Zahlen für Berlin und Brandenburg - Starkregen der letzten Jahre führt zu Millionenschäden
Starkregen hat in den letzten 20 Jahren Schäden von mehr als 450 Millionen Euro in Berlin und Brandenburg angerichtet, Tendenz steigend. Die Versicherungswirtschaft fordert, mehr für Klimaschutz und -anpassung zu tun. Von Torsten Mandalka
- Gesamtverband der Versicherer registriert in Berlin und Brandenburg im Schnitt rund 4.250 Schadensfälle durch Starkregen pro Jahr
- Berlin mit vielen versiegelten Flächen besonders schlecht aufgestellt
- Prognosen schwierig: Orte der Starkregenereignisse rein zufällig
Fast 85.000 Schäden bei rund 1.850 Starkregenereignissen hat der Gesamtverband der Versicherer (GDV) in Berlin und Brandenburg seit 2002 registriert. Die Zahlen liegen dem rbb exklusiv vor.
"Wir sehen eine Zunahme von Extremwetterereignissen in den letzten 20 Jahren", erläutert Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. "Das ist auf der einen Seite eben Starkregen. Auf der anderen Seite haben Sie Dürre. Das sehen wir auch in Teilen Brandenburgs. Also: Wir verlieren die Mitte beim Wetter."
Unwetter sind unberechenbar
Manchmal kündigen die Wetterdienste die Unwetter früh genug an, manchmal entwickeln sich Gewitter-Zellen aber auch ganz plötzlich – besonders dann, wenn es lange Zeit extrem heiß war.
Pfingstsonntag 2019 etwa schüttete es in Potsdam in der Nacht wie aus Eimern. Regenmengen von 80 Litern pro Quadratmeter prasselten auf die Brandenburger Landeshauptstadt herab: Großalarm für die Potsdamer Feuerwehr.
In solchen Lagen reißt der Wind Bäume um, Hänge können abrutschen, Straßen verwandeln sich zu Sturzbächen, Keller und Tiefgaragen laufen voll. Das kann auch Menschenleben gefährden: "Wenn jemand nicht schnell genug rauskommt mit seinem Fahrzeug, das er unbedingt noch retten möchte, müssen wir vor Ort sehr schnell handeln", sagt Christian Schulz, Bereichsleiter Katastrophenschutz bei der Potsdamer Feuerwehr.
Topographie entscheidet über Starkregen-Schäden
Die Kosten solcher Katastrophen sind beachtlich: Seit 2002 gab es laut GDV in Berlin mehr als 30.000 Schäden mit einer Schadenssumme von 174 Millionen Euro, in Brandenburg wurden mehr als 50.000 Schäden verzeichnet – mit einer Gesamtschadenssumme von 283 Millionen Euro. Darin enthalten sind sowohl versicherte als auch nicht versicherte Schäden.
Dass es im flächenmäßig deutlich größeren Land Brandenburg sowohl mehr Starkregenereignisse als auch mehr Schadensfälle gegeben hat, ist nicht überraschend. Hier gab es mit der Überschwemmung von Leegebruch am 29. Juni 2017 und dem Starkregen Ende Juni 2021 in der Uckermark auch Unwetter, die größere Regenmengen produzierten als die bei der Ahrtal-Katastrophe.
Welche Schäden so etwas anrichtet, ist abhängig von der Topographie: Die Wassermassen in der Uckermark versickerten weitestgehend im ländlichen Boden, nur vereinzelt wurden in Prenzlau und Umgebung größere Schäden registriert. Leegebruch dagegen wurde überschwemmt, denn der Ort liegt in einer Senke und die Abflüsse funktionierten nicht gut.
Versiegelung Berlins ist Problem bei Starkregen
In beiden Fällen waren keine unmittelbaren Verluste von Menschenleben zu beklagen. In Leegebruch starb allerdings ein Arbeiter bei den anschließenden Aufräumarbeiten.
Neben der Topographie birgt die Bodenversiegelung ein hohes Gefahrenpotenzial bei Starkregen. Deshalb ist Berlin mit seinen vielen versiegelten Flächen genauso schlecht für Starkregen aufgestellt wie viele andere Großstädte in Deutschland und anderswo.
