Sparpläne im Bund - Tausende Landwirte protestieren mit Traktoren in Berlin

Mo 18.12.23 | 17:46 Uhr
  205
Berlin, 18.12.2023: Demonstration des Deutschen Bauernverbandes unter dem Motto «Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!» vor dem Brandenburger Tor. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb|24 | 18.12.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Fabian Sommer

Landwirte aus ganz Deutschland sind mit ihren Traktoren nach Berlin gekommen, um gegen Sparpläne der Bundesregierung zu protestieren. Agrarminister Cem Özdemir stellte weitere Beratungen der Regierung in Aussicht.

  • Tausende Landwirte sind mit Treckern nach Berlin gefahren
  • Protest gegen Pläne des Bundes, Steuervergünstigungen zu streichen
  • Agrarminister Özdemir will geplante Streichungen abmildern

Landwirte aus ganz Deutschland haben am Montag in Berlin gegen geplante Kürzung von Subventionen für die Landwirtschaft protestiert. An der Demonstration am Brandenburger Tor nahmen nach Veranstalterangaben insgesamt 8.000 bis 10.000 Menschen teil, mehr als 3.000 Traktoren rollten demnach in die Hauptstadt. Laut Polizei waren es in der Spitze bis zu 6.600 Menschen mit rund 1.700 Traktoren.

Die Bundesregierung wolle die Landwirte mit mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich belasten, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Montag. Ein Aus für Regelungen zu Agrardiesel und für die Kfz-Steuerbefreiung sei "eine Kampfansage", und diese nehme man an.

Rukwied drohte für Januar bereits größere Proteste an, wenn die "unzumutbaren Vorschläge" nicht komplett zurückgenommen würden. "Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat." Er forderte von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne), jetzt Druck in der Regierung für die Bäuerinnen und Bauern und die ländlichen Räume zu machen.

Pfiffe und Buhrufe für Landwirtschaftsminister Özdemir

Özdemir zeigte Verständnis für den Protest: "Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind", sagte der Grünen-Politiker bei der Kundgebung des Bauernverbands am Brandenburger Tor.

Es sei klar, dass nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts mehr gespart werden müsse - aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", bekräftigte Özdemir. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt."

Özdemirs Rede bei der Kundgebung wurde mehrfach von Pfiffen und Zurufen unterbrochen. Bauernpräsident Joachim Rukwied rief die Demonstrationsteilnehmer zu Respekt auf und bat, dem Minister zuzuhören. Özdemir wandte sich gegen herabwürdigende Äußerungen.

Erhebliche Verkehrsbehinderungen

Am Morgen waren laut Polizei auf insgesamt fünf Zufahrtsrouten vom Stadtrand aus mehrere Hundert Traktoren Richtung Berliner Zentrum unterwegs.

Zwischenzeitlich gab es Verzögerungen bei der Anreise der Demo-Teilnehmer, da von der Polizei eigentlich eine Obergrenze von 1.000 Traktoren für die Kundgebung festgelegt worden war. Wie ein Sprecher sagte, wurden dann aber doch alle noch anreisenden Traktoren in die Innenstadt gelassen. Es hätten aber zum Beispiel Wege für Rettungsfahrzeuge freigehalten werden müssen.

Der Deutsche Bauernverband hatte die gesamte Agrarwirtschaft aufgerufen, in Traktor-Korsos aus verschiedenen Richtungen nach Berlin zu fahren. Auf der B1/B5 von Osten, der B2 von Norden sowie auf der B96 von Norden und Süden fuhren Landwirte in die Innenstadt. Es kam zu erheblichen Verkehrsbehinderungen, auch bei der Abfahrt am Nachmittag staute sich der Verkehr.

Landwirte haben sich versammelt, um mit ihren Traktoren gegen eine angekündigte Streichung der Agrardiesel-Subvention und der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft zu protestieren. (Quelle: dpa/Schulze)

Steuerbegünstigungen sollen gestrichen werden

Die Ampel-Koalition plant unter anderem, die Agrardiesel-Subvention und die Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft zu streichen. Die Streichungen sind Teil der Haushaltskonsolidierung der Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Die Abschaffung der Vergünstigung auf die Kraftfahrzeugsteuer für die Forst- und Landwirtschaft soll nach Angaben aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums 480 Millionen Euro jährlich einbringen. Zum Einsparpotenzial der Abschaffung der Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel gab es zunächst keine näheren Angaben.

