Bilanz nach drei Jahren - Was der Öko-Aktionsplan Brandenburg gebracht hat

So 27.10.24 | 08:02 Uhr | Von Katrin Neumann
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Ein Landwirt erntet am 24.06.2024 mit seinem Mähdrescher Gerste auf einem Feld in Ostbrandenburg (Luftaufnahme mit einer Drohne). (Quelle: dpa-Bildfunk/Patrick Pleul )
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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 27.10.2024 | Katrin Neumann | Bild: dpa-Bildfunk/Patrick Pleul

Brandenburg hat mit einem Öko-Aktionsplan seit 2021 rund 184 Millionen Euro investiert - und seitdem gerade einmal vier Prozentpunkte mehr Ökofläche erreicht. Das liegt auch an einem Problem mit Mühlen. Von Katrin Neumann

  • Brandenburg hat zu wenige Mühlen, die auch kleinere und teurere Mengen Getreide verarbeiten
  • Ausländisches und konventionelles Getreide ist rentabler für Mühlen, weil es weniger kostet und besser abgesetzt werden kann
  • Der Öko-Aktionsplan zahlt Prämien für Öko-Flächen und Investitionen, ist aber bei Infrastruktur zahnlos

Mehr Öko-Landbau in Brandenburg - aber wie? Die Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen setzte im Jahr 2021 einen sogenannten Öko-Aktionsplan auf. Bio-Landwirte sollen mit Geld und Wissen unterstützt und so mehr konventionelle Bauern von der Landwirtschaft ohne Pestizide und synthetischen Dünger überzeugt werden. Doch drei Jahre später zeigt sich: So ganz scheint das nicht zu funktionieren, wie das Beispiel Getreide zeigt.

Es fehlen Mühlen

Es sei durchaus üblich, sagt der Bio-Landwirt Holger Jonas aus Dahme-Spreewald, dass Bio-Getreide aus Brandenburg in andere Bundesländer gefahren wird, um dort geschält und gemahlen zu werden - während zum Beispiel kasachisches oder ukrainisches Getreide in Brandenburger Mühlen gemahlen und als Mehl weiterverkauft wird.

Als Bio-Landwirt könne er mit den Preisen und Mengen konventioneller und vieler ausländischer Mitbewerber nicht mithalten. Bio-Getreide sei aufwendiger in der Pflege, sagt Jonas, weil Unkraut beispielsweise nicht mit Pestiziden, sondern mit Maschinen bekämpft werden muss. Das kostet Zeit und der Ernteertrag ist deutlich niedriger als bei konventioneller Landwirtschaft. All das macht Bio-Getreide teurer.

Für Mühlen ist es oft unwirtschaftlich, kleine und kostenintensive Bio-Getreidemengen zu verarbeiten. Sie bevorzugen im Ankauf günstiges Getreide, was dann als Mehl leicht an Groß- oder Einzelhändler weiter vermarktbar ist. So ist die Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Getreide deutlich schwieriger, auch weil es nach Aussagen von Jonas zu wenige Mühlen gibt. Die Mühlenbetreiber könnten sich ihre Aufträge aussuchen, so Jonas, der auch im Vorstand des Bauernverbands Südbrandenburg ist.

Aktionsplan soll Öko-Anbauflächen vermehren

Für den Ökoaktionsplan hat Brandenburg laut Landwirtschaftsministerium bislang 184 Millionen Euro ausgegeben. Das Ergebnis: Die Öko-Fläche ist von 13,2 Prozent im Jahr 2019 auf 17,3 Prozent im Jahr 2024 angewachsen, also um gut vier Prozentpunkte. Das erklärte Ziel waren bis zum Ende der Legislaturperiode in diesem Jahr 20 Prozent [mluk.brandenburg.de].

Irene Kirchner, zuständig für ökologischen Landbau im Landwirtschaftsministerium, stellt das Ergebnis zufrieden, wie sie sagt. Sie fügt aber hinzu, dass die regionalen Unterschiede groß seien: "Wir haben zum Beispiel in Dahme-Spreewald 30 Prozent ökologischen Landbau. In Elbe-Elster oder in der Prignitz ist es ein bisschen weniger. Da muss man gucken, woran liegt es am Ende des Tages."

