Preisverleihung - Goldener Bär der Berlinale für Raubkunst-Doku "Dahomey"
Die Jury hat entschieden: Am Samstagabend ging der Goldene Bär an die Doku "Dahomey" von Mati Diop, ein deutscher Film war ebenfalls unter den Gewinnern. Auch dieses Festival erwies sich als ausgesprochen politisch. Von Ula Brunner
Mit dem Goldenen Bär für "Dahomey", eine Koproduktion von Frankreich, Senegal und Benin, fand die Preisverleihung am Samstagabend ihren Höhepunkt. In der Doku-Essay begleitet Regisseurin Mati Diop die Rückgabe von 26 Raubkunst-Exponaten aus einem Pariser Museum nach Benin, ehemals Dahomey. Diop, die 2019 für den Spielfilm "Atlantique" in Cannes mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurde, gelingt es, das brisante Thema der Restitution in einer knappen Stunde auf den Punkt zu bringen. "Restitution ist Gerechtigkeit", sagte die französisch-senegalesische Filmemacherin, als sie ihren Preis entgegennahm, und rief dazu auf, die afrikanische Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Und das sind die Gewinner!
Noch eine weitere, formal ungewöhnliche, afrikanische Koproduktion wurde von der siebenköpfigen Jury unter Vorsitz der kenianisch-mexikanischen Schauspielerin und Regisseurin Lupita Nyong'o berücksichtigt: Nelson Carlos De Los Santos Arias erhielt für seinen Film "Pepe" den Silbernen Bären für die Beste Regie. Darin erzählt der dominikanische Filmemacher eine Geschichte über zwei Kontinente hinweg, von Südwestafrika bis Kolumbien - und zwar aus der Warte eines Nilpferds.
Silberner Bär für Altmeister Sangsoo
Über den Silbernen Bären großer Preis der Jury freute sich der koreanische Altmeister Hong Sangsoo, ein regelmäßiger Gast im Wettbewerb. Mit großer Leichtigkeit erzählt er in seinem aktuellen Film "A Traveler's Needs" von einer Europäerin – gespielt von Isabelle Huppert – die in Korea gelandet ist und dort Sprachunterricht erteilt. "Ich nicht, was Sie in dem Film sahen", sagte Sangsoo mit Blick auf die Internationale Jury, "aber ich bin neugierig darauf, es zu erfahren."
Mit dem Preis der Jury geehrt wurde "The Empire" von Bruno Dumont, eine ungewöhnliche Science-Fiction-Komödie: In einem verschlafenen französischen Küstenort tragen zwei verfeindete außerirdische Imperien den ewigen Kampf gegen Gut und Böse aus. Ebenso ungewöhnlich wie sein Film war auch die Dankesrede des Regisseurs, die er den überraschten Galagästen via Sprach-KI auf seinem Handy übermittelte: "Ein Kinofilm hat kein Geschlecht, keine Hautfarbe – ein Kinofilm ist ein Kinofilm", philosophierte die Maschinenstimme.
Bestes Drehbuch für Matthias Glasners "Sterben"
Auch ein deutscher Wettbewerbsbeitrag konnte einen Silbernen Bären nach Hause nehmen: Matthias Glasner wurde für seinen Film "Sterben" für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. In drei Stunden und mit drei verschiedenen Perspektiven breitet Glasner eine komplizierte Familiengeschichte aus. In dem Drama über dysfunktionale und entfremdete Beziehungen brillieren Corinna Harfouch, Lars Eidinger und Lilith Stangenberg. Er verarbeite darin, so Glasner selbst, auch eigene Erfahrungen.
Emily Watson und Sebastian Stan sind die besten Darsteller:innen
Einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller erhielt Sebastian Stan. In "A Different Man" sieht man Stan, der vor allem als Actionstar in Marvel-Verfilmungen wie "Captain America" bekannt wurde, in einer ungewöhnlichen Rolle: Er verkörpert einen Schauspieler, dessen Gesicht durch die Krankheit Neurofibromatose entstellt ist – und der nach einer überraschenden Heilung feststellen muss, dass sein Leben nicht weniger kompliziert ist. Es sei sein erster Preis, der er jemals auf einem europäischen Filmfestival erhalten habe, sagte der rumänische-amerikanische Star.
Als beste Nebendarstellerin wurde Emily Watson geehrt. Sie spielt in dem Eröffnungsfilm "Small Things Like These" die herrische Oberin eines örtlichen Klosters.
Für seine herausragende Kameraleistung in "Des Teufels Bad" der österreichischen Horror-Spezialist:innen Veronika Franz und Severin Fiala erhielt auch Martin Gschlacht einen Silbernen Bären.
Favorit geht leer aus
Insgesamt 20 Produktionen aus 30 beteiligten Ländern konkurrierten bei der diesjährigen Berlinale um den Goldenen und die sieben Silbernen Bären konkurriert.
Nicht berücksichtigt bei der Bären-Preisvergabe wurde "A Favorite Cake" von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, der von der Presse als Bärenfavorit gehandelt wurde. Das