Personalmangel und Überlastung - Warnstreik in Berliner Kita-Eigenbetrieben am Donnerstag

Di 14.11.23 | 12:34 Uhr
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Stühle stehen in einer Kita auf den Tischen (Bild: imago images/Jochen Eckel)
Video: rbb24 Abendschau | 14.11.2023 | Dorit Knielig | Bild: imago images/Jochen Eckel

Die Berliner Kita-Erzieherinnen aus Eigenbetrieben schlagen Alarm. Wegen Personalmangels könnten sie die Kinder nur mehr "verwahren". Pädagogische Angebote blieben meist auf der Strecke. Deshalb wurde eine "Gefährdungsanzeige" initiiert.

Erzieherinnen und Erzieher der Berliner Kita-Eigenbetriebe wollen an diesem Donnerstag streiken. Zu dem Warnstreik hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag aufgerufen.

Die Berliner Erzieherinnen und Erzieher wollen Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Donnerstag eine kollektive Gefährdungsanzeige übergeben. 2.600 Menschen haben sie nach Gewerkschaftsangaben bisher unterschrieben. Sie erwarte noch weitere 400 Unterschriften, sagte Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer am Dienstag in Berlin.

Liecke: "Reine Symbolpolitik"

Wegen des Personalmangels in den Kitas könnten sie ihre Bildungsaufgabe nicht mehr erfüllen, argumentieren die Pädagogen in der Gefährdungsanzeige. Nötig seien mindestens doppelt so viele Beschäftigte in den Berliner Kitas, rechnet Verdi vor.

Die kollektive Anzeige solle zeigen, dass das Problem nicht nur einzelne Erzieher betreffe, sondern systemisch sei. "Wir sehen im politischen Handeln keine substanzielle Trendwende und müssen deshalb zu drastischeren Maßnahmen greifen", sagte Böhmer. Familienstaatssekretär Falko Liecke (CDU) bezeichnete die Aktion hingegen als "reine Symbolpolitik", die wenig mit der Realität zu tun habe.

Am Donnerstag soll in mehreren Bundesländern im Sozial- und Erziehungsdienst gestreikt werden, so auch in Bremen und Hamburg. Hintergrund sind neben den prekären Arbeitssituationen auch die laufenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder, die in der zweiten Runde ohne Arbeitgeberangebot blieben.

Motto "Der Akku ist leer"

Der Protest in Berlin steht dabei unter dem Motto "Der Akku ist leer". Vor allem durch große Gruppen, Lärm und enge Räume fühlen sich viele Erzieherinnen und Erzieher im Kita-Alltag überlastet. Oft nähmen sie deshalb etwa Dokumentationsarbeit sogar noch mit nach Hause, sagen Beschäftigte. Sie berichten zudem, dass es oft nur noch um die Verwahrung der Kinder gehe. "Es sind keine pädagogischen Angebote mehr möglich. Man geht permanent über seine psychischen und physischen Belastungsgrenzen hinaus", sagte etwa Ulrike Schulz, die in einer Kita des Landes Berlin arbeitet.

Tage, an denen mehr als die Hälfte des Personals bei voller Kinderzahl fehle, seien nicht selten. "Man hofft dann, dass man den Tag übersteht, dass es vorbeigeht und fängt an, die Stunden zu zählen", so Schulz. Oft gehe es nur noch darum, die Grundbedürfnisse der Kinder abzudecken. "Ein Buch vorlesen - das fällt dann weg", so Schulz. Statt pädagogischer Angebote sei oft nur das freie Spiel möglich. Die Situation führe dazu, dass der Beruf nicht mehr attraktiv sei und viele junge Erzieherinnen schon nach kurzer Zeit umsattelten. Aber auch langgediente Kolleginnen würden noch umschulen, sagte Böhmer. Gleichzeitig seien viele offene Stellen unbesetzt, weil kein geeignetes Personal gefunden werde.

