Berlin und Brandenburg - Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger erneut gesunken

Fr 14.04.23 | 14:17 Uhr
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Symbolbild:Schilder weisen den Weg zu der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter Berlin-Lichtenberg.(Quelle:dpa/C.Koall)
Bild: dpa/C.Koall

Die Zahl der Sanktionen von Jobcentern gegen Hartz-IV-Empfänger ist im vergangenen Jahr in Berlin und Brandenburg erneut zurückgegangen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat in Berlin insgesamt in 15.803 Fällen gegen 10.845 Personen Sanktionen ausgesprochen, wie aus Daten der Bundesagentur hervorgeht. Im vergangenen Jahr mussten 1,1 Prozent der Leistungsberechtigten mit mindestens einer Saktion belegt werden.

2021 wurden gegen 13.964 Personen Sanktionen ausgesprochen, in 10.832 Fällen und im Jahr 2020 11.463 Fälle gegen 8.841 Personen. Im Jahr 2019 - vor der Corona-Pandemie - waren es noch mehr als 116.000 Fälle.

Fälle in Berlin und Brandenburg vor Corona deutlich höher

Auch in Brandenburg sind die Leistungsminderungen rückläufig. Im vergangenen Jahr gab es laut Bundesagentur 7.346 Sanktionen gegen 4.266 Personen. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 10.818 Sanktionen gegen 6.296 Personen und im Jahr davor 8.738 Leistungsminderungen gegen 5.199 Empfänger.

Wie in Berlin lagen die Fälle der Sanktionierungen vor der Corona-Pandemie mit 28.607 deutlich höher.

Auch deutschlandweit ist ein rückläufiger Trend laut Bundesagentur erkennbar. Demnach wurden bei 2,7 Prozent der Leistungsberechtigten das zu bezahlende Geld gekürzt - insgesamt in 148.488 Fällen gegen 99.571 Personen, wie die Bundesagentur weitermitteilte. 2021 wurden gegen 130.960 Personen Sanktionen ausgesprochen, in 193.729 Fällen. Vor der Corona-Pandemie waren es noch mehr als 800.000 Fälle.

Auch deutschlandweit ist der Trend rückläufig

Von diesem Jahr an wurden die Hartz-IV-Leistungen durch das neue Bürgergeld ersetzt. Nach Angaben der Bundesagentur müssen damit auch wieder Erstverstöße geprüft und gegebenenfalls Leistungen gekürzt werden. "Eine Pflichtverletzung liegt etwa vor, wenn eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung nicht angetreten oder abgebrochen, oder eine Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht angetreten oder abgebrochen wird", heißt es in der Mitteilung der Bundesagentur.

Hintergrund der gesunkenen Zahl von Sanktionen ist unter anderem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019, das Sanktionen an strengere Regeln knüpfte. 2022 kam ein sogenanntes Sanktionsmoratorium hinzu. Von Juli vergangenen Jahres an führte es nicht mehr zu einer Minderung der Hartz-IV-Leistungen, wenn ein Empfänger einmalig etwa eine Meldung versäumte.

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.04.2023, 19:30 Uhr

Hintergrund zu Leistungsminderungen

In die Statistik gehen laut der Bundesagentur für Arbeit nur die Minderungen aufgrund aller weiteren wiederholten Meldeversäumnisse ein. "Verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten oder liegen Meldeversäumnisse vor, können sich die Leistungen mindern", heißt es weiter. Eine Pflichtverletzung liegt demnach etwa vor, wenn "eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung nicht angetreten oder abgebrochen, oder eine Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht angetreten oder abgebrochen wird."

Ein Meldeversäumnis liegt vor, wenn Termine im Jobcenter oder beim Ärztlichen oder Berufspsychologischen Dienst ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen werden.

Bei der ersten Pflichtverletzung wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat, bei einer zweiten um 20 Prozent für zwei Monate und in der letzten Stufe um 30 Prozent für drei Monate gemindert. Insgesamt dürfen die Leistungen um maximal 30 Prozent gemindert werden. Kosten für Miete und Heizung dürfen nicht gekürzt werden.

Wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten vorliegt oder sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würden, werden keine Leistungsminderungen erhoben.

25 Kommentare

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  1. 25.

    Danke für diesen Kommentar! So ist es, und bravo für Ihre Einstellung und Umsetzung!

    Grüße auch an Tyler's Club! Das filmreife Ende scheint sich aktuell ja intern anzubahnen,
    dann wird eh alles anders.

  2. 24.

    Das Urteil vom Bundesverfassungsgericht vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 formuliert das soziokulturelle Existenzminimum als Gewährleistungsanspruch für jede:n Bürger:in/Berechtigte:n.

    Hergeleitet aus Art. 1 i. V. m. Art. 20 GG.

