Agrarstrukturgesetz in Brandenburg - Schutz vor Landgrabbing bleibt in weiter Ferne

Mo 19.02.24 | 08:36 Uhr | Von Andreas B. Hewel und Michael Schon
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Maehdrescher im Ernteeinsatz Landin (Quelle: IMAGO / Jochen Eckel)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 19.02.2024 | Christoph Hölscher | Landwirtschaftsminister Vogel | Bild: IMAGO / Jochen Eckel

Die Brandenburger Landesregierung plant seit 2020 ein Agrarstrukturgesetz, um den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen an Spekulanten einzudämmen. Statt eines beschlussfähigen Entwurfs gibt es zum Ende der Legislaturperidoe Streit in der Koalition. Von Andreas B. Hewel und Michael Schon

  • Koalition streitet über Gesetz gegen Bodenspekulationen in der Landwirtschaft
  • Landwirtschaftsminister Vogel (Grüne) will Bodenspekulation erschweren
  • Landwirt und SPD-Abgeordneter Funke warnt vor Eingriffen ins Eigentumsrecht

Mit dem Vorwurf, beim Agrarstrukturgesetz auf der Bremse zu stehen, kann Johannes Funke bestens leben. Funke ist agrarpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag und Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Havelland. Aus seiner Abneigung gegen die geplante Gesetzesregelung macht er keinen Hehl: Der aktuelle Entwurf ließe sich im parlamentarischen Verfahren "nicht zu einem Ergebnis" führen, sagte er im Dezember 2023 im Landtag. Zu viele Fragen sind aus seiner Sicht ungeklärt. Das geplante Gesetz sei alles andere als ausverhandelt.

Landwirtschaftsminister will regional verankerte Agrarstruktur

Dabei soll es die Landwirte vor Bodenspekulationen schützen. Gerade nicht-landwirtschaftliche Investoren will Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Gesetz in die Schranken weisen. "Ziel ist eine regional verankerte Agrarstruktur, die die Wertschöpfung in Brandenburg hält", betonte Vogel zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens im Frühjahr 2020.

Denn seit Investoren, die selbst nicht in der Landwirtschaft tätig sind, Ackerland als Spekulationsobjekt entdeckt haben, wird es gerade für Landwirtinnen und Landwirte zunehmend schwer bis unerschwinglich, Land zu erwerben. Viele Landwirte sprechen von "Landgrabbing". Frei übersetzt: Andere schnappen ihnen das Land vor der Nase weg. Dies führt auch zu hohen Pachtpreisen und Flächenverlusten in der Landwirtschaft.

Das liegt an der derzeitigen Rechtslage: Bislang wird Ackerland in der Regel an den Meistbietenden verkauft. Ob danach auf dem verkauften Boden Landwirtschaft betrieben wird oder nicht, spielt keine Rolle. Da reine Bodenspekulantinnen und -spekulanten oft finanzstärker sind als Landwirtinnen und Landwirte, haben Bäuerinnen und Bauern beim Verkauf oft das Nachsehen. Besonders nach der Finanzkrise 2008 rückte der Landkauf bei Investoren in den Vordergrund.

Vorkaufsrecht für Landwirte geplant

Genau da will das Gesetz nun eingreifen. Es soll Landwirten ein Vorkaufsrecht einräumen. Zudem soll es eine Regelung gegen Preismissbrauch geben. Und hier beginnt der Streit.

Denn diese Regelungen greifen direkt in Eigentumsrechte ein. Das grün geführte Landwirtschaftsministerium geht davon aus, dass ein solcher Eingriff durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs gedeckt ist, solange damit Preismissbrauch verhindert, die Entwicklung von lebensfähigen Betrieben gesichert und Bodenspekulation vermieden würde.

Landwirte gegen staatliche Regulierung von Verkaufspreisen

Agrarfunktionär Funke ist davon nicht überzeugt. "Eigentum ist ein hohes Gut", sagt er. Geschützt von Landesverfassung und Grundgesetz. Er argumentiert, dass das geplante Gesetz zu sehr die Interessen potenzieller Käufer in den Mittelpunkt stelle. Was aber sei mit Landwirten, die Flächen verkaufen wollten? Wenn einer sage, "ich verkaufe 10 Hektar und sichere damit meine Rente ab, dann ist das ein berechtigter Anspruch", meint Funke.

