Kanusport - Olympiasieger Sebastian Brendel fährt absichtlich hinterher
Kanute Sebastian Brendel hat alle großen Titel gewonnen, will aber mehr. Auch vor seinen fünften Olympischen Spielen ist der Potsdamer der beste Deutsche im Einer-Canadier. Um konkurrenzfähig zu sein, hat er sich besondere Sparringspartner gesucht.
"Nur den Weg zur Hölle fährt man so schnell", tönt es aus dem Motorboot zu den Athleten. Arndt Hanisch fährt entspannt neben den schmalen, weißen Booten, in denen die Sportler schwitzen. Die eine Hand hat er an der Stoppuhr, die andere am Gas. Der Kanu-Bundestrainer beobachtet Sebastian Brendel, der im Canadier kniet und seinen Kollegen, der daneben im Kajak sitzt.
In Florida bereiten sich die Kanuten auf das anstehende Olympia-Jahr vor. Dreieinhalb Wochen lang entfliehen sie dem deutschen Winter und versuchen, möglichst viele Kilometer zu sammeln. Bei rund 25 Grad lassen sich mehr Trainingseinheiten einbauen. Bis zu vier Mal am Tag geht es aufs Wasser oder in den Kraftraum.
"Es ist ein sehr, sehr anstrengender Trainingsblock, aber auch ein sehr wichtiger", erklärt Sebastian Brendel, der sich auf seine fünften und letzten Olympischen Spiele in Paris vorbereitet. Sein Knie tue weh und die Arme würden schmerzen, "aber das geht alles wieder vorbei. Da muss man sich jetzt ein bisschen durchquälen."
Vertrautes Florida vor Olympia
Der Potsdamer hat eigentlich schon alles in seinem Sport erreicht. Bei der Kanu-Sprint-WM im August holte er die 60. internationale Medaille seiner Karriere. Brendel ist mit 35 Jahren dreifacher Olympiasieger, Welt- und Europameister. 2016 wurde ihm in Rio die Ehre zu teil, die deutsche Fahne bei der Abschlussfeier der Sommerspiele ins Maracana-Stadion zu tragen. Und trotzdem soll es weitergehen: "Das Training macht mir nach wie vor sehr viel Spaß. Der Körper macht noch mit und natürlich habe ich meine Ziele, die ich erreichen möchte."
Der Fluss in Florida ist für Sebastian Brendel fast schon ein alter Bekannter. Auf den Pollern am Wasser rasten immer mal wieder Pelikane und manchmal tauchen auch Delfine neben den Booten auf. Der Kanute schätzt, dass er schon mehr als 20 Trainingslager hier absolviert hat. Dieses Mal wohnen sie mit neun Athleten in einem Haus. "Es ist auf jeden Fall ein riesiges Privileg, dass wir jedes Mal herfahren können. Es ist mit hohen Kosten und einem hohen Aufwand verbunden. Deswegen ist die Zeit auch relativ lang", sagt der 35-Jährige.
Zeit für ein bisschen Spaß abseits der Olympiavorbereitung ist in Florida trotzdem. Am freien Tag geht es an den Strand und in der Dunkelheit auch mal mit dem Golfcart durch eine der Wohnsiedlungen, die in der Weihnachtszeit über und über mit Lichterketten und riesigen Plastikfiguren dekoriert sind.
Verändertes Trainingsumfeld
Während die Umgebung gewohnt ist, hat sich Brendels Trainingsroutine im Laufe der Jahre geändert. Da wären einerseits die längeren Regenerationsphasen: "Ich mache viel Physio und versuche mich zu dehnen, was im Alter natürlich immer länger dauert und schwieriger wird, aber noch geht es ganz gut."
Und dann ist da noch die neue Trainingsgruppe: Er trainiert verstärkt mit den Kajakfahrern. "Die sind natürlich deutlich schneller als ich, aber ich versuche, wirklich in jeder Trainingseinheit an meine Grenzen zu gehen", so Brendel. Er muss deutlich mehr Kraft investieren, um mitzuhalten. Im Wettkampf ist der Einer-Canadier auf 1.000 Metern rund 40 Sekunden langsamer als der Einer-Kajak.
Paris 2024? "Wirklich noch ein ziemlich langer Weg"
Seine Kajak-Kollegen sollen Brendel in der Olympiavorbereitung einen Anreiz geben. Über Paris 2024 möchte er aber eigentlich noch nicht sprechen: "Es ist wirklich noch ein ziemlich langer Weg. Jetzt ist erstmal wichtig, dass man hier gut durchkommt. Desto mehr Trainingstage und -einheiten verstreichen, desto klarer wird das Ziel dann natürlich auch."
Nur sechs der neun Athleten, die in Florida trainieren, können in etwas mehr als sieben Monaten im Stade nautique de Vaires-sur-Marne, das östlich von Paris liegt, an den Start gehen. Laut Bundestrainer Arndt Hanisch macht sich das bemerkbar: "Es ist immer unausgesprochen, aber komischerweise merkt man es. Es ist ruhiger. Es ist konzentrierter."
Aktuell ist Brendel der beste Deutsche im Einer-Canadier. "Man weiß natürlich, den Trainingspartnern von hier muss man sich dann am Ende auch stellen. Spätestens zur nationalen Qualifikation. Da müssen alle an die Startlinie und es wird sich zeigen, wer gut gearbeitet hat", sagt Sebastian Brendel. In seiner letzten Olympiasaison wolle er nochmal alles investieren. Und dazu gehört auch, dass er gerade der Langsamste zwischen den Einer-Kajaks ist, um unter den Canadiern am Ende der Schnellste zu sein.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 13.12.2023, 19:30 Uhr