Weltneuheit - Cottbuser Mediziner testen kabellose Patienten-Überwachung

Do 05.10.23 | 11:47 Uhr
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Bei einer Frau wird Blutdruck gemessen (Quelle: imago/Science Photo Library)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 24.10.2023 | Phillipp Manske | Bild: imago/Science Photo Library

Am Cottbuser Klinikum testen Forscher aktuell einen neuen Weg, Vitalparameter von Patienten zu messen. Kabel sollen dafür nicht mehr nötig sein - das Medizinradar ist im Krankenbett verbaut und misst Puls, Atmung, Blutdruck und vieles mehr.

Das erste, um das Robert Holzschuh die Probandin bittet, ist, sich ins Bett zu legen - im Dienste der Wissenschaft. Für die Forschungstochter des Cottbuser Thiem-Klinikums (CTK), die Thiem-Research, leitet er das Projekt Medizinradar. Dafür soll die Probandin auf dem Bett allerdings ausdrücklich bekleidet bleiben.

Das Medizinradar ist eine Weltneuheit in der Medizin und ein Kooperationsprojekt zwischen der Cottbuser Uni in Verbindung mit dem Fraunhofer Institut für Mikrosysteme, dem CTK und der Thiem Research. Außerdem war das Leibnitz-Institut IHP in Frankfurt (Oder) beteiligt, entwickelte beispielsweise einen der zentralen Chips, um das Medizinradar zum Laufen zu bringen. Es soll den Ärzten und Pflegern ermöglichen, sämtliche relevanten Gesundheitsdaten, die Vitalparameter eines Patienten, zu messen, ohne dass auch nur ein einziges Kabel verlegt oder angeschlossen werden muss. Nach den ersten Tests können die Forscher bereits sagen: Es funktioniert!

Blutdruck, Puls, Atmung und mehr

Zunächst muss das Medizinradar kalibriert werden. Das Gerät gibt ein leichtes Summen von sich. Dann beginnt die Messung. "Das Medizinradar ist jetzt unter dem Bett eingebaut und misst durch die Matratze, durch die Kleidung kontaktlos deine Vitalparameter", erklärt Robert Holzschuh der Testperson.

Auf einem Bildschirm werden alle wichtigen Messwerte angezeigt. Daneben steht Chefarzt Dirk Grosse Meininghaus, der das Projekt von Klinikseite betreut. "Wir bekommen nicht nur die Pulswellen mitgeteilt, sondern kriegen über diese Wellen auch Informationen, wie kräftig schlägt das Herz", sagt er. Man könne den Blutdruck messen, wenn das Gerät entsprechend kalibriert ist und es sei möglich abzulesen, wie schwer oder wie leicht die Atmung dem Patienten fällt. "Wir bekommen einen tieferen Einblick in die Gesundheit und Krankheit der Menschen", fasst er zusammen.

99 Prozent Genauigkeit während der ersten Testphase

Die Kabel, sagt Grosse Meininghaus, die sonst zum Messen nötig sind, seien vielen Patienten lästig - und den Pflegekräften ebenso. "Kabel können nachts lästig sein, wenn man sich einwickelt", erklärt der Chefarzt. "Aber es gibt auch Menschen, die das Kabel einfach nicht an sich ranlassen." Kleine Kinder könnten das etwa sein, genauso wie hochbetagte Patienten. "Und dann ist auch auch eine große Belastung für das Personal." Vor allem in Pflegeheimen könnte die Technologie zukünftig genutzt werden, aber auch bei schweren Fällen, wie beispielsweise von Verbrennungsopfern.

In jeder Testphase wird das System weiter optimiert. Seit mittlerweile einem Monat laufen die Versuche. Mittlerweile könne man sagen, dass das Radar seht gut misst, so Holzschuh. "Wenn der Patient auf dem Rücken liegt, haben wir eine Genauigkeit von 99 Prozent im Vergleich zum Referenzgerät", also zum herkömmlichen Messen. Es gebe aber auch Störfaktoren, etwa wenn der Patient spricht oder sich bewegt. Mit der Studie erhoffen sich die Forscher mehr Daten, um diese Störelemente herausrechnen zu können, erklärt Holzschuh.

Weltweite Neuheit aus Cottbus

Auch Harald Schenk, Physikprofessor an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Mitentwickler des Medizinradars, beobachtet die aktuellen Tests genau. Er hofft, dass die Erfindung nach der Testphase auch wirklich genutzt wird. "Das, was hier in dem System verbaut worden ist, ist eine Entwicklung, die hat weltweite Alleinstellungsmerkmale", sagt Schenk.

Die Größe des Gerätes sei beispielsweise herausfordernd. Schließlich muss es unter ein Bett passen - perspektivisch auch unter die Trage eines Rettungswagens. "Ich glaube, es wäre für die Region Cottbus und die Lausitz hervorragend, wenn wir das demonstrieren können, dass solche Entwicklungen auch zum Erfolg führen, ein eigenes Produkt zu haben", sagt er.

Noch in diesem Jahr soll die zweite Testphase beginnen, die dritte und letzte - dann mit echten Patienten - im nächsten Jahr. Vielleicht werden danach Patienten weltweit mit kabelloser Messtechnik Made in Cottbus überwacht.

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.10.2023, 16:40 Uhr

3 Kommentare

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  1. 3.

    " . Deshalb bitte mehr Personal in den Pflegheimen! "

    bekannterweise wegen Personalmangel nicht möglich

  2. 2.

    Können diese Geräte auch messen, ob ein Mensch, der ja vielleicht ans Bett gefesselt ist, Schmerzen hat oder sich unendlich allein und verloren fühlt? Wir brauchen wieder viel mehr Menschlichkeit in der Pflege! Maschinen können deshalb nie die persönliche Zuwendung eines Menschen ersetzen. Deshalb bitte mehr Personal in den Pflegheimen! Es sollte unbedingt auch Personal geben, das sich um die menschliche Zuwendung kümmert.

  3. 1.

    Es fehlt unbedingt die begleitende grundrechtliche Klärung und Beschränkung, von vornherein und nicht erst nach Missbrauchsfällen: Diese Technik steht dann jeder Regierung in jedem System zur Verfügung, auch hierzulande.
    Bsp.: Erinnern wir uns an Covid-Regelungen, Erwägungen zur Vergabe von Beatmungsplätzen oder Betten, Triage usw. D war wieder mal nicht vorbereitet, nun wird solche Technik entwickelt – und muss rechtlich klärend-vorbeugend begleitet werden!
    Auch unfreiwillige Massenüberwachung im Pflege-/Altenheim muss thematisiert und geklärt werden. Es gab bereits Anläufe, Menschen mit dem Älterwerden (oft: Kränker- und damit Teurerwerden) weniger Leistungen des GKV-Registers zuzuteilen.
    Wie müssen uns als Gesellschaft einigen, nicht herumdoktern, wenn das Bein dick ist – und nurmehr "Experten" zugelassen werden. Das stärkt auch die Demokratie und den Zusammenhalt.

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