Proteste gegen AfD und Rechtsextremisten - "Wir melden eine Demo an! In Perleberg!"

Mo 29.01.24 | 09:00 Uhr | Von Michaela Grimm
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Teilnehmende einer Demo in Perleberg am 21.01.2024. (Quelle: Bündnis Die Prignitz steht auf)
Bild: Bündnis Die Prignitz steht auf

Bis vor knapp zwei Wochen hat Andrea von Bezouwen sich noch nie politisch eingemischt. Dann initiiert sie eine Demo gegen Rechtsextremismus in der Prignitz - und Hunderte Menschen kommen. Von Michaela Grimm

Andrea van Bezouwens gesellschaftspolitisches Handeln begann mit einer Frage, die sie auf Instagram stellte: "Wo kann ich hier in der Prignitz gegen die AfD auf die Straße gehen?", tippte sie dort am 14. Januar vormittags in eine Statusmeldung. Freunde vom Kirchenkreis Prignitz trugen diese Frage weiter und so kamen noch am selben Tag spontan zehn Menschen vor der Wunderblutkirche in Bad Wilsnack zusammen, um ein Zeichen zu setzen: "Für Freiheit, Demokratie, Mitmenschlichkeit".

Und gegen die AfD. So richtig aus der Deckung gewagt "habe ich mich aber erst in dem Moment, als ich im Whatsapp-Status 'NOAFD' stehen hatte. Denn dort sehen es dann alle Nachbarn und alle aus dem Dorf", sagt die Brandenburgerin.

Als Vertreibungspläne von Rechtsextremen und AfD-Politikern bekannt geworden waren und sich in größeren Städten Proteste formiert hatten, war Andrea van Bezouwens erster Impuls: Ich fahre doch nicht zwei Stunden bis nach Potsdam! Und nach ihrem Aufschlag in Bad Wilsnack war das Ziel der Mitstreiter: "Wir müssen größer werden! Wir melden eine Demo an! In Perleberg!"

Andrea van Bezouwen auf dem Großen Markt in Perleberg.(Quelle:rbb/M.Grimm)
Bild: rbb/M.Grimm

Die erste politische Rede ihres Lebens

Hunderte Menschen kamen eine Woche später mit vielen bunten Schildern auf den Großen Markt in Perleberg, skandierten "Nie wieder ist jetzt!" und van Bezouwen hielt zum ersten Mal in ihrem Leben eine politische Rede auf einer öffentlichen Bühne: "Rechtsextremisten gefährden unsere Demokratie", sagte sie da beispielsweise. Auf einer Deutschlandkarte mit Punkten der Orte, in denen an jenem Wochenende Anti-Nazi-Demos stattfanden, zeigt sie stolz auf einen Punkt im Nordwesten Brandenburgs. Perleberg. Ihr Punkt ist das. Andrea van Bezouwen ist froh und stolz darauf.

Die Demonstration selbst mit den eigenen Personalien anzumelden, war ihr ein Anliegen: "Das sollte kein Politiker sein, der das macht, sondern jemand aus der Mitte der Gesellschaft." Perlebergs Bürgermeister Axel Schmidt (parteilos) befürwortet auf Nachfrage gesellschaftliche Initiativen und politisches Engagement und begrüßt, "dass diese Demonstration aus der Bürgerschaft heraus entstanden ist". So solle es auch bleiben. In seiner Funktion als Bürgermeister plant er aber nicht, selbst an den Demos teilzunehmen.

Eine Hamburgerin zieht aufs Land

Politischen und emotionalen Rückhalt bekommt Andrea van Bezouwen von ihrem älteren Bruder, der in Schleswig-Holstein lebt und schon länger politisch aktiv ist. Ihn bezeichnet sie als ihren Mentor. Jeden Morgen haben die Geschwister Kontakt. Jeden Morgen machen sie sich "gegenseitig Mut rauszugehen und klare Kante zu zeigen", sagt sie im Gespräch mit dem rbb.

Aufgewachsen sind sie wohlbehütet als Kinder zweier Beamter, christlich-konservativ in Hamburg. Gespräche über Politik habe es bei ihr zu Hause nie gegeben, sagt van Bezouwen. Sie wurde Diätassistentin, kochte zehn Jahre lang Essen im Krankenhaus, machte dann das Marketing für einen Tiefkühlkosthersteller. Sie kündigte, als ihre Kinder erwachsen waren und zog vor sieben Jahren "als Öko", sagt sie, in ein Dorf bei Perleberg zwischen Hamburg und Berlin.