Den Verkaufspreis könne man nicht einfach durch staatliche Preisregulierung absenken und sagen, "du kriegst jetzt nur noch die halbe Rente". Er sei für Reformen im Bodenrecht, beispielsweise die Überführung der bisherigen Regelungen in ein einheitliches Gesetz. Diese müsse aber "wirkungsneutral" sein. Anders gesagt: Die Spielregeln am Bodenmarkt dürften durch ein neues Gesetz nicht verändert werden.

Seit dem 17. April 2023 liegt das Agrarstrukturgesetz als Entwurf vor. 18 Stellungnahmen von anderen Ministerien, Landkreisen oder Verbänden folgten bereits bis Anfang Juni 2023. Ein Zeichen dafür, wie unterschiedlich die Interessen sind. Und für Landwirtschaftsminister Vogel der Beweis, dass das Gesetz bereits ein breites Beteiligungsverfahren durchlaufen hat.

SPD: Gesetz nicht vor der Wahl durchpeitschen

Auch das sieht SPD-Mann Funke anders. "Ich sehe die Gefahr, dass verschiedene Gruppen auf die Idee kommen, zu klagen", warnt er. Landwirtschaftsminister Vogel sei nicht gut beraten, wenn er das Gesetz vor der Wahl noch durchpeitschen wolle. In der Kürze der Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode könne man das Gesetz gar nicht mehr mit allen beteiligten Gruppen ausverhandeln.

Vogel selbst hält sich bedeckt, welche Chancen auf Umsetzung er bis zur Landtagswahl sieht. Auf Nachfrage von rbb|24 heißt es lediglich, es sei "erklärtes Ziel der Landesregierung", den landwirtschaftlichen Bodenmarkt vor außerlandwirtschaftlichen Interessen zu schützen.

Ein Kabinettsbeschluss ist offenbar nicht in Sicht. Erst danach kann das Agrarstrukturgesetz als Entwurf in den Landtag eingebracht werden. Und nur das Parlament kann das Gesetz beschließen. Kommt es nicht, kann das Landgrabbing weitergehen wie bislang.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.02.2024, 07:00 Uhr

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Beitrag von Andreas B. Hewel und Michael Schon

82 Kommentare

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  1. 82.

    Die Diskussion über das Eigentum und die soziale Verantwortung kann Sinnhaft sein, muss sie aber nicht.
    Entscheidend ist die Verantwortung, der kommenden Generationen gegenüber, den Grund und Boden zu überlassen, auf dem Lebensmittel produziert werden können. Ob Spekulanten dieses Verantwortung tragen können, gar wollen, kann m. E. bezweifelt werden. Wenn die Bilanz, der Jahresabschluss, nach dem Prinzip Cashflow gegliedert ist, bereits zweimal.
    Wenn ich mir hier die Beiträge einiger Kommentare durchlesen, tragen sie, aus ihrer Sicht, sehr viel Verantwortung, für ihren Lebensbereich.
    Die o.g. Verantwortung der kommenden Generationen bedarf einer besonderen inneren Haltung. Dazu gehört auch nicht an jeden meistbietenden zu verpachten oder verkaufen.

  2. 81.

    Irgendwann wollen die Grünen bestimmt noch regeln, mit welcher Hand man sich das Popöchen putzt. Dieser Regulierungswahn ist doch schon fast krankhaft. Was soll denn ein Kollege machen, wenn ihm bspw. das Wasser bis zum Halse steht? Konkurs anmelden, mit Grund und Boden und Inventar in die Zwangsvollstreckung gehen? Den Zuschlag bekommt der Meistbietende - nur mit dem feinen Unterschied, das Bauer Lustig dann mit sehr viel Glück nur eine schwarze Null hat - und sonst nix mehr. Verkauft er vorher zu einem besseren Preis muss er bei der Allgemeinheit für die er auch gearteitet hat nicht um Almosen betteln.

  3. 80.

    Ich hoffe sie erkennen wenigstens den Unterschied zwischen Reichweite, Nutzen und Maßstab zwischen 150 ha Landfläche und ein paar Eheringen.

  4. 78.

