2:3-Niederlage in der Champions League - Der 1. FC Union wiederholt seine Fehler

Mi 04.10.23 | 09:07 Uhr | Von Till Oppermann
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Union Stürmer Kevin Volland schlägt die Hände vors Gesicht. (Bild: IMAGO / RHR-Foto)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.10.2023 | Tabea Kunze | Bild: IMAGO / RHR-Foto

Gegen Braga schoss der 1. FC Union in einer Halbzeit doppelt so viele Tore wie im ganzen Monat September. Weil die Mannschaft defensiv weiter die gleichen Fehler macht, setzte es die sechste Niederlage in Serie. Von Till Oppermann

Historisch war er schon, der Abend im Berliner Olympiastadion. So viele Unioner auf einem Haufen in einem Stadion gab es noch nie. Über 73.000 strömten gen Westen, um das erste Champions-League-Heimspiel der Vereinsgeschichte zu sehen. Gerade genug, um sicherzugehen, dass jeder live im Stadion geschmeckt hat, dass es als Union-Fan dazugehört, auch mal richtig bitter zu verlieren. Obwohl Braga mehr Ballbesitz hatte, dominierten die Eisernen das Spiel: 2:0 stand es nach 37 Minuten. Ab da ging es bergab. In der 94. Minute erzielten die Portugiesen den Siegtreffer.

Unglücklicher Spielverlauf

"Wie viele Schläge kann man einstecken", fragte sich Trainer Urs Fischer nach dem späten Gegentor. Der 1. FC Union verlor erneut und steht an einem Punkt, der für viele im Umfeld der Eisernen schwer einzuordnen ist. In den letzten fünf Jahren hatte der Verein durchgehend Erfolg, aber jetzt hat Union sechsmal hintereinander verloren. Soll man sich jetzt darüber freuen, dass Union vor so einer unglaublichen Kulisse europäisch spielt, oder darüber ärgern, dass es in dieser Saison noch gar nicht läuft?

Auf den Tribünen mischte sich trotziger Stolz mit Ärger über das nächste späte Gegentor und das nächste Spiel, das Union trotz besserer Chancen verloren hat. "Enttäuschung trifft es gut", sagte Urs Fischer. "Aber ich kann nicht wütend sein auf meine Mannschaft nach dieser Leistung."

Union besinnt sich auf alte Stärken

Im Vergleich zur letzten Bundesliga-Niederlage in Heidenheim setzte Fischer wieder auf Unions bewährtes 5-3-2-System. Der dritte Stürmer David Datro Fofana musste einem weiteren Mittelfeldspieler weichen. Union stand etwas tiefer als in den letzten Spielen, wollte den Gegner kommen lassen. Bragas Trainer Artur Jorge hatte in dieser Saison schon mehrmals davor gewarnt, dass seine Mannschaft mit Gegnern Probleme hat, die vor dem eigenen Strafraum ein enges Netz stricken. Unions Stürmer attackierten Bragas Spielaufbau erst ab der Mittellinie, hinter ihnen standen zwei enge Abwehrreihen.

Trotzdem spielte Jorges Team auch in Berlin viele kurze Pässe und seine Außenverteidiger rückten so weit aus der Viererkette nach vorne, dass die Portugiesen effektiv nur noch mit den zwei Innenverteidigern und Sechser Al-Musrati standen, wenn Union den Ball eroberte und schnell in die Spitze spielte. Beide Tore fielen, nachdem Sheraldo Becker jeweils über die linke Abwehrseite von Braga in die Tiefe geschickt wurde.

Unions Umschaltspiel war am Dienstag wieder auf dem Niveau der letzten Jahre. Die Mannschaft spielte konsequent die richtigen Lücken an. "Es waren sehr gute erste 35 Minuten mit zahlreichen Möglichkeiten", so Fischer. "Das 2:0 war wirklich verdient."

Enttäuschung trifft es gut. Aber ich kann nicht wütend sein auf meine Mannschaft nach dieser Leistung.