Auf die letzten 20 Jahre gerechnet liegt in Berlin der Schaden pro Fall bei 5.896 Euro. In Brandenburg waren es 5.476 Euro.
Auch der Anteil der betroffenen Gebäude ist in Berlin höher: In der Hauptstadt wurden zwischen 2002 und 2022 in rechnerisch 148,3 von tausend Gebäuden durch Starkregen beschädigt, in Brandenburg waren es nur 77,1.
Regionale Unterschiede in der Vergangenheit sagen nichts über die Zukunft
Einige Brandenburger Regionen waren bislang kaum von Starkregen betroffen: Spree-Neiße, die Prignitz, Cottbus, Brandenburg/Havel und Teltow-Fläming. Heftiger erwischte es die Uckermark, die Landeshauptstadt Potsdam, Frankfurt/Oder, Barnim und Potsdam-Mittelmark.
Das muss für die Zukunft nichts heißen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) weist darauf hin, dass nach jetzigem Wissensstand rein zufällig sei, welche Orte betroffen sind - es könne jeden Ort in Brandenburg jederzeit und mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit erwischen.
Der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und jetzige GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen verweist auf die Erkenntnisse aus der "KlamEx"-Starkregen-Studie des DWD von 2021 [dwd.de]: "Die sagt, der Starkregen wird durch den Klimawandel in den nächsten Jahren rund neunmal so häufig sein, als er in der Vergangenheit war."
Elementarschäden bald nicht mehr versicherbar
Für die Menschen steigt mit den Extremwetterlagen das Risiko, ihr Hab und Gut zu verlieren: "Das kann auch bis zum Totalschaden des Einfamilienhauses führen", sagt Asmussen. "Wenn das Fundament unterspült wird und damit die Statik angegriffen ist, brauchen Sie ein neues Haus."
Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels funktioniere auch nicht, sagt Asmussen: "Wir bauen im Grunde genommen so, als wenn es keinen Klimawandel gebe. Wir brauchen mehr Prävention. Das heißt beispielsweise: Neubauten auf Sockel bauen." Wenn sich daran nichts ändere, könnten sich die Kosten für eine private Wohngebäudeversicherung in den kommenden zehn Jahren verdoppeln, erklärt Asmussen.
Vielleicht sei die Versicherung dann in manchen Fällen aber auch gar nicht mehr möglich: "Wenn wir nicht genügend Prävention leisten, droht die Gefahr, dass das Risiko wie in Florida oder Australien in Teilen privatwirtschaftlich nicht mehr versicherbar ist."
In diesem Zusammenhang übt der Versicherungs-Manager und ehemalige Spitzenpolitiker heftige Kritik am aktuellen Klima-Krisenmanagement der deutschen Politik: "Wir sind heute nicht auf dem Pfad zu einem 1,5- oder Zwei-Grad-Ziel. Die Maßnahmen, die wir heute umgesetzt haben, reichen dafür nicht aus."
Klimaschutz und Klima-Anpassung
Die Potsdamer Feuerwehr hat schon für den Klima-Krisen-Katastrophenfall aufgerüstet. In der Garage steht ein neuer Tatra-LKW, ein Riesen-Rettungsfahrzeug, dessen Pumpen 50.000 Liter Wasser pro Minute befördern können - beim Waldbrand ins Feuer, bei Überschwemmungen aus dem Gebäude heraus.
Katastrophenschützer Schulz stellt fest, dass einzelne Gebäude und deren Bewohner immer wieder betroffen sein können, wenn sie beispielsweise in topographisch schwierigen Gebieten liegen. In diesen Fällen rät er, "sich Sandsäcke zu beschaffen oder entsprechende Platten vor die Luftschächte zu bauen."
In vielen Fällen gebe es im Katastrophenfall auch Lebensgefahr für Hausbewohner. "Wenn Wasser in den Keller läuft, haben wir einen Raum voll Wasser und Stromanschlüssen. Und es passiert relativ oft, dass Menschen sich in solchen Fällen durch einen Stromschlag verletzen."
Tenor: Materielle Verluste kann man immer irgendwie ausgleichen, aber Menschenleben sind nicht zu ersetzen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.07.2023, 7:30 Uhr