    "Man fühlt, daß der status quo irgendwie ungerecht/unsozial ist, es fehlt aber eine exakte Definition, um es justitiabel zu bekommen."
    Verlangen Sie diesbezüglich nicht etwas viel von einem öffentlichen Diskussionsraum in dem man eben hin und wieder nur seine Meinung äußert ohne rechtssichere Gesetzentwürfe in der Schublade zu haben?
    Wozu leisten wir uns denn Politik und Abgeordnete mit den entsprechenden Sachverständigen?
    Richtig um Volkes Willen in Gesetze zu gießen, die möglichst auch die nächste Wahl noch überstehen sofern sie dann noch zeitgemäß sind.
    Wenn wir alle Juristen wären, würde die Welt ziemlich alt aussehen.

  5. 77.

    Punkt 11 im 25-Punkte-Programm der NSDAP:
    https://de.wikipedia.org/wiki/25-Punkte-Programm
    Diese Ideen sind mir alle viel zu dicht an der Zeit der ausgehenden Weimarer Republik - auch, wenn das alles sicher gut gemeint ist und auf den ersten Blick auch überzeugend klingt.

  6. 76.

    "eher demokratisierung von grund und boden." Das steckt demos drinnen, also das Volk. Wo ist der Unterschied Ihrer Bezeichnung zur Bescheichnung Vergesellschaftung, wie sie eher in Sozialismus und Kommunismus üblich ist (ich hebe nicht darauf ab, wie das in der DDR gelaufen ist, sondern nur auf den reinen Fakt als Vorgang).

  7. 75.

    Tja, wenn Jemand seine Krankenkassenbeiträge etc, anders nicht aufbringen kann, dann wird er verkaufen müssen, aber das ist nicht Gier.
    Übrigens, Wir haben anfangs der 80. Jahre unsere Eheringe etc.wegen der Krankenkasse auch verkauft, da selbständig mit Kleinkind, und ohne genügend Einnahmen.
    Merke: Selbstständigkeit ist immer ein Risiko!

  8. 74.

    Dies definiert nicht irgendeine Grenze sondern die Art und Weise der (wundersamen) Geldvermehrung.
    Wenn sich Geld nur noch aus sich selbst heraus vermehrt, dann wurde im Gegenwert überhaupt nichts geschaffen, also auch nichts geleistet.
    Dann hat das Geld entweder nur den Besitzer gewechselt oder wurde einfach buchhalterisch „gedruckt“ (stammt letztendlich auf die eine oder andere Weise vom Steuerzahler).
    Im Volksmund bezeichnet man diese Art „Geschäftstätigkeit“ auch als Wette.
    Der Fachmann verwendet dafür natürlich beeindruckende seriös klingende Kürzel.

  9. 73.

    Dann sollten sie auch richtig lesen, denn es stand in selbigen von Ihnen zitierten Kommentar #3:
    „ Also werde ich wohl alles verkaufen müssen, und natürlich freue ich mich dann über einen möglichst hohen Erlös (man spricht von rund 12.000 EUR pro Hektar). “

  10. 72.

    In Wahlergebnisse in Ostdeutschland, darum geht es.
    Die Wiedervereinigung fand zwischen Westdeutschen und Ostdeutschen statt, alle anderen Einwohner hatten kein Mitspracherecht, und haben es bis heute nicht.
    Übrigens, die Rede ist von heute, und nicht von damals!

  11. 71.

    Gute Frau Dagmar, "die Ostdeutschen" gibt es so nicht, falls Sie es nicht wussten. Ostdeutschland ist, wie fast jedes andere Land, ein Konglomerat aus den verschiedensten Gruppierungen und die wiederum mit Individuen mit höchst unterschiedlichen Interessen. Und längst nicht alle wollten zur Bundesrepublik dazu gehören, das ist ein Irrglaube.
    Dass viele schnell die D-Mark wollten und reisen wollten, ist unbestritten. Allerdings wurden sie bald von der Realität eingeholt, als die große Masse ihren Arbeitsplatz verloren hatte und zeitweise ohne Einkommen dastand.
    Aber das haben Sie wahrscheinlich auch schon vergessen...
    Außerdem ist das ein anderes Thema, hier gehts ja um Landgrabbing und Grund und Boden. Und das betrifft ja nun mal auch nicht die meisten Ostdeutschen.

  12. 69.

