespart
Aber nicht nur bei den Investitionen wird gegeizt. Es fehlt auch am Personal. So sind laut der Recherche von NDR, WDR, BR und Correctiv in ganz Brandenburg gerade einmal fünf Mitarbeiter auf Kreisebene mit dem Thema Klimawandel und seinen Folgen befasst. Und mittelfristig sollen nur 3,25 Stellen dazu kommen.
"Wenn wir davon ausgehen, dass abgesehen von Kriegen der Klimawandel unser Leben am meisten in den nächsten Jahrzehnten umkrempeln könnte, ist das schon verdammt wenig Personal", sagt Köster.
Am Ende bleibt so - mit wenigen Ausnahmen - vor allem ein Eindruck übrig. Die Folgen des Klimawandels sind spürbar in Brandenburg. Maßnahmen, die das Land besser gegen diese Folgen schützen, sind jedoch zu wenig zu sehen. Maßnahmen, die wichtig wären, wenn Brandenburg seinen Bewohnern auch in den nächsten Jahrzehnten eine Perspektive bieten will.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 13.07.2023, 19:30 Uhr