Infrastruktur-Konferenz in Cottbus - Habeck: Ende März könnte Entscheidung für Leag-Kohleausstieg-Hilfe fallen
Wie heizen wir in Zukunft, wo kommt der Strom her, wo die Energie für die Industrie? Das wurde bei einer Infrastruktur-Konferenz in Cottbus prominent diskutiert, auch mit Wirtschaftsminister Habeck. Der hatte eine Nachricht für die Leag dabei.
- Konferenz zur Infrastruktur-Entwicklung in Cottbus
- Teilnehmer sehen Energiewende auf gutem Weg
- Habeck: staatliche Beihilfen könnten für Energiekonzern Leag bald bewilligt werden
- rund 200 Menschen protestieren am Veranstaltungsort
Der Energiekonzern Leag könnte in rund einem Monat Gewissheit zur staatlichen Beihilfe haben, mit der der Kohleausstieg abgefedert werden soll. Das erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) am Dienstag bei der Konferenz zur Infrastruktur-Entwicklung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier in Cottbus.
"Ich will sagen, dass wir nun wirklich die Modifizierung der Beihilfe durchschlagen wollen und müssen. Das Ganze soll um Ostern herum politisch erledigt sein", so Habeck. Danach müsse es "vielleicht noch ein bisschen umgesetzt werden".
Bei den Beihilfen geht es um Entschädigungszahlungen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssen. Für den RWE-Konzern hatte Brüssel das bereits Ende 2023 getan, für die Leag steht das noch aus. Angemeldet waren für den Konzern 1,75 Milliarden Euro.
Leag sieht Ankündigung positiv
Leag-Vorstand Thorsten Kramer begrüßte Habecks Aussage. Die Gelder seien wichtig, um den Transformationsprozess gestalten zu können, hin zu alternativen Energien, wasserstofffähigen Kraftwerken und zur Speicherung mit Batterien.
Bei der Modifizierung der Beihilfe gehe es "nicht darum, dass der Betrag niedriger ausfällt", so Kramer. Die 1,75 Milliarden Euro würden sich dann möglicherweise anders zusammensetzen, als es vor fünf Jahren geplant war. "Die Beihilfe wurde 2019 inhaltlich definiert. In den letzten fünf Jahren haben sich einige Randbedingungen geändert, so dass man jetzt reinschaut und das Ganze auf die heutige Situation anpasst."
Lautstarker Protest am Morgen
Bei der Konferenz in der Stadthalle Cottbus ging es um den Umstieg von der Kohle auf erneuerbare Energien, aber auch um die kommunale Wärmewende und die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Veranstalter ist der Energieverband BDEW.
Etwa eine Stunde vor Beginn hatte vor dem Veranstaltungsort eine lautstarke Protestaktion begonnen. Wirtschaftsminister Habeck wurde von Demonstranten mit Hupen und Pfiffen sowie Rücktrittsforderungen empfangen. Nach Schätzungen von rbb-Reportern waren rund 200 Teilnehmer vor Ort, unter anderem Landwirte und Vertreter des Mittelstandes.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Habeck mit dem brandenburgischen Bauernpräsidenten Henrik Wendorff getroffen. Wendorff sagte, er habe mit Habeck über eine Entlastung für die Landwirtschaft gesprochen und ihm einen Plan zum Bürokratieabbau übergeben. "Wir brauchen Lösungen, und wir werden weiter Druck machen", sagte Wendorff.
Nach der Demo vor der Stadthalle verlagerte sich der Protest an den Hinterausgang der Halle. Bei seiner Abreise ist Habeck nach Angaben der Polizei mit Eiern beworfen, aber nicht getroffen worden.
Gute Stimmung für Fachkräftegewinnung
Die gegenwärtige Debattenkultur in Deutschland, einander wegzubrüllen, treibt Habeck nach eigenen Worten um. Sie zerstöre die Demokratie, sagte er bei der Konferenz. "Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, dass wir mit unterschiedlichen Meinungen aber als ein Land, als eine Gesellschaft, als eine Lausitz an einem Projekt arbeiten, dann wird es ganz schwierig werden", so Habeck. "Deshalb steht vor den ganzen Energiefragen die gesellschaftliche Energie, und die muss sich auch erneuern."