    "Dann noch nen pauschalen +Wert (so 10% ?)drauf" Wie würden Sie den genauen Zahlenwert dieses pauschalen AUfschlags einem Gericht erklären wollen. Was würden Sie der Gegenseite sagen, wenn die argumentiert, daß auch 11% Aufschlag international durchaus üblich ist?

  13. 68.

    "Mit der Spekulation wird leistungslos, ohne etwas zu produzieren Kapital akkumuliert." Ja. Aber wor ist die exakte Grenze? Das Ganze erinnert mich an die Diskussion um die Abschöpfung von "Übergewinnen", wobei niemand eine exakte Definition dieses Begriffes einbringen konnte. Es geht viel um das Gefühl; Man fühlt, daß der status quo irgendwie ungerecht/unsozial ist, es fehlt aber eine exakte Definition, um es justitiabel zu bekommen.

  14. 67.

    Grosse ökonomisch-volkswirtchaftliche Frage für die paar Zeichen die hier geschrieben werden können und wohl auch gelesen würden.

    Deshalb mal ein ganz einfaches Prinzip: Das Eigentum an Grund und Boden darf sich als blosses Eigentum gar nicht lohnen.
    Schlicht gesagt: Der leistungslose Spekulationsgewinn muss so hoch besteuert werden, dass sich das marodierende Kapital andere Anlagemöglichkeiten suchen muss. Es darf sich gar nicht lohnen, keinen Wohnraum zu erstellen, zu erhalten, anzubieten, weil ja das blosse Eigentum am Grund & Boden ohne etwas tun, investieren, produzieren, betreiben zu müssen viel mehr Rendite bringt. Es darf sich gar nicht lohnen, Eigentümer von Agrarland zu sein, wenn man selbst gar keine Lebensmittel produziert, sondern nur Wegelagerer ist, der mit der Notwendigkeit vom Produktionsmittel Agrarland Rendite macht. Struktur die nur eine quasi parasitäre Wirtschaft mästet, die selbst nichts erhält, produziert, zur Verfügung stellt. Preise, Kosten treibt.

  15. 66.

    >"Wo würden Sie die exakte Grenze zur Spekulation ziehen?"
    Z.B. an der immer aktualisierten Bodenrichtwert-Tabelle Land Brandenburg orientieren.
    https://geobasis-bb.de/lgb/de/geodaten/grundstuecksmarkt/bodenrichtwert-portal/
    Dann noch nen pauschalen +Wert (so 10% ?)drauf und alles was drüber ist, könnte man als Wucher oder unangemessene Spekulation bezeichnen. Es gibt schon im Land statistische Durchschnittswerte, was Boden wo in welcher Bodenqualität hier kostet zum Kauf oder Pacht.

  16. 64.

    "Grund und Boden wird aus Gründen der Spekulation leistungslos immer teurer. Das ist ein Problem für den verfassungsmässigen sozialen Gebrauch von Eigentum." Das ist wohl so. Für eine Regelung, die auch vor Gericht Bestand hat, müssen Sie aber eine konkrete Grenze ziehen. Wo würden Sie die exakte Grenze zur Spekulation ziehen?

  17. 63.

    BjörnFrankfurt/OderMontag, 19.02.2024 | 15:10 Uhr
    Antwort auf [Autofahrer] vom 19.02.2024 um 14:37
    "Boden dürfte gar kein Eigentum" Sie schlagen also eine erneute Bodenreform vor mit Enteignung der bisherigen Besitzer zugunsten des Staates? Das wird nicht mit dem GG vereinbar sein."

    Mit dem Grundgesetz ist aber auch nicht vereinbar, was inzwischen die Realität ist: Grund und Boden wird immer teuerer. Mit der Spekulation wird leistungslos, ohne etwas zu produzieren Kapital akkumuliert. Wohnraum, Erstellung von Wohnraum, Agrarland zur Nahrungsmittelproduktion muss für keine Leistung, keine Produktion eine Rendite- und Spekulationswirtschaft bedienen, die zudem mit diesem angehäuften Vermögen nicht adäquat besteuert wird.
    So sieht die Ökonomie aus, deren Interessenten behaupten diese reale, echte Wirklichkeit sei bloss Ideologie.
    Ist aber nicht Ideologie. Ist keine Wirklichkeit, die jemand erfindet, um Kapitalisten und Spekulanten zu ärgern.
    Und widerspricht der Verfassung.

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