Gerichtsentscheidung - Protestcamp gegen Tesla-Werk Grünheide darf vorerst bleiben
Die Bewohner des Protestcamps am Tesla-Werk haben sich erfolgreich gegen Auflagen der Polizei gewehrt. Das Verwaltungsgericht in Potsdam hat am Dienstag entschieden, dass das Camp mit seinen Baumhäusern vorerst bestehen bleiben darf.
- Räumung des Tesla-Protestcamps voerst vom Tisch
- Polizei will Gerichtsentscheid gründlich prüfen
- Rund 80 Menschen protestieren und hausen aktuell im Wald nahe des Tesla-Werks
Die Baumhäuser im Protestcamp gegen die Erweiterungspläne des E-Autobauers Tesla in Grünheide dürfen bleiben. Das Verwaltungsgericht in Potsdam wies die Auflagen der Polizei am Dienstag zurück und verwies unter anderem auf den grundrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit. Eine Räumung des Camps ist damit vorerst nicht möglich.
Die "allgemeinen Erwägungen zu einer Unvereinbarkeit des Protestcamps einschließlich der Baumhäuser mit naturschutzrechtlichen und baurechtlichen Vorschriften für die versammlungsrechtlich gebotene Gefahrenprognose" reichten laut der Begründung des Gerichts nicht aus. Auch habe sich die Versammlungsbehörde nicht "im gebotenen Maße" mit dem Umstand befasst, dass die Versammlungsfreiheit durch die Grundrechte geschützt ist.
Vor dem Hintergrund des Protestes hätten versammlungsrechtliche Gefahren ausgemacht werden müssen, anstatt allgemeine bauordnungsrechtliche Umstände anzuführen, erklärte ein Sprecher des Gerichts nach der Entscheidung. Auch habe sich die Versammlungsbehörde nicht "im gebotenen Maße" mit dem Umstand befasst, dass die Versammlungsfreiheit durch die Grundrechte geschützt ist. Gegen die Entscheidung ist noch eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.
Polizei prüft - Aktivisten sehen sich bestätigt
Eine Sprecherin des Brandenburger Polzeipräsidums sagte rbb|24, dass man die Entscheidung jetzt prüfe. Erst danach könne man sagen, ob man weitere juristische Schritte einleite.
"Alle Auflagen, die wir bekommen haben, waren rechtswidrig. Wir haben in allen Punkten Recht bekommen und werden deshalb auch weiterhin hier bleiben", sagte ein Sprecher der Initiative "Tesla stoppen" nach der Entscheidung des Gerichts.
Rund 80 Aktivisten in Protestcamp
Die Auflagen waren am vergangenen Freitag vom Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) vorgestellt worden. Sie sahen neben dem Abbau der Baumhäuser ein striktes Betretungsverbot der Bauten vor. Die Aktivisten lehnten das ab und gingen gegen die Auflagen mit einem Eilantrag am Verwaltungsgericht vor, das seinerseits die Auflagen bis zur Entscheidung am Dienstag einfror.
Etwa 80 Aktivisten besetzen derzeit einen Teil eines Waldes an der Fabrik des E-Autoherstellers. Ihr Ziel ist es, eine Rodung des Waldstücks im Zuge einer geplanten Erweiterung des Geländes mitsamt Güterbahnhof zu verhindern. Ende Februar hatten sie ihr Camp errichtet. Eine Mehrheit der Bürger von Grünheide hatte in einer Bürgerbefragung gegen eine Erweiterung der Fabrik gestimmt. Die Gemeinde Grünheide schlägt in dem Konflikt vor, nur noch etwa die Hälfte des Waldes zu roden.
Nach der Gerichtsentscheidung herrschte im Camp ausgelassene Stimmung. Alle Beteiligten seien froh, dass das Camp nicht geräumt wird, erzählt eine Bewohnerin. "Damit ist das absolute Minimum an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erreicht. Jetzt können wir erst einmal durchatmen".
Man wolle nun bis mindestens zum 20. Mai bleiben, führte eine Sprecherin der Initiative "Tesla stoppen" am Dienstag aus. "Wir gehen erst, wenn die Werkserweiterung verhindert ist." Die Initiative kritisierte rückblickend das Vorgehen der Versammlungsbehörde. Es habe kein Kooperationsgespräch mit der Polizei oder eine angemessene Anhörung gegeben, sagte die Sprecherin der Initiative. Die Landesregierung habe von Anfang an versucht, den Protest zu kriminalisieren. "Unser Protest lässt sich nicht räumen."
Stübgen wollte Gerichtsentscheidnicht kommentieren
Innenminister Stübgen lehnte am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz zur Industriestrategie jeden Kommentar zu Tesla und dem Protestcamp ab.
Die Polizei hatte die Aufforderung zum Rückbau der Baumhäuser mit einem hohen Gefährdungspotenzial für die Menschen in dem Camp begründet. Die Aktivisten lehnten das ab, weil die Baumhäuser elementarer Bestandteil ihres Protestes seien. Innenminister Stübgen hatte am Freitag gesagt, dass Verstöße gegen die Auflagen ein Ende der Versammlung zur Folge haben könnte. Den Begriff "Räumung" vermied er.
Camp als politische Versammlung angemeldet
Die Waldbesetzer hatten nach eigenen Angaben zur Beurteilung der beanstandeten Sicherheitsaspekte an den Baumhäusern eigenständig ein Gutachten eines Bauingenieurs und eines Baumgutachters eingeholt. Der Bauingenieur bescheinigte demnach den Bauten hohe Sicherheitsstandards, so ein Sprecher der Initiative. Die Installationen könnten "über Monate, wenn nicht sogar über Jahre" in den Bäumen verbleiben. Der Baumgutachter habe auch bescheinigt, dass die Baumhäuser baumschonend gebaut seien.
Die Aktivisten erteilten auch den neuen, angepassten Plänen zum Ausbau der Fabrik eine Absage. Den "B-Plan light" lehne man ab, sagte die Sprecherin von "Tesla stoppen". Die Gemeinde Grünheide und Tesla hatten vor wenigen Tagen einen angepassten Bebauungsplan vorgestellt. Statt der über 100 Hektar, die ursprünglich zur Rodung für die Erweiterung des Geländes vorgesehen waren, sollen demnach nur noch knapp 50 Hektar Wald gerodet werden. Ab Donnerstag will die Gemeinde die Bürger in einem Beteiligungsverfahren auch bei diesen Plänen einbeziehen.
Die Aktivisten hatten das Camp wie eine Demonstration als politische Versammlung angemeldet. Solche Veranstaltungen unterliegen dem Versammlungsrecht und müssen von der Polizei nicht extra genehmigt werden. Sie können aber unter bestimmten Umständen untersagt oder mit Auflagen versehen werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.03.2024, 16:00 Uhr
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