Interview | Josef Hader - "Für mich ist Humor eine Waffe gegen alle Dinge, die mir nicht gefallen"
Schwarzer Humor in der österreichischen Provinz: Eine Frau will ihren Mann um jeden Preis verlassen. Am Sonntagabend feierte "Andrea lässt sich scheiden" von Josef Hader Premiere auf der Berlinale. Ein Gespräch über rote Teppiche und das Landleben im Allgemeinen.
rbb: Herr Hader, als Kabarettist sind Sie die große Bühne gewöhnt. Da fühlen Sie sich im Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich sicherlich auch wohl...
Josef Hader: Ein bisschen ist die Berlinale etwas, wo man hindurchgetrieben wird – wie Kühe bei einer Versteigerungshalle. Der rote Teppich hat etwas Ländliches, finde ich. Die Rindviecher werden durchgetrieben und irgendwie taxiert. Aber sie werden am Ende nicht geschlachtet. Das ist das Tolle an der Berlinale.
Ihr erster Film "Wilde Maus" war ein großer Erfolg. Haben Sie Druck verspürt, dass Ihr zweiter Film daran anknüpfen muss?
Josef Hader: Ich habe mir nicht gedacht, dass ich unbedingt noch einen Film machen muss. Ich habe mir eher am Ende gedacht: Nie wieder! Dann habe ich aber vergessen, wie das war. Und dann ist mir diese Geschichte eingefallen über eine Provinz. Ich komme vom Land. Und ich ärgere mich immer über Filme, die auf dem Land spielen und nicht korrekt sind. Ich habe mir gedacht: Da solltest du schon auch die Regie wieder machen, weil du das einfach gut kennst.
Der zweite Film war viel schwieriger und stressiger. Und ich hoffe nicht, dass es deswegen ist, weil ich so viel älter geworden bin. Ich hoffe, der Grund lag tatsächlich darin, dass wir so viele verschiedene Schauplätze hatten. Wir haben uns eine Provinz zusammengesucht, die dann im Film so aussieht, als wäre das alles einen Steinwurf entfernt. Und dadurch war das ganz viel Logistik.
Reden wir mal über die Provinz, in der Ihr neuer Film "Andrea lässt sich scheiden" spielt. Was für eine Welt ist das?
Ich habe versucht, lauter kleine Pinselstriche zu ziehen, die miteinander eine Stimmung ergeben. Und das ist dann nicht dieser Blick der Idylle, so wie beim "Bergdoktor", wo alle mit schöner Aussicht in irgendwelchen Villen sitzen, die auf den Alpen gebaut werden und Hochdeutsch reden. Und es ist auch nicht dieser Stadtblick aufs Land, wo am Land irgendwie die seltsamen Menschen wohnen. Dieser sozusagen koloniale Blick, den die Städter manchmal aufs Land haben, als wäre das ein fremder Volksstamm. Diese zwei Dinge wollte ich nicht machen. Ich habe einfach gesammelt, was mir so in den Sinn kommt an Erlebnissen – auch an Dingen, die ich erst kürzlich erlebt habe, weil ich ja immer wieder rausfahre. Ich denke mir: Film ist generell ein Puzzle. Man trägt zusammen und verlässt sich drauf, dass es am Schluss ein Gesamtbild ergibt. Und die Provinz im Film ist auch so ein Puzzle aus vielen kleinen Beobachtungen.
Ist das Landleben nicht auch ein bisschen traurig?
Das Landleben ist nicht trauriger als das Stadtleben. Für mich war es nix. Ich bin weg. Aber ich habe gute Freunde, die mit wirklich guten Gründen auch dortgeblieben sind. Der Film erzählt tatsächlich eine Gegend, die ein bisschen abgehängt ist, wo Leute wegziehen. In einem Landstrich, wo es wirtschaftlich eher runtergeht als rauf: Das ist nicht nur traurig, da ist auch viel Platz für einen speziellen Humor, der wahrscheinlich eine Spur lakonischer ist als in der Stadt.
Die Protagonistin in Ihrem Film will sich unabhängig von den Männern in ihrem Leben machen. Welchen Herausforderungen begegnet die Figur Andrea?
Andrea ist gleich am Beginn des Films eine Frau, die wegwill aus der Provinz – aber nicht mit 20, sondern jetzt mit 40. Der Grund war nicht ein großes Ereignis, es waren viele kleine Nadelstiche. Eine Frau, die einen eigenen Kopf hat und ihr Leben selbstbestimmter leben will, muss am Land einiges aushalten. Sie ist Polizistin, und sie arbeitet auch dort, wo sie wohnt. Etwas, was niemand gerne macht, der bei der Polizei arbeitet. Die Andrea ist ein bisschen der Cowboy dieses Niederösterreich-Westerns. Sie darf das, was früher nur die Männer durften. Sie hat ein Pokerface, die Augen sind zu Schlitzen zusammengezogen und äußerlich unbewegt tritt sie dieser Männergesellschaft gegenüber, aber innen brodelt es.
Verkörpert wird Andrea von Birgit Minichmayr. Aber auch Sie spielen im Film. Wie ist das, sowohl als Schauspieler, als auch als Regisseur am Set zu sein?
Es ist eine Überforderung. Ich mache es deswegen, weil man in der Regie eine Chance hat, dem Film eine sehr persönliche Färbung zu geben, die man sonst nicht hat. Und wenn es dann eine Rolle ist, die schon speziell mit mir auch zu tun hat und auf mich zugeschnitten ist, dann mach ich's gleich selber. Das Hauptproblem ist natürlich, dass man mit den anderen im Team spielt und dann plötzlich der Chef ist. Ich versuche es aber so zu machen, als wären wir eine Band. Wir spielen also ein Musikstück zwei, drei Mal. Und dann sage ich zu den anderen Bandmitgliedern: Wir schauen uns das jetzt mal an, wer möchte kann Vorschläge machen. Also ich versuche, das irgendwie im Team hinzubekommen.
Der Film verhandelt auch ernste Themen mit sehr viel Humor, zum Beispiel als Andrea versehentlich ihren Noch-Ehemann überfährt und Fahrerflucht begeht. Wie schaffen Sie es, den Humor nicht zu verlieren in diesen Zeiten der Krisen?
Für mich war Humor immer eine Waffe gegen alle Dinge, die mir nicht gefallen. Humor war seit frühester Kindheit etwas, was ich verwendet habe, um mir die Welt ein bisschen wieder auf Distanz zu halten. Deswegen habe ich ja wahrscheinlich diesen schwarzen Humor, der sich abarbeitet an Dingen, über die es eigentlich nichts zu lachen gibt.
Danke für das Gespräch.
Das Interview führte Franziska Hessberger für rbbKultur.
Sendung: Berlinale Studio, 17.02.2024, 18:30 Uhr.