Nach Angaben des Deutschen Bauernverbands würde der Landwirtschaft fast eine Milliarde Euro entzogen, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied an.

Unterstützung aus Brandenburger SPD

Der Brandenburger SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn unterstützte den Protest der Bauern gegen die vorgesehene Streichung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft. "Die Kürzungspläne treffen den ländlichen Raum und speziell den Osten hart", teilte der Politiker am Montag mit.

Stohn forderte die Bundesregierung auf, die "bestehende Notlage, die die Regierung wohlgemerkt nicht selbst zu verantworten hat, zu erklären und die Schuldenbremse aufzuheben".

Umweltverbände gespalten

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, ein Agrardiesel-Ende sei angesichts hoher Lebensmittelpreise und vieler anderer Subventionen verschmerzbar. "Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft."

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte indes, dass das gleichzeitige Aus für die Kfz-Steuerbefreiung ein falsches Signal an einen Berufsstand sende, der einem enormen Veränderungsdruck ausgesetzt sei. Wichtig wäre nun etwa auch eine Förderung für den Umstieg auf alternative Antriebe.

Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.

Sendung: rbb24, 18.12.2023, 16 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 18.12.2023 um 18:05 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

205 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 205.

    >"In der DDR gab es doch genug an der Menge, denkt man auch an Überproduktion von Schweinefleisch und Schnapps"
    Jenau! Die Landwirtschaft war so produktiv, dass die uns ernähren konnte und zudem noch die halbe Bundesrepublik mit billigem Fleisch, Obst und Gemüse versorgte.

  2. 204.

    Sie sind nicht alle. Die Liste der Befreiungen von der KFZ-Steuer ist lang und betrifft nicht nur landwirtschaftliche Maschinen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftfahrzeug-Steuerverg%C3%BCnstigung
    Falls Sie eine Führerschein haben müssten Sie eigentlich auch wissen, wann man auf der Autobahn fahren darf. Die Zeiten, wo Schlepper nur mit max. 25km/h fuhren, sind lange vorbei.

  3. 203.

    Es wurden in Deutschland in 2022 insgesamt 160 MILLIARDEN kg Nutzpflanzen geerntet … Und das sind nur die Zahlen des StatBundAmt zu den häufigsten Sorten ... Also ohne das sonstige Gemüse, das ganze Obst, das Fleisch und die Milch … Und die Landwirtschaft will wegen der Mehrbelastung von 1 Milliarde Euro in ganz Deutschland schon wieder die Preise erhöhen ?! … Die 1 Milliarde, die hier 0,00625 Euro Mehrkosten pro kg entspricht … Nee Leute, pardon … Ein Sturm im Wasserglas, um Preise anzuziehen.

  4. 202.

    >"Weshalb müssen wir denn alle KFZ Steuern bezahlen und die nicht?"
    Warum haben Fahrzeuge der Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes meist auch ein grünes Kennzeichen? Weil die wie auch der Trecker fürn Acker irgendwie doch lebensnotwendig sind. Ohne diesem gehts halt nicht mit der Ernährung.

  5. 201.

    Vielleicht könnte Lebensmittelproduktion als Lebensgrundlage verstaatlicht werden

    In der DDR gab es doch genug an der Menge, denkt man auch an Überproduktion von Schweinefleisch und Schnapps

  6. 200.

    Volltreffer der Bundesregierung ... Im positiven Sinne … Denn nun werden die Landwirte (und vermutlich halbe Dörfer) ihre privaten Diesel-PKW auch zu dem Preis betanken müssen, zu dem es jeder andere Bürger sonst auch muss … Tut mir leid, aber ich finde das fair ... Ja, ja, KFZ-Steuer-Befreiung steht auf einem anderen Blatt.