Verdopplung des Personals laut Gewerkschaft nötig

Um die Personalsituation zu verbessern, fordert die Gewerkschaft Verdi unter anderem, die Stunden der Kolleginnen in einer berufsbegleitenden Ausbildung nicht mit in die Personalberechnung für die Kitas einzubeziehen. Durch die Ausbildung stehen diese Erzieherinnen nicht durchgängig für die Betreuung von Kindern zur Verfügung. Die Personalausstattung, so Verdi, müsse den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden und Inklusion ermöglichen.

In Berlin gibt es 282 Kita-Eigenbetriebe, die von 35.000 Kindern besucht werden. Laut Bildungsverwaltung sind im Land Berlin 36.700 pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen tätig, darunter rund 7.400 in Eigenbetrieben und rund 29.300 Personen bei freien Trägern.

Berlinweit lag die Personalquote demnach über alle rund 2.900 Kitas bei rund 103 Prozent. Gesamtstädtisch sei von einem gedeckten Bedarf auszugehen. Laut Gewerkschaftssekretärin Böhmer ist jedoch etwa doppelt so viel pädagogisches Personal nötig, um einen ausreichenden Personalschlüssel zu garantieren.

Sendung: rbb24 Abendschau, 14.11.2023, 19:30 Uhr

31 Kommentare

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  1. 31.

    Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie teilweise argumentiert wird, wenn es um Kinder bzw. Bildungssysteme geht. Alles nicht finanzierbar.. interessant. Wir sehen doch seit Jahren, dass immer wieder immense Summen für die Finanzierung von anderen Bereichen ad hoc möglich sind. Wenn der politische Wille nur da ist. Nur bei den Kindern, wenn man so möchte unserer gesamtgesellschaftlichen Zukunftsanlage, da werden Klagen der Unmöglichkeit laut. Wer dann noch mit höheren Steuern bei den oberen 10% finanzieren will, ist verpönt. Man erkennt übrigens einen Teil der Ursachen-Wurzel: das Thema Bildung ist Ländersache und auf Bundesebene ist da (schon gar nicht kurzfristig) für Politiker wenig zu gewinnen. Erschreckend. Ich wünsche allen Erzieherinnen viel Erfolg und damit unseren Kindern endlich ein besseres Bildungssystem!

  2. 30.

    Eltern zahlen im Land Berlin nichts für einen Kitaplatz, lediglich das Essensgeld 23 Euro.

  3. 29.

    Frau Rothbauer,
    Kita bedeutet doch zunächst Aufsichtspflicht beim Spielen und den Eltern darüber beim Abholen Bericht zu geben. Ist doch ganz einfach. Schwierig wird es dann, wenn der Übergang in die GS ansteht. Kann (Erziehern) jedoch völlig egal sein. Wir reichen die Kinder einfach weiter. Erzieher sitzen immer in der Sonne und trinken literweise Kaffee. Verdienen Mengen an Geld für nichts und müssen sich keinesfalls einen Kopf über was auch immer machen. Satire aus.
    Bildung beginnt ganz unten (früh). Ohne erforderliche Unterstützung in sämtlichen Belangen, verspielen wir gerade die Zukunft der Kinder. Damit auch unsere.





  4. 28.

    Nur haben Sondervermögen ect nichts mit den Mehrkosten im Bildungsbereich zutun. Übrigens gibt's den Klimafond seit dem heutigen Urteil des BVerfG nicht mehr. Jetzt müssen zusätzlich noch 60 Mrd Euro im eh schon sehr knappen Haushalt gespart werden.

  5. 27.

    Die schon lange überfällige Erhöhung der Einkommensteuer muss schnellstens kommen. Viele Bürger und alle Gewerkschaften vergessen, dass die Mehrkosten für Personal an anderer Stelle im Bildungsbereich eingespart werden muss. Alternativ hohe Beiträge für Eltern, größere Gruppen oder höhere Steuern.