Da erfüllte sich ihr Kindheitstraum vom Leben auf dem Land mit Tieren und Gemüse. Deshalb empfindet van Bezouwen eine "große Dankbarkeit dafür, dass ich so ein privilegiertes Leben führen kann". Ihr Geld verdient die Freiberuflerin mit Auftragstexten und als Social-Media-Managerin im gastronomischen und touristischen Bereich. Vernetzt vor Ort hat sie sich schnell. Online wie offline.

Unmut der Landwirte versteht Bezouwen

"Der Kirchenchor im Dorf war mein Einstieg. Es hat mir Spaß gemacht mich zu integrieren", sagt die 56-Jährige. Inzwischen mischt sie mit im Gemeindekirchenrat, in der Theatergruppe, leitet einen Männergesangsverein, spielt in der Posaunengruppe, die Liste ist noch länger, Verzettelungen inbegriffen. "Ich bin die Einzige, die zum Feuerwehrfest ihre Veggie-Bratwurst mitbringt", da würden Nachbarn schon mal mit den Augen rollen. Politische Debatten seien in ihrem Leben in der Prignitz aber bislang ausgeblieben.

Da, wo Andrea van Bezouwen wohnt, stehen entlang der Straßen zwischen kleinen Kieferwäldern, überfluteten Wiesen, Windrädern, Feldern, Bullen- und Pferdekoppeln immer noch Galgen mit Ampeln am Straßenrand und Heuballen mit regierungskritischen Bannern. An Ortseingangsschildern baumeln Gummistiefel als Symbol der Solidarität mit den Protesten der Landwirte. Den Unmut verstehe sie. "Es sind komplexe Zeiten mit großen Problemen und ich gehe auch nicht mit allem konform, was die Ampel macht. Aber trotz allem geht es uns doch im Großen und Ganzen goldig, mit unserem Sozialsystem, mit den Schulen, auch wenn da auch nicht alles fein ist", findet van Bezouwen.

Zweitstärkste Kraft AfD

Hat sie gar keine Angst vor Übergriffen, vor einer Hetzkampagne gegen sie? "Gute Frage. Ich bin ziemlich angstfrei. Das ist mein Naturell." Das Allerschlimmste, was einem im Leben passieren könne, sei ohnehin der Tod, vor dem die Christin keine Angst habe. Der Spruch: "Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand" gebe ihr Zuversicht.

Ihre politische Arbeit beginne gerade erst, sie sei da "ein totaler Neuling" und "jetzt irgendwie in der Pflicht". Als sie nach der Demo in Perleberg zum ersten Mal wieder durch die Stadt spaziert und Besorgungen macht, wird Andrea van Bezouwen weder angesprochen noch kritisch beäugt. Die AfD-Politiker vor Ort hat sie noch nicht getroffen. Im Stadtparlament von Perleberg hat die AfD keinen Sitz.

Bei den letzten Landratswahlen in der Prignitz im Mai 2022 landete der SPD-Politiker Christian Müller mit 65,5 Prozent der Stimmen deutlich vor dem mit elf Prozent gewählten zweitstärksten Kandidat Jean-René Adam von der AfD. Was würde sie ihm sagen, sollten sie sich doch einmal begegnen? "Ich würde ihn fragen, wie er sich einer Partei zugehörig fühlen kann, die faschistisches Gedankengut derart propagiert. Ob das wirklich sein Ernst sein kann, dass er alles in diesem Land, was anders, fremd oder bunt ist, ausmerzen will, so wie es die Nazis gemacht haben."

Demo als Startschuss?

Aus ihrem Dorf kamen bislang zwei Reaktionen: eine positive und eine kontroverse. Mit der Person will van Bezouwen ins Gespräch gehen. Irgendwann zwischen all ihren Gruppentreffen und ihrem Engagement.

Die vergangenen zwei Wochen kommen ihr vor wie ein ganzes Jahr. So viel sei passiert, so groß habe es sich angefühlt. Ihre Hoffnung ist nun, dass ihre Demo ein Startschuss war. Dass all diejenigen nun rauskommen, die hinter diesen Fenstern sitzen, sagt sie auf dem Perleberger Marktplatz und zeigt mit ihrem Finger reihum auf die Fachwerkhäuser. "Der Protest soll sich verselbstständigen. Und anhalten."