Urs Fischer, Trainer 1. FC Union Berlin

Abwehrfehler wiederholen sich

Leider klang Fischers "war" verdächtig nach seinen Interviews in den Wochen vor dem Heimdebüt im Olympiastadion. Auch in den Ligaspielen gegen Wolfsburg, Hoffenheim und Heidenheim hatte Union ausreichend Chancen, um zu gewinnen. Punkte holte Union keine, vor allem weil im gesamten September nur ein Tor gelang. Gegen Braga waren es innerhalb von sieben Minuten ab der 30. Spielminute gleich zwei. Für den Sieg reichte das trotzdem nicht, weil Union nicht in der Lage war, die Führung zu verteidigen.

Man sei natürlich leer, beschrieb Janik Haberer die Gefühlslage der Mannschaft. Bei Union sei der Wurm drin, schloss er an. Das klingt so, als wären die Spieler langsam ratlos und würden die aktuellen Probleme als höhere Gewalt einordnen. Dabei gibt es auch für die Treffer von Braga eine fußballerische Erklärung: Bei allen drei Gegentoren blieb der Rückraum vor dem Strafraum ungedeckt. Auch gegen Heidenheim, Real Madrid und Leipzig kassierte Union Tore aus dieser Zone. Wenn Jannik Haberer also sagt: "Wir kriegen den nächsten Schuss aus 25 Metern", dürfen Union-Fans durchaus besorgt sein. Denn wenn eine Mannschaft regelmäßig denselben Fehler macht, ist Glück oder die sportliche Klasse des Gegners keine hinreichende Erklärung mehr für die Gegentore.

Khedira und Knoche fehlen

Zumal Union gegen Braga die Spielanlage der letzten Saison kopiert hat. Doch damit kam die Sicherheit nicht wieder. Dass eine 1:0-Führung der Eisernen in der letzten Saison quasi dem Sieg gleichkam, war kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer perfekt eingestimmten Mannschaft. Der größte Unterschied zur Vorsaison sind die Verletzungen von Rani Khedira und Robin Knoche.

Das wurde in den letzten Wochen häufig analysiert und eigentlich müssten Neuzugänge wie Leonardo Bonucci, Alex Kral und Lucas Tousart in der Lage sein, sie zu ersetzen. Scheinbar hat sich die Tektonik der Mannschaft aber derart verschoben, dass das nächste Gegentor - oder das nächste Erdbeben im Rückraum - nie weit entfernt ist. "Auch nach diesem Schlag gilt es, wieder aufzustehen", forderte Urs Fischer.

Auf die Fans ist Verlass

Zumindest auf die Fans kann sich Union dabei verlassen. Auch wenn sich in der Champions League gegen Braga wenig anfühlte wie bei einem normalen Heimspiel in der Alten Försterei: "FC Union, unsere Liebe, unsere Mannschaft, unser Stolz, unser Verein" hallte noch lange nach Abpfiff von den Rängen des Olympiastadions, obwohl dort niemand wie zuhause in Köpenick den Text vom Dach ablesen konnte. Das war das Positive: Welche Massen Union mittlerweile in Berlin bewegt, wurde noch nie so klar wie an diesem Abend in der Champions League.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.10.2023, 9:15 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

13 Kommentare

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  1. 13.

    ... und übrigens auch nicht die Trikots abgeben müssend.
    Kleiner feiner Unterschied!
    P.S. Ich schätze die eigentlichen Herthaner. Weniger die geborgten Stasi-Freunde aus Hohenschönhausen.

  2. 11.

    was ist Ballbesitz?? fast IMMER wenn Union mehr hat, gewinnt man nicht. Umkehrspiel ist das Zauberwort. dann gewinnen wir meist. Gestern wars prima die erste HZ. dann hinten die beschriebenen Fehler.
    EISERN

  3. 10.

    Ich hatte schon vor zwei oder drei Wochen darauf hingewiesen, dass es bei Union, wie überall im Leben, nicht nur bergauf gehen kann. Das Tempo der letzten 4 Jahre war für mich beängstigend. Nun ist Union an einem Punkt angekommen, wo es ganz schnell zu realisieren gilt, dass es diesesJahr maximal um einen Platz im gesicherten Mittelfeld geht. Ganz schnell sich klar machen, dass die 36 - 40 Punkte dringend im Auge behalten werden müssen.
    Auf geht‘s!