    Die absurden Forderungen im ÖD sind ohne Steuererhöhungen nicht gegenfinanzierbar. Einkommensteuer um 2 % erhöhen wäre eine Lösung.. das tut niemandem weh

  6. 26.

    Regenerationszeiten sind Wochende und Urlaub. Was auch sonst?

    Letztlich werden wohl die Eltern endlich einen kostendeckenden Beitrag zahlen müssen oder es gibt größere Gruppen und weniger Stellen.. Denn anders kann man im Bereich Bildung die Mehrkosten nicht gegenfinanzieren.

  7. 25.

    Nur haben die vom Ihnen genannten Projekten nichts mit der Finanzierung von Personalstellen in Kitas und Schulen zutun. Immer beim zuständigen Haushaltstitel bleiben und nicht immer Äpfel mit Birnen vergleichen. Letztlich müssen die Mehrkosten an anderer Stelle im Bereich Erziehung eingespart werden

  8. 24.

    bisher haben diese Akteure nur für die eigene Klientel gesorgt."
    Für wen sollen die denn sonst sorgen?
    Die Linken für die Coupon-Schneider vom Starnberger See?
    Verdi für die Metall-Arbeitgeber?

  9. 23.

    Wir haben 100 Milliarden für einen Bundeswehr Sonderfond, einen Klimafond, Bürgermeister, aber keine 100 Millionen für Kitas und Schulen?
    Da läuf doch etwas schief in unserem Land.

  10. 22.

    Ich weiß ja nicht, in welchen Kitas der Herr vom Senat nachgefragt hat, wie der Personalstand aktuell aussieht, aber wo immer ich mich umhören, ob in unseren evangelischen Einrichtungen, staatlichen oder privaten Kitas, die Kuft brennt überall. Das Personal ist krank, neues Personal ist auf dem Markt nicht mehr zu finden und auf Grund der dadurch resultierenden Belastung ist der Rest mit den Nerven am Ende.

  11. 21.

    Es muss schlicht und einfach die Lohnlücke zwischen TVöD und TVL geschlossen werden. Wenn der TVL Abschluss diesmal wieder unter dem des TVöDs liegt, ist das mehr als ungerecht. Wieso sollten die Angestellten des Landes für dieselbe Arbeit weniger verdienen als die Angestellten von Bund und Kommunen?

  12. 20.

    Für jeden misst ist Geld da aber für die Kinder nichts!
    Kaputte Schulen
    Zu wenig Lehrer
    Zu wenig Erzieher
    Zu wenig Kita Plätze!
    Bundeswehr das ist ein Armutszeugnis auf allen ebenen! Geld fürs Größere Kanzleramt ist da mehr Geld für unsere Abgeordneten auch! Ich bin der Meinung das viele Politiker vergessen haben das sie Volksvertreter sind und so auch im Sinne des Volkses zu Handel haben! Das ist aktuell ein Riesen Problem geworden egal welche Partei!

  13. 19.

    Da probt Verdi mal wieder einen Zwergenaufstand.
    Wo bitte will Verdi denn mehr Personal rekrutieren.
    Verdi und die Linken sollten sich aus dieser Stadt trollen,bisher haben diese Akteure nur für die eigene Klientel gesorgt.

  14. 18.

    Sie vergessen, dass das Geld auch nicht vom Himmel fällt. Die Haushalte von Bund und Ländern sind am Maximum. Letztlich wird es Zeit, dass die EStG deutlich angehoben wird. Anders gehts halt nicht mehr.

    Sie berufen sich auf die Bildung künftiger Generationen. Aber woher nimmt man das dafür nötige Geld? Bitte nicht mit Bezügen auf Auslandshilfen oder Bürgergeld kommen. Die haben nämlich nichts miteinander zutun.

    Auch Gewerkschaften sollten sich Gedanken darüber machen, dass höhere Löhne auch gleichzeitig weniger Stellen oder kostendeckende Beiträge der Eltern bedeutet. Aber soweit denken weder Gewerkschaften noch deren Mitglieder

  15. 17.