    Danach wurde mehrfach durch selbiges BVerfG ausgleichend festgestellt, dass der Hartz-4-Satz "gerade noch so" als die allerunterste Einkommensschwelle betrachtet werden kann. Andere – z. B. Paritätischer – haben vorgerechnet, dass selbst diese Betrachtung eben wirklich nur ein Interessensausgleich ist und eben nicht das
    grundgesetzlich garantierte soziokulturelle Existenzminimum abdeckt.

  3. 23.

    Sanktionen sind generell verboten, das Urteil vom Bundesverfassungsgericht vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 - ist noch nicht aufgehoben! Es wurde zwar später etwas verwässert, so mit max. 30% Sanktionen, aber nur wenn das Existenzminimum (was eigentlich den Regelsatz darstellt) nicht unterschritten wird. Auch die Zwangsbedarfsgemeinschaften wurden eindeutig verboten...
    Aber wen interessiert das? Man muss die arbeitenden Armen mit den nichtarbeitenden Armen spalten, nicht etwa gegen die nichtarbeitende Reiche.

  4. 22.

    "Es wird aber oft auch mißbraucht." Die Mißbrauchsquote wird von der Arbeitsagentur mit 1,9 % angegben.

    Selbst die BfA räumt ein, dass z.B. Überzahlungen oft ohne absichtliches Fehlverhalten der Betroffenen entstehen.

  5. 21.

    das ist der mit abstand intelligenteste kommentar, den ich seit sehr, sehr langer zeit gelesen habe.
    den zusammenhang zwischen klimawandel und den meisten hausgemachten problemen der konsumorientierten gesellschaft, erkennen bedauerlicherweise die wenigsten.
    zumal der konsum weder glücklicher noch zufriedener macht. wie hat es ein schlauer charakter einst formuliert:
    we buy things we don't need, with money we don't have, to impress people we don't like. tyler d

  6. 20.

    Trösten Sie sich: wenn ab 2025 die Boomer in Rente gehen, sinkt die Zahl der Steuerzahler. Somit müssen die restlichen Steuerzahler mehr zahlen. Zu diesen Prinzip gibt's keine Alternative.

    Blauäugige Personen glauben noch, dass es Steuersenkungen ect gibt. Genau das Gegenteil ist der Fall.

    Gilt nicht nur für Steuern, sondern auch für SV Beiträge.

  7. 19.

    Ich würde auch allen helfen, aber nur per Kredit.

  8. 18.

    M.E. muss wieder zwischen "Nicht-Wollern" und "Nicht-Könnern" unterschieden werden.
    Es dürfen nicht alle in einen Topf geworfen werden.
    Mit einer solchen Unterscheidung könnten auch viel schneller und effektiver Auflagen/Sanktionen ausgesprochen und umgesetzt werden.
    Warum müssen wir uns Arbeitskräfte aus dem Ausland "holen" und finanzieren "unsere Nicht-Woller" jahrein-jahraus?

  9. 17.

    Offensichtlich verstehen viele das System nicht? Wenn man die Grenze für Sanktionen senkt, dann hat die Verwaltung weniger Arbeit, Gilt auch für das schwarz fahren, man macht es einfach straffrei, dann hat man die Verwaltung entlastet. So einfach ist das.

  10. 16.

    Wer arbeiten kann, muss dazu aufgefordert werden. Es kann nicht sein, dass immer weniger Menschen, die arbeiten, immer mehr Arbeitsunwillige mitfinanzieren und Rentner am Existenzminimum leben müssen. Es gibt genug Arbeitsangebote für alle.

  11. 15.

    Wir brauchen Gerhard Schröder, Peter Hartz & Co. zurück.

    Oder die AfD?

  12. 14.

    Armutseinwanderung funktioniert nicht und wirklich Qualifizierte tun sich D nicht an.

  13. 13.

    Warum sollte man - nur weil man 1988 in Elternzeit war - bis 2023 keinen Job mehr bekommen?
    Schauen Sie sich mal die Stellenanzeigen an!
    Es wird überall händeringend Personal gesucht.
    Ebenso bieten JobCenter und AfA zahlreiche Weiterbildungsangebote an.

  14. 12.

    Ist ja klasse, dass die Sanktionen gesunken sind.
    Das sagt mir, dass die Vermittlung hervorragend läuft.
    Komisch ist dann nur, wieso wir 3 Millionen Arbeitslose haben. Tendenz steigend.
    Wahrscheinlich sind es inoffiziell sogar 4 Millionen.
    Sorry, aber irgendwas läuft doch hier gewaltig schief.

  15. 11.

    Und all die resultierenden Armutsrentner, die 200€ "dazuverdienen" statt eine nachhaltige Lösung zu haben, soll das funktionieren?

  16. 10.

    So können Sie evtl. reden, wenn jede:r aus der Bürgerschaft ein fruchtbares Landstück zur Verfügung bekommt, um sich selbst zu ernähren.