Für künftige Aktionen hat van Bezouwen einen Whatsapp-Kanal gegründet. Am Montagabend unterstützen sie und ihre Mitstreiter eine Demo "Für Demokratie und Freiheit, gegen Faschismus und Hass" auf dem Marktplatz in Kyritz. Und dann werden, so van Bezouwens Hoffnung, im besten Fall die nächsten Demos von "Menschen aus der Mitte" angemeldet.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.01.2024, 10 Uhr

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Beitrag von Michaela Grimm

66 Kommentare

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  1. 66.

    Was Ihre wechselnde nicks bedeuten sollen ist "Wurscht", aber die Unterstellungen und Beleidigungen, die de facto den Inhalt Ihrer Kommentare ausmachen, die veraten über den Schreiber ......

  2. 65.

    Umfrage in Sachsen bedeutet aber auch, das 93% weder die SPD noch die Grünen wählen würden. Das sind auch nicht gerade rosige Aussichten. Die Linken bekommen noch weniger Zuspruch.

  3. 64.

    "schön verrechnet, wenn 63% gewählte Grüne den 37% rechtsextremen Verfassungsfeinden das politische Agieren madig machen." Mal im Ernst 63 % für die Grünen in Sachsen? Unvorstellbar. Ich begrüße jede Stimme die nicht der AFD oder der neuen Populistenvereinigung BSW zufällt aber Ihre Vorstellung, sollte diese ernst gemeint sein, wird nicht eintreten. Ich hoffe, dass die jetzt stattfindenden Demos so viele Menschen zum Nachdenken anregen, die am Ende dann auch ihr Häkchen bei einer der Demokratie nahestehenden Partei setzt. Und klar ist eine Umfrage kein Wahlergebnis, aber eine Tendenz aber diese geht hier nicht Richtung 63 % Grüne.

  4. 63.

    "bedeutet nichts anderes, als dass 63 % in Sachsen nicht die afd wählen würden." Das spielt leider keine Rolle, da die Nichtwähler nicht im Landtag vertreten sind. Hier zählen die gewählten Mehrheitsverhältnisse" - schön verrechnet, wenn 63% gewählte Grüne den 37% rechtsextremen Verfassungsfeinden das politische Agieren madig machen. Außerdem sind Umfragewerte keine Wahlergebnisse, weshalb Verfassungsfreunde keine Panik kriegen, denn das ständige Abwerten und Abwerten von Flüchtlingen (sind übrigens auch Menschen, deren Würde unantastbar ist) hat sich längst abgenutzt. Mancher Ewiggestrige fragt sich, weshalb die Demoaufrufe nicht boykottiert werden. Da das Gegenteil der Fall ist, bilden die Demos logischerweise den vorgezogenen Wahlkampf denkender Demokraten.

  5. 62.

    Liebe Frau van Bezouwen, ich danke Ihnen für Ihr Engagement und wünsche Ihnen und uns allen, dass sich noch mehr Menschen gerade auch in kleineren Orten anschließen und deutlich machen, dass 23,5 Prozent leider viel zu viele sind, aber noch lange nicht das Volk.

  6. 61.

    "Er meint, er wäre der Held der Arbeiterklasse. nun ist die Frage welcher Partei er nahe steht. "

    Nein.. und keiner.

    Sie haben weder Ahnung was mein nick bedeutet, noch von Politik oder Geschichte. Sie sollten deshalb das kommentieren anderen überlassen. Auch wenn sie gerne Schmutzkampagnen für die rechtsextreme AfD erledigen.

  7. 60.

    Bis zur Bundestagswahl wird solange demonstriert, bis die Rechtsextremen Kopfschmerzen bekommen. Sollte diese Sorte an die Macht kommen, gibt es zivilen Ungehorsam bis es quietscht. Correctiv wird hilfreich dazu beitragen, Verfassungsfeinde auf Planeten zu remigrieren.

  8. 59.

    "Beweisen sie das Gerichtsfest, es langweilt langsam" Dazu verpflichtet mich niemand, schon garnicht in unserer freiheitlichen Demokratie, die ich nicht von rechtsextremen Verfasungsfeinden abgeschafft sehen möchte.

  9. 58.

    Seit wann antworten sie in sachlicher Form? Sie betreiben hier ständig plumpe Propaganda für ihre rechtsextreme "Partei" und diffamieren Andersdenkende.

    Sie besitzen auch keine Meinung, dafür aber eine gefestigte rechtsextreme Gesinnung. Jetzt versuchen sie sich also auch noch als Opfer zu inszenieren, ganz so wie ihre Pg von der rechtsextremen AfD.