Hintergrund

Tino Ryll führt mit seinem Bruder Ronny einen Bauernhof im Niederen Fläming, den sie nach dem System der regenerativen Landwirtschaft betreiben, die mit natürlichen Methoden die Bodenqualität verbessert. Dazu gehört, dass direkt nach der Gerstenernte eine Zwischenfrucht auf den Acker kommt. (Quelle: rbb/Michaela Grimm)
rbb/Michaela Grimm

Zahlen und Fakten - Öko-Landbau in Brandenburg

  • 2010 gab es in Brandenburg noch 690 Öko-Betriebe, 2020 waren es 821, und 2023 wurde mit 1.000 Betrieben ein neuer Höchststand erreicht.
  • Dies entspricht 19 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe im Bundesland.
  • Die Öko-Betriebe bewirtschafteten 2023 eine Fläche von 231.400 Hektar.
  • Beim Anteil ökologisch bewirtschafteter Fläche an der landwirtschaftlichen Nutzfläche (17,3 Prozent) liegt Brandenburg auf Platz 2 im Bundesländervergleich - hinter dem Saarland. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 11,8 Prozent.
  • Die Kreise mit dem höchsten Anteil an ökologisch bewirtschafteter Fläche sind Dahme-Spreewald, Spree-Neiße und Barnim.

Der Landwirt ist willig, allein die Kaufkraft ist schwach

An fehlenden willigen Landwirten scheint es jedenfalls nicht zu liegen. Bei einem Seminar zur Öko-Getreidewirtschaft in Brandenburg kommen diese Woche ungefähr fünfzig Akteure der Getreide-Wertschöpfungskette zusammen. Landwirte, Mühlenbetreiber, Verbände, Vermarkter, Lagerbetreiber und Händler diskutieren darüber, wie regionale Produkte auch regional verarbeitet und vermarktet werden können und das, obwohl sie teurer sind.

Immer wieder ist zu hören, dass am Ende auch die Bereitschaft der Verbraucher da sein muss, mehr Geld für regionale Produkte auszugeben. Kristin Paulokat vom Spreewaldverein, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, regionale Landwirtschaft zu stärken, beobachtet einen gegenteiligen Trend: "Durch die Inflation greifen die Konsumierenden eher zu günstigeren Produkten oder auch zu Bio aus dem ganzen EU-Land oder EU-Ausland und nicht mehr zu den regionalen Bio-Produkten, die hochpreisiger sind", sagt sie. Der aktuelle Bio-Marktbericht aus dem April 2024 registrierte noch eine steigende Nachfrage nach Bio-Produkten in der Region.

Das Problem der Öko-Landwirtschaft in Brandenburg liege in der Infrastruktur nach der Ernte. Neben Mühlen würden auch Lagerkapazitäten fehlen, sagt der Bio-Landwirt Jonas. Thomas Syring, der sowohl konventionell als auch ökologisch anbaut, ergänzt, dass Infrastruktur zum Reinigen und Schleifen von Bio-Getreide für kleinere Mengen fehle. Finden sich keine Verarbeiter, auch nicht außerhalb von Brandenburg, müsse Ernte im Lager gelassen und im Folgejahr als Saatgut verwendet werden. Mitunter wird wertvolles Bio-Getreide dann auch als Tierfutter verscherbelt oder das teuer produzierte Getreide muss zu herkömmlichen Preisen verkauft werden.

Viel Landesmittel für wenig Ergebnis

Wirtschaftlich überleben können Bio-Bauern aktuell nur mit Subventionen - wie auch ihre konventionell wirtschaftenden Kollegen. Auch aus dem Ökoaktionsplan gibt es Flächenprämien und zusätzliches Geld für Investitionen, die mit einem Bio-Betrieb zusammenhängen. Außerdem werden im Rahmen des Ökoaktionsplans Seminare und Netzwerkveranstaltungen organisiert, damit Erfahrungs- und Wissensaustausch zu Synergien führen kann.

Der Bio-Bauer Jonas zeigt sich nur sehr verhalten optimistisch, ob der Ökoaktionsplan einen Unterschied für Struktur und Kaufkraft bringen kann. Den Austausch mit anderen Vertretern der Getreide-Branche finde er gut: "Es sind endlich Anfänge unternommen worden. Weit sind wir noch nicht gekommen. Aber wir sind im Gespräch und das ist schon mal wichtig."

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 27.10.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Katrin Neumann

Kommentar

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45 Kommentare

  1. 45.

    Sie denken auch, daß Sie auf alle Fragen die richtige Antwort wissen. Selbstverständlivh gibt es solche Brote ohne Chemie, Vollkornschrot. Bei der Armee haben wir das Atombrot genannt, das ist Jahre haltbar. Kameradin.

  2. 41.