    Tiny House + Klein-Solarstrompaneel (u. U. kleines Windrad im Garten), fertig ist die Laube.

    Und die laut Grundgesetz garantierte Freiheit der Person und Berufsfreiheit.

  17. 9.

    Die Sanktionen helfen eh nicht, also kann man sie gleich abschaffen. Wer sich was leisten will, muss arbeiten. Wem das absolute Minimum zum Überleben reicht, kann Hartz4 ("Bürgergeld") nutzen. Das ist absolut fair und so kann das System auch gut funktionieren. Ich beziehe deshalb Hartz4 und mag dieses Leben. Auf den Vorwurf "du lebst auf Kosten der Allgemeinheit" kann ich nur entgegnen: wer mehr konsumiert als ich, der tut das ebenfalls. Konsum über den Mindestbedarf hinaus, also v.a. Luxus, aber auch Reisen, Auto, TV usw., verursacht ökologische und soziale Kosten, die die Allgemeinheit trägt. Ich finde das moralisch verwerflicher als monetäre Kosten zu verursachen.

  18. 8.

    Wer da noch arbeiten geht, ist selbst schuld.

    Grundsätzlich ist Hartz IV / Bürgergeld eine gute Sache. Es wird aber oft auch mißbraucht. Auch aus Staatlicher Sicht muss mehr und schneller Integration Bsp. Bei Flüchtlingen erfolgen abstatt diese jahrelang mit Sozialleistungen ruhig zu stellen. Die Anreize zum Arbeiten werden da immer geringer. Für 100 Euro Zuverdienst konnte man früher 4 Stunden/Woche arbeiten, jetzt 2. Für Arbeitgeber nicht interessant und aufwändig

  19. 7.

    Das war nicht die Ampel, sondern das Bundesverfassungsgericht, das die Gesetzesänderungen von 2 der 3 Ampelparteien weil verfassungswidrig rückgängig gemacht hat.

  20. 6.

    Weil weder H4/BG noch "Sanktionen"/Kürzungen des EXISTENZminimums eine nachhaltige Integration in den "Markt" bewirkten/bewirken.

    Stattdessen Zuschüsse an Unternehmen durch Kofinanzierung von Billigstarbeitsplätzen (Kosten trägt die Allgemeinheit) und garantierte Altersarmut (Kosten trägt die Allgemeinheit.

    Sind alle noch immer und noch mehr für Sanktioenen und dieses dysfunktionale System?

    Was wäre stattdessen möglich, nötig und nachhaltig?

    Denken Sie mal nach, Sie finden Wege. Tun Sie einfach so, als wäre es Ihre Familie/beste Freunde.

  21. 5.

    "Wir" "leisten uns" – "die B."?!? (Damit wir uns die Unterstützung der Bedürftigen noch leisten können)
    Denke, Sie verstehen, wie Sie es laut Ihren Vorurteilen verstehen wollen.

    Schauen Sie sich die Vermögensverteilung und -mechanismen an, denken Sie nach und sprechen dann erneut und reflektiert.

    Es sind vor allem Vermögende, die ohne Leistung aus Passiveinkommen auf Kosten der Allgemeinheit und vor allem der Natur leben/schmaro***

    Wie hieß es kürzlich am Adlon? „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“



  22. 4.

    "Denkmal nach", sollte auch ihre Sache sein. Wer will von der Gesellschaft abgehängt sein. Wir haben, ohne das es wirklich benannt wird Menschen, die hier noch keinen normalen Arbeitsplatz hatten, aber durch Maßnahmen im Rahmen des Jobcenters wird die tatsächliche Zeit der Arbeitslosigkeit verschleiert.
    Beispiel: Eine Frau war in ab 1988 in Elternzeit. Es war in folgenden Jahren umöglich einen Job wegen breiten Arbeitsplatzabbau zu bekommen.
    Bewerbung = Lebenslauf voller Arbeitslosigkeit no Job.

  23. 3.

    Wie passt das denn bitte zu den immer noch sehr hohen Arbeitslosenquote in der Metropolregion Berlin-Brandenburg?

  24. 2.

    Dass die Sanktionen gesunken sind, es wäre nicht überraschend. Das Bürgergeld, wie Hartz4 nun heißt, sieht nur in vielen selteneren Fällen noch Sanktionen vor. Ein Jahr lang darf sowieso nicht sanktioniert werden. Die Ampel hat durch Gesetzesänderungen nun dafür gesorgt, dass es weniger Sanktionen gibt.

  25. 1.

    Ein Irrweg in die soziale Hängematte. Damit wir uns die Unterstützung der Bedürftigen noch leisten können, muss zwischen Bedürftigkeit und Faulheit unterschieden werden. Faulheit darf nicht unterstützt werden, das ist aber häufig der Fall.

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