  4. 9.

    Kein Fußballer braucht "konstruktive Kritik" von 70.000 Fans, die sich alle für den besten Trainer Deutschlands, wenn nicht gar weltweit halten. Sie gehören sicher auch zu denen, die immer eine Lösung haben, selbst wenn Trainer und Stab noch nach Wegen suchen ;-)
    Das Team braucht Unterstützung, gerade auch in schwierigen Zeiten. Die bekommt Union von seinen Fans seit jeher.
    und was den Ehrgeiz angeht. ohne diesen stünde ein Verein wie der 1.FC Union Verlin e.V. nicht dort, wo er jetzt ist. Überzogener Ehrgeiz hat schon so manch andere zum Scheitern gebracht. Kennste? ;-)

  5. 8.

    Genau. Die Fußballer bekommen nicht mal konstruktive Kritik. Die Fans reden alles schön, weil es nur um Spaß geht. Absolute Spassgesellschaft ohne Ehrgeiz.

  6. 7.

    Die Fans werden auch weiterhin Spaß haben, ob verloren oder anderes. Mal bei solch vollem Haus sei Ihnen das gegönnt. Aber am we in Dortmund wird es anders sein, wenn ein starker Gegenwind aus der gelben Wand wehen wird und "rot nicht zu hören ist. Auf in den Abstiegskampf.

  7. 6.

    Sehr gute Analyse. Respekt!
    Ich habe die Fehler gestern genau so live gesehen, wie beschrieben. Zwei Ecken, Zwei mal keine Deckung im Rückraum, zwei Distanzschüsse, die passten, wobei Fredi den einen noch abklatschen konnte, aber leider vor die Füße des Gegners. Dazu ebenfalls aus der Distanz der ko-Schuss in der 94. Minute ohne Gegenwehr. Ja, schade um den ersten Sieg oder Punkt. Jedoch wird das Team daraus lernen und es besser machen. "Wir werden ewig leben"
    Auf geht´s Union.

  8. 5.

    Statistik lügt nicht: Ballbesitz Union 40, Braga 60 Prozent. Ja Union hat auch Pech (siehe Traumtore wie in Heidenheim und gestern 2-tes Tor) aber auch Taktik, die schief gehen kann - keine Beruhigungsphasen und viele lange Bälle die nicht immer Becker erreichen. Ich denke man sollte was umstellen und mehr "Fußball spielen lassen" bzw. versuchen mehr Kontrolle zu bekommen. Volle Konzentration auf Bundesliga: 30-34 Punkte sind noch zu holen!

  9. 4.

    Falls Sie Ihre Aussage mit Schadenfreude geschrieben haben, sei Ihnen gesagt, dass Fußball grundsätzlich der Unterhaltung, also dem Spaß der Fans dienen und nicht die Kassen zwiespältiger, windiger Investoren füllen sollte.
    Das ist eben der Unterschied in den Philosophien zwischen einem Verein und einer Kapitalgesellschaft.
    Stimmt, Klassenerhalt ist das Saisonziel. und wenn ich ergänzen darf: Für den Verein und die Fans alles geben.

  10. 3.

    Sehr gute Analyse. Respekt!
    Ich habe die Fehler gestern genau so live gesehen, wie beschrieben. Zwei Ecken, Zwei mal keine Deckung im Rückraum, zwei Distanzschüsse, die passten, wobei Fredi den einen noch abklatschen konnte, aber leider vor die Füße des Gegners. Dazu ebenfalls aus der Distanz der ko-Schuss in der 94. Minute ohne Gegenwehr. Ja, schade um den ersten Sieg oder Punkt. Jedoch wird das Team daraus lernen und es besser machen. "Wir werden ewig leben"
    Auf geht´s Union.

  11. 2.

    Hauptsache die Fans haben ihren Spaß. Rest egal. Klassenerhalt war ja das Saisonziel.

  12. 1.

    Union ist ein Phänomen und wird aus seinen Fehlern lernen. Der Kopf ist blockiert. Union muss seine Coolness wiedererlangen. Die neuen haben noch keine 100%ige Union DNA.

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