    Ob Krebsfälle in der industriealisierten Welt auf konventionelle Landwirtschaft und vielleicht zu hoch angesetzte Grenzwerte zurückzuführen sind, kann ich nicht beantworten. Ich glaube es nur nicht. Die industriealisierten Menschen kochen allerdings viel seltener frisch, holen sich Fertiggerichte, vorgefertigte Lebensmittel und die halten ungekühlt Wochen und sogar Monate. Wenn man das nicht isst, sondern sich damit einreiben, verschwinden womöglich alle Falten. Ich kaufe nie Bio oder Fertigprodukte, weil Pilze und Bakterien und Zucker ganz einfach noch schlimmer sind, als ein Grenzwert Pestizide oder die Liste von Konservierungsmitteln.

  3. 40.

    Na schon mal die gesamte Dienstleistungssparte die nicht international konkurrieren.
    Nur Globalplayer wie Siemens oder die deutschen Autoindustrie müssen regelmäßig mit Steuergeldern auf ihren internationalen Feldzügen nachgeholfen werden.
    Allerdings so eine ausgedehnte hohe Dauersubventionierung, wie in der Landwirtschaft, muß man bei anderen Branchen schon mit der Lupe suchen.

  4. 39.

    Warum verbreiten Sie schamlose Lügen? Die Haferflocken Bio kosten bei Aldi z.B. nur 0,85E, bei Lidl, auchBio, ähnlich! Also erstmal rumgucken, bevor es mit dem Meckern losgeht.

  5. 37.

    Also wenn ich mich an meine Kind und Schulzeit erinnere wurden Felder im Herbst und Frühjahr immer Gepflügt.
    Erst später wurde mit dem Einsatz von Pestiziden darauf verzichtet und nur noch Gescheibt oder Gegrubbert.

  6. 36.

    Keine andere Berufsgruppe wie diese Angestellten einer Agrargroßindustrie werden so hoch subventioniert, dafür sorgen schon deren Lobbyisten in Berlin und Brüssel.

  7. 35.

    Keine andere Berufsgruppe wie diese Angestellten einer Agrargroßindustrie werden so hoch subventioniert, dafür sorgen schon deren Lobbyisten in Berlin und Brüssel.

  8. 33.

    Ich schrieb, weit mehr als andere Berufsgruppen. Sollten Ihnen mehrere einfallen, die anteilig zu ihrem Einkommen in etwa gleicher Höhe subventioniert werden, bin ich gespannt. Nochmal: Ich stellte das nur fest. Es ging mir um die Frage, was konkret am vorliegenden Vorgehen "Ideologie" sein soll und wodurch sich diese in diesem betriebswirtschaftlichen Zusammenhang definieren soll. Das war alles.

  9. 32.

    Einfrieren mal ausgenommen. Welches Brot ist bitteschön drei Wochen haltbar?
    Das Zeug bräuchte 'n Beipackzettel.

  10. 31.

    Haben sie sich diesbezüglich schon mal mit hochverarbeiteten Lebensmitteln auseinandergesetzt?

  11. 29.

    Nö, dit ist nicht wahr. Die Bauer in Brandenburg, nicht die Bio, sondern die Chemiebauern (Pestizide), haben fast alle Rücklagen von mehreren hundertausend Euro. Das kommt nach einer Ernte schnell zusammen! Und dann regen die sich noch über 10-20m breiet Blühstreifen und Hecken auf, weil sie zu geizig sind! Außerdem machen die die Böden durch die ständige Pflügerei mit ultraschwerem Gerät kaputt und laugen sie aus! Die müssen endlich umlernen!

  12. 28.

    Zumindestens ist die Lebenserwartung, trotz oder wegen konventioneller Landwirtschaft in Deutschland nicht gesunken. Unabhängig davon ist sie gestiegen. Zum Glück. Darauf einen konventionellen Kaffee! ;)

  13. 27.

    Sie können es nennen wie Sie wollen, Landwirte werden durch Steuergelder subventioniert und das prozentual nicht gering, gerade im Vergleich zu anderen Branchen. Ich kritisiere das nicht, es ist schlichtweg ein nüchterner Fakt - und betrifft alle Betriebe. Insofern ist der inflationär verwendete Begriff "Ideologie" wie so oft ein plump dahingeworfener, eine hohle Phrase. Als gäbe es einen Gegensatz konventionell (nicht-ideologisch) vs. Bio (ideologisch). Könnten Sie genauso umdrehen: Konventionell folgt der Ideologie des möglichst großen Ertrags mit möglichst wenig Kosten. Wäre selbstredend völlig bescheuert, weil es so einfach nicht ist.

  14. 26.

    Sie haben natürlich recht ... ,Erkennungsrate' ist drastisch gestiegen - gut so!
    Jedoch ,kämpfen' anerkannte Ärzte - nicht umsonst - für eine Herabsetzung bzw. frühere Krebsvorsorgeuntersuchungen, da z.B. Haut-, Darm- und auch Brustkrebs in jüngeren Jahren zunehmen - weltweit.

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