Die Worte sind bei der Konferenz von den Verantwortlichen der Energie-Konzerne immer wieder aufgegriffen worden. Denn für das, was sie vorhaben, brauchen sie nicht nur schnellere Genehmigungen und Planungen - da habe sich schon richtig was getan, heißt es aus der Branche - sondern auch eine gute Stimmung, um Fachkräfte zu gewinnen. Ohne sie sei die ganze Energiewende schwierig, sagte Stefan Kapferer, Chef des Netzbetreibers 50Hertz.
Leag-Chef Thorsten Kramer ist optimistisch, dass sich Menschen finden, die die Energiewende mitgestalten. "Wir machen uns nicht die Sorgen, weil das, über das wir heute sprechen, ist ja nicht morgen und übermorgen - das ist in einem Jahr, in zwei Jahren, in drei Jahren." Jetzt gehe es erstmal um das Stellen von Weichen.
Ausbau von Ökostrom im Plan
Konsens bei der Tagung war, dass man mit der Energiewende auf einem guten Weg sei. "Wir sind [...] viel weiter, als das in der öffentlichen Wahrnehmung der Fall ist", sagte 50Hertz-Chef Kapferer.
Trotz aller Schwierigkeiten und Proteste sieht Wirtschaftsminister Habeck den Ausbau von Ökostrom aus Wind und Sonne im Plan. "Wenn wir in dem Tempo weitermachen, dann haben wir es geschafft", so der Grünen-Politiker in Cottbus. "Wir biegen jetzt ein auf die Zielerreichungspfade."
Bis 2030 sollen nach Plänen der Bundesregierung 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Im Moment ist es gut die Hälfte. Dafür müssen nicht nur Solar- und Windparks ausgebaut werden, sondern auch die Stromnetze. Außerdem braucht es neue Kraftwerke für den Fall, dass der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Sie sollen erst mit Erdgas betrieben werden und später auch für Wasserstoff bereit sein. Ziel ist, dass Deutschland ab 2045 keine zusätzlichen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre bläst.
Habeck zeigte sich offen, große Überlandleitungen für Strom doch überirdisch zu bauen statt wie geplant in der Erde zu verlegen. Das würde aus Sicht der Netzbetreiber zweistellige Milliardenbeträge sparen. "Es darf aber nicht zu Verzögerungen führen", forderte Habeck.
Hilfe für Umstellung auf Wärmeversorgung gefordert
Die kommunalen Versorger und der Städte- und Gemeindebund forderten auf der Konferenz finanzielle Unterstützung des Bundes für die Umstellung auf Wärmeversorgung ohne Klimagase. Sie warnten Bauministerin Klara Geywitz (SPD) davor, die Kommunen bei der Wärmeplanung zu überfordern.
Nach dem neuen Wärmeplanungsgesetz sollen Großstädte bis Ende Juni 2026, kleinere Städte und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2028 Wärmepläne erstellen. Der Bund unterstützt die Kommunen dabei mit 500 Millionen Euro.
Es seien vor allem die Kommunen, die 80 bis 90 Prozent der Gesetze ausführten, sagte André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Sie bräuchten Hilfe, etwa für Planungen. Überforderung erzeuge Frust und schaffe weniger Akzeptanz vor Ort.
Woidke ruft zur Veränderungsbereitschaft auf
Zu der Konferenz wurden auch Bundesbauministerin Klara Geywitz und der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), ebenso wie die Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), und Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), angekündigt.
Woidke rief im Vorfeld die Menschen dazu auf, für eine positive wirtschaftliche Entwicklung veränderungsbereit zu sein. Der SPD-Politiker sagte am Dienstagmorgen im rbb24 Inforadio, es werde nicht möglich sein, voranzukommen, wenn jeder denke, in seinem Umfeld dürfe sich nichts ändern.
Zwar würden die Menschen jetzt noch nicht viel vom wirtschaftlichen Wachstum merken - zum Beispiel vom Ausbau erneuerbarer Energien und Industrieansiedlungen. Das werde sich aber ändern. Klar sei aber, dass damit auch Belastungen verbunden seien, betonte Woidke.
Mit Informationen von Iris Wussmann
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.02.2024, 12:30 Uhr