Interview | Kathrin Seufert - Was eine Sportpsychologin Top-Athleten für die heiße Saisonphase rät
Im Frühling bricht in vielen Sportarten die entscheidende Saisonphase an. Für Profis bedeutet das mentalen Druck. Die Sportpsycholgin Kathrin Seufert erarbeitet Techniken mit ihren Klienten, damit sie mit der Belastung umgehen können.
rbb|24: Frau Seufert, sind Ihre Beratungen im Frühjahr besonders gefragt, wenn in zahlreichen Teamsportarten die heiße Saisonphase losgeht?
Kathrin Seufert: Zum Glück nicht, weil sich viele schon früher darauf vorbereiten. Ich glaube, da würden ohnehin die meisten realistisch einschätzen können, dass so zeitnahe Veränderungen schwierig wären.
Einige Athleten drehen in der Schlussphase der Saison richtig auf, beispielsweise in den entscheidenden Playoff-Spielen. Was machen diese Sportler richtig?
Zunächst kennen sie sich selbst am besten und wissen, wie sie mit diesen besonderen Situationen umzugehen haben. Sie schaffen es, ihre Fähigkeiten mit Fokus auf die heiße Phase zu bündeln und dann im Wettkampf einzusetzen. Ich bin mir sicher, dass auch viele von denen – ob bewusst oder unbewusst – über Techniken verfügen, um dann gut umgehen zu können mit externen Faktoren wie Stress, zeitlichen Abläufen oder Wettkampfplänen.
Worauf kommt es psychologisch in der heißen Phase der Saison vor allem an?
Das ist unterschiedlich. Der eine hat die Fähigkeit, an sich zu glauben und hat das präsent, was ihn oder sie auszeichnet. Die anderen legen den Fokus auf die Regeneration und schaffen es, abzuschalten. Manchmal liegen zwischen einer absolvierten Partie und der Vorbereitung auf das neue Spiel ja nur ein paar Stunden. Manchen fällt es schwer, das Erlebte zu verarbeiten und sich dann neu zu fokussieren auf das Anstehende. Es ist eine Herausforderung, die gemeistert werden muss, um dann wirklich bei jedem Spiel performen zu können.
Welche Denkweise, welche innere Haltung versuchen Sie bei Ihren Klienten hervorzukitzeln?
Mein sportpsychologischer Ansatz ist, dass man auf die verschiedenen Phasen schaut, die in der Saison passieren und sich überlegt: Was brauche ich in meinem Werkzeugköfferchen, in meinem Methodenkoffer, um sich daraus in der heißen Episode einfach nur noch bedienen zu müssen? Sodass man gar nicht mehr viel ins Nachdenken oder Erproben kommen muss, weil dafür auch einfach keine Zeit ist. Das Wissen um die zur Verfügung stehenden Methoden und welche Dinge man einsetzen kann, das ist, glaube ich, dann das Entscheidende in so einer knackigen Phase.
Was kann helfen, um den Fokus zu wahren?
Rituale können helfen, die dann im Spieltag angewandt werden. Denn sie binden keine gedanklichen Ressourcen, man muss sich nicht fragen: Was mache ich als nächstes? Feste Abläufe können den Athleten einfach auch in den Wettkampfmodus bringen.
Das heißt, es ist mehr als nur Aberglaube, wenn Fußballprofis bei ihrer Einwechslung noch mit den Händen den Rasen berühren oder sich standesgemäß bekreuzigen?
Ja. Abläufe, die fest automatisiert sind, verhindern, dass dem Gehirn zu viel Platz für externe Problematiken gegeben wird. Sondern man kann sich an Gewohnheiten entlanghangeln, das gibt Sicherheit. Wir sind von Natur aus gewohnheitsliebend. Deswegen macht es Sinn, zu schauen, dass man nicht zu viele Ressourcen verliert und dadurch weiteren Stress aufbaut.
Wie wichtig ist Schlaf?
Enorm wichtig. Schlaf ist eines der wichtigsten Regenerationsmittel, das wir haben. Gerade in der entscheidenden Saisonphase ist erholsamer Schlaf enorm wichtig.
Aber wie lässt sich erholsamer Schlaf trainieren? Gerade beim anstrengenden, dichten Spielkalender zum Ende der Saison dürften bei so manchem die Gedanken schwirren.
Es gibt eine Bandbreite von Techniken, je nach Typ. Zum Beispiel die Gedankenstopptechniken, bei denen man sich sagt: "Ich gebe mir ein gewisses Zeitfenster, in dem ich das Spiel noch mal Revue passieren lassen darf, wo ich noch mal die wichtigsten Fakten sammle." Das lässt sich auch visuell erledigen: Mit einer Schatzkiste, wo Erfahrungen, die wichtig waren, die man behalten möchte, reinkommen, und einem Mülleimer, wo Dinge hineinkommen, die man nicht mehr braucht. Helfen kann auch, sich für diese Gedanken eine bestimmte Zeit zu geben, das mit einem Wecker zu stoppen und dann zu sagen: danach ist auch Schluss.
Als Gedankenexperiment: Was würde passieren, wenn ein Nicht-Profisportler plötzlich einer Play-off-Drucksituation ausgesetzt werden würde? Würde die Person dieser mentalen Belastung überhaupt standhalten können?
Ich glaube schon, dass man in vielen anderen Berufen auch schnell und präzise auf den Punkt da sein muss. Wenn ich beispielsweise an Ärzte denke, die auch innerhalb kürzester Zeit performen müssen, weil der nächste Notfall reinkommt. Das funktioniert auch. Ich glaube, dass das viel mit Trainings zu tun hat. Und die, die Profisport auf höchstem Niveau betreiben, die machen das ja auch ihr halbes Leben lang schon und sind da ebenfalls reingewachsen, haben Fähigkeiten gelernt, um damit umgehen zu können, in gewissen Teilen auf jeden Fall.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.03.2024, 17:15 Uhr