Biomasse für Kraftwerke - Berlin will für Fernwärme Holz verheizen - Kritik von Klimaexperten
Der Berliner Senat plant, zur Erzeugung von Fernwärme große Mengen Holz zu verfeuern. Bäume sollen dazu von weit her herangeschafft werden. Umweltexperten kritisieren die Pläne: Holz verheizen sei "weder grün noch nachhaltig".
Senat und das Landesunternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW) wollen Holz verbrennen, um Fernwärme zu erzeugen
Verfeuert werden sollen Altholz, aber auch Wald- und Plantagenbäume
Der Senat betont, das sei wichtig für die Versorgungssicherheit
Umweltschützer kritisieren die Pläne als zu kurz gedacht und nicht umweltfreundlich
Die Pläne, Holz im großen Stil für die Erzeugung von Fernwärme zu nutzen, ist bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus auf Skepsis gestoßen. Große Mengen Biomasse seien "weder grün noch nachhaltig", sagte Wolfgang Lucht, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Naturschutzbund Nabu nannte Planungen für eine klimaneutrale Fernwärme ein "Armutszeugnis".
Senat und das Landesunternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW) wollen Biomasse einsetzen. Sie geben an, so solle die Versorgungssicherheit gesichert werden.
Nach den Plänen von Vattenfall, dem langjährigen Fernwärmebetreiber, sollen künftig bis zu 17 Prozent der Fernwärme aus Biomasse erzeugt werden. Als Biomasse gelten Altholz, Reste aus der Parkpflege, schnell wachsende Baumarten auf Plantagen, aber auch Waldholz. An diesen Biomasse-Plänen hält auch der neue Betreiber, das landeseigenen Unternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW), im Prinzip fest.
Warnung vor Raubbau an der Natur
Lucht, der als Sachverständiger die Bundesregierung berät, warnte im Umweltausschuss des Parlaments, dass eine exzessive Nutzung von Holz für die Wärmerzeugung auf "Raubbau an der Natur" hinauslaufe. Der Rohstoff Holz verbrenne schnell, wachse aber nur langsam nach. Im kleinen Maßstab sei das kein Problem, so der Wissenschaftler vom PIK. Im Kraftwerksmaßstab laufe man aber in die Falle, "dass mehr Kohlenstoff durch den Schornstein geht als in der Landschaft nachwächst".
Zweifel an Durchsetzbarkeit der Nachhaltigkeitsziele
Der Manager Marko Voss vom neuen Fernwärme-Betreiber Berliner Energie und Wärme (BEW) bezifferte den zukünftigen Bedarf an Biomasse auf 450.000 bis 480.000 Tonnen Biomasse im Jahr für das bestehende Kraftwerk im Märkischen Viertel und neue Anlagen an den Standorten Klingenberg und Reuter West. Bislang nutze sein Unternehmen regionale Biomasse aus einem Umkreis von 60 Kilometern um Berlin, erklärte Voss. "Wir werden aber den Radius erhöhen müssen", stellte er fest. Holz soll demnach auch aus Regionen kommen, die bis zu 250 Kilometer entfernt sind.
Michaela Kruse vom Naturschutzbund (Nabu) bezweifelte, dass sich bei diesen Mengen Nachhaltigkeitsziele einhalten lassen. Außerdem würden andere Städte und Kommunen ebenfalls versuchen, ihren Energiebedarf über Biomasse zu decken. Das werde sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und auch auf die Preise auswirken. "Dieser Plan wird daher nicht aufgehen, wenn alle umswitchen", so ihre Prognose.
Klimaschutz nur auf dem Papier
Kruse kritisierte zugleich, dass mit der geplanten Umstellung von Kohle auf Holz Klimaschutz nur auf dem Papier stattfinde. "Viel Geld geht in eine Scheinlösung", sagte die Umweltschützerin. Auch Klimaforscher Lucht vom Potsdam-Institut warnte, dass bei der Verbrennung von Holz erheblich mehr CO2 als bei fossilen Energieträgern freigesetzt werde. Der Nabu verlangte daher, alle Planungen für Holzkraftwerke in Berlin zu stoppen.
Für den Senat bekräftigte Wirtschaftsstaatssekretär Severin Fischer (SPD), dass die Biomasse weiter "einen nicht unerheblichen Teil" in der Strategie zur Umstellung der Fernwärme einnimmt. Fischer betonte, dass Biomasse "kein Selbstzweck" sei, sondern Mittel auf dem Weg zur Dekarbonisierung - also den Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) zu senken.
"Für uns ist auch ganz wichtig, dass wir dauerhaft Versorgungsstabilität und Preisstabilität für die Berliner Kundinnen und Kunden gewährleisten müssen", sagte der SPD-Politiker.
Keine ausreichenden Alternativen
Alternative Energiequellen wie Geothermie stünden nach seiner Einschätzung zumindest bis 2030 nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Man müsse daher zunächst mit einem deutlichen Anteil von Biomasse planen. Ob und wie deutlich dieser Anteil später wieder sinken könnte, blieb offen. Marko Voss von der Berliner Energie und Wärme betonte bei der Anhörung, dass Holz als lagerfähiger Brennstoff eine große Bedeutung habe.
Der Umbau der Berliner Fernwärme sei - auch angesichts vieler offener Fragen "dynamischer" Prozess, räumte Wirtschaftsstaatssekretär Fischer ein. Die Berliner Energie und Wärme (BEW) kalkuliert mit drei Milliarden Euro, die in die Wärmewende investiert werden müssen. Das Verfeuern von Holz am Standort Reuter-West will das Landesunternehmen 2029 starten.
Sendung: rbb24 Abendschau, 05.09.2024, 19:30 Uhr