  7. 199.

    Ich finde das mit der Gülle völlig falsch, so etwas geht gar nicht.
    Was würden Sie denn sagen wenn morgen alle Arbeitnehmer aus
    Protest auf die Straße scheißen? Würde Ihnen doch auch nicht gefallen.

  8. 198.

    >"Weshalb bekommen wir Arbeitnehmer keine Dieselölverbilligung? Gleiches Recht für alle!!!!!!!!!"
    Keine Angst! Sie bekommen subventionierten Diesel an jeder Tankstelle. Das sg. "Dieselprivileg" sorgt dafür, dass Diesel an der Tanke noch etwas preiswerter ist als Benzin.

  9. 197.

    Neidisch? Bestellen Sie sich doch zu Weihnachten ein Kettcar, gibts auch als Traktor, damit kann man ohne Diesel um den Christbaum fahren.

  10. 196.

    Ich muss auch sagen, finde das was die Bauern jetzt veranstaltet
    haben unmöglich. Wenn man so abkassiert hat über so viele
    Jahre sollte man jetzt leise sein.

  11. 195.

    Danke für die Info. Bin trotzdem gegen Subventionen. Die Kosten müssen auf die Preise raufgeschlagen werden, damit in DE nicht 30% der Lebensmittel verschwendet werden und/oder im Müll landen!

  12. 194.

    Anscheinend nicht, vielleicht holt er mit dem LKW Feldfrüchte auf Paletten im Großmarkt ab und glaubt, daß alles wächst dort im Hochregal, neben den Katzenfutterdosen. Nicht ärgern, Franka und bis bald.

  13. 193.

    Und was ist mit dem dass fast keine KFZ Steuern von den Bauern bezahlt werden?
    Ist das auch Brüssel oder was?
    Weshalb müssen wir denn alle KFZ Steuern bezahlen und die nicht? Alle sind
    gleich nur manche sind gleicher. Wie kann es eigentlich sein
    dass heute ein Traktor auf der Autobahn gefahren ist? Geht´s noch.

  14. 192.

    Die Bauern haben mein vollstes Verständnis. Sie sollten wie die Niederländer den Bundestag, die Häuser der Politiker mit Gülle versehen und die Auslieferung sämtlicher Lebensmittel einstellen! Diese Politik ruiniert das Land.

  15. 191.

    Wer Traktoren für hunderttausende Euro fahren kann kann auch Kfz- Steuer bezahlen. Jammern ist ja bekanntlich Hauptfach in der Landwirtschaftsschule

  16. 190.

    Sorry, die im Blog beschriebenen Subventionen stehen nicht mit den aktuellen Streichungen im Zusammenhang. Bei den im Blog genannten Subventionen handelt es sich um Gelder aus Brüssel, nicht aus dem Bundeshaushalt. Die Streichungen im Bundeshaushalt sind in § 57 EnergieStG geregelt und haben keinen Bezug zur Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes. Sowohl Bund als auch die EU führen unterschiedliche Haushalte. Hätte man selbst drauf kommen können.

  17. 189.

    Weshalb bekommen wir Arbeitnehmer keine Dieselölverbilligung?
    Gleiches Recht für alle!!!!!!!!!

  18. 188.

    Gut, dass die das in Berlin gemacht haben, in Bayern säßen die schon hinter Gittern, so wie die Klimaaktivisten fürs Behindern des Verkehrs...

  19. 186.

    Was unsere Politker alles nicht so auf die Reihe kriegen, ist bemerkenswert :(
    Baubranche am Boden, Energiewende den Bürger aufzwingen (hier hätte schon vor Jahren die öffentliche Hand mit Beispiel voran gehen sollen usw.), Förderung der E-Mobilität mit bis zu 10 TEUR (Wahnsinn), der Chipindustrie, keine ausreichende Versorgung mit Medikamenten, monatelang auf einen Arzttermin warten, bis zu 8 Wochen für Bürgeramt Termin und nun noch die Bauern abzocken, Diäten halbieren, Pensionen kürzen

Nächster Artikel