    Das ist die beste Steilvorlage ever. Ich kann mir so die Einleitung sparen.
    Wer immer glaubt, dass es genug ist, was momentan für die Erziehung und Bildung unserer Kinder ausgegeben wird, denkt in die falsche Richtung, übrigens nicht weil gerade gestreikt wird, sondern generell und immer. Mit den Ansprüchen an die Entwicklung unserer Gesellschaft muß die Bildung mitziehen. Es ist das Fundament und eine zukunftsweisende Investition, die nicht nur allein vom Staat getragen werden kann. Wir bilden die Mitarbeiter von morgen aus. Häufig klagen Unternehmen über zu wenig Kenntnisse ihrer Lehrlinge etc.
    Und um die Kinder fit zu machen, braucht es eine gute Kita Zeit. Natürlich kann man auch später noch Wissenslücken schließen, aber der Start in der Schule wird schon schwieriger. Das sind meine Erfahrungen.

  16. 16.

    Andere dürfen sich ruhig kaputt ackern ,darum kümmert sich keine Gewerkschaft."

    Wenn diese Anderen sich gewerkschaftlich organisieren würden und statt nur sinnbefreit in Internet-Foren rumzunölen, sich für ihre Interessen aktiv einsetzen würden, dann wäre das wohl auch anders.

  17. 15.

    Nur sollte man dann auch wissen, wo die Mittel für die Mehrkosten herkommen. Das Gelaber von "für vieles andere ist ja auch Geld da" ist Unsinn. Die Mehrkosten müssen um Bereich Kita wieder eingespart werden. Entweder größere Gruppen, weniger Stellen oder kostendeckende Eigenbeteiligung der Eltern.

    Geld fällt nicht vom Himmel.

  18. 14.

    Ist da Unwissenheit führend, Neid oder "nur" etwas in der Kommentarfunktion sagen zu müssen?
    Richtig ist, die GEW ist in erster Linie eine Lehrergewerkschaft. Das wirkt sich deutlich auf die "Vertretung" der Erzieherinnen aus.
    Wer sind die, die behaupten, die bekommen sehr gutes (zu viel) Geld?
    Wer berichtet, umsonst in der Kita zu essen? Vorsicht! Das ist nicht erlaubt, außer ein Kosten.
    Wo gibt es Regenerationszeiten, neben Samstag und Sonntag?
    Notbetreuung machen immer die Gleichen MA!

  19. 13.

    Es sollten auch endlich mal die freien Kitas streiken, nicht nur die Eigenbetriebe. Das wäre der Hammer, denn sie stellen etwa 75% der Kita-Plätze in Berlin zur Verfügung.

    Die Personalsituation ist lt. den Statistiken gar nicht schlecht. Nur werden viele Fehlzeitenarten gar nicht erfasst und in der praktischen Arbeit ist eben häufig kaum Personal da. (Krankheiten/KO-Tage/Urlaub/Mentorenzeiten usw.)

  20. 12.

    Das klingt für mich nach einer Frage der Priorität.
    Was ist Ihnen lieber Unzufriedenheit im Job + keine volle private Zeit mit ihren Kindern (Abends noch Berichte schreiben, aufgrund ihres Anspruches). So wie bisher bei ihnen läuft.
    Oder
    Sie schrauben ihre Anspruche runter und akzeptieren, dass man nicht allen Kinder helfen kann und sind wir mal ehrlich, wer dankt es einem?
    Oder
    Sie wechseln den Job, ziehen gegenfalls um und nehmen hin das die erste Zeit für sie und ihre Kinder schwierig werden könnte, aber es könnte sich auch herausstellen, das es der richtige Schritt war.

    Ich kann das gut verstehen, dass sie möglicherweise ihre Einrichtung mögen, aber wenn die Arbeitsbe. immer schlechter werden muss man irgendwann die Reißleine ziehen.

    Ich wünsche ihnen wirklich nur das beste und hoffe sie treffen die für sich beste Entscheidung.

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