  10. 57.

    "bedeutet nichts anderes, als dass 63 % in Sachsen nicht die afd wählen würden." Das spielt leider keine Rolle, da die Nichtwähler nicht im Landtag vertreten sind. Hier zählen die gewählten Mehrheitsverhältnisse.

  11. 56.

    Mehr haben sie nicht zu bieten außer Springers Hetzblatt für den gehobenen Mittelstand? Für die "Welt" ist doch schon die CDA als kommunistisch verdächtigt.

  12. 55.

    An alle die meinen die AFD hätte auch Themen die über die Migration hinausgehen denen empfehle ich mal sich die Reden der AFD im Bundestag anzusehen. Nach spätestens 2 Minuten ist der Schuldige für die aktuelle Situation gefunden: Flüchtlinge. Aber nein, die Aussage sie hätte keine anderen Themen stimmt nicht. Andere Themen sind: Unterstützung des Aggressors Russland und ganz wichtig Abschaffung von Subventionen. Diese stellen ja einen Eingriff in die freie Wirtschaft dar. Allen die sich durch die AFD vertreten fühlen, sollten hinterfragen, ob sie sich auch vertreten fühlen wenn deren Maßnahmen greifen. Ich denke viele würden sich wundern wenn sie auf die Position der Flüchtlinge nachrücken (Schlagwort Bürgergeld). Und zum Thema Landwirtschaft: Subventionen sind auch hier Eingriff in die freie Wirtschaft. Wo holt sich die Wirtschaft im Zweifelsfall wohl günstige Lebensmittel? Dann wohl eher im Ausland. Ach ja da gibt dann Strafzölle.

  13. 54.

    Da freut sich der "Völkische Beobachter", gelle?

    Evt. zu früh.

    P.S. Sachsen ist nicht Brandenburg.

  14. 53.

    Umfrage ist nicht Wahlergebnis, sonst bräuchte nicht mehr gewählt zu werden. Umfrage Sachsen: AfD kommt auf 37 Prozent >> bedeutet nichts anderes, als dass 63 % in Sachsen nicht die afd wählen würden.

  15. 52.

    keine Probleme mit der Unterbringung und der Intergration der Zugewanderten gab es offensichtlich bei der Zuwanderung der Hugenotten, in der BRD durch die Gastarbeiter (infolge Arbeitskräftemangel), in der ddr durch Vertragsarbeiter. Nun besteht schon länger Fachkräftemangel. Die rechtsextremen wünschen den Fachkräfemangel bestehen zu lassen.

  16. 51.

    Die AfD wird sich freuen, denn das Problem der Migration faßt die Ampel nicht an.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/plus249727792/Zuwanderung-Wie-der-Kurswechsel-der-Regierung-bei-Migration-in-der-Praxis-verpufft.html

  17. 50.

    "Bei den letzten Landratswahlen in der Prignitz im Mai 2022 landete der SPD-Politiker Christian Müller mit 65,5 Prozent der Stimmen deutlich vor dem mit elf Prozent gewählten zweitstärksten Kandidat Jean-René Adam von der AfD."

    Das war einmal. Umfrage Sachsen: AfD kommt auf 37 Prozent – SPD könnte aus dem Landtag fliegen.
    In Brandenburg fliegt sie sicherlich nicht aus dem Landtag, In der ehemaligen SPD Hochburg belegt sie nach Umfragen den dritten Platz mit 17 Prozent.

  18. 49.

    Im Grunde genommen hat die rechtsextreme AfD und ihr faschistischer und völkisch-nationaler Kern nur ein Thema.

    Die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung einer faschistischen Diktatur. Ob nun EU oder Einwanderung, es geht immer um das gleiche Thema. Ob nun Massendeportationen nach bekannten Vorbild oder die Liquidierung des politischen Gegners. Alles bekannt.

    "Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde."

  19. 48.

    So wie sie ihr "Gehirn einschalten"? Nein, danke. Meinem Gehirn sind ihre rechtsextremen Gedankengänge fremd.

  20. 47.

    Im Grunde genommen hat die rechtsextreme AfD und ihr faschistischer und völkisch-nationaler Kern nur ein Thema.

    Die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung einer faschistischen Diktatur. Ob nun EU oder Einwanderung, es geht immer um das gleiche Thema. Ob nun Massendeportationen nach bekannten Vorbild oder die Liquidierung des politischen Gegners. Alles bekannt.

    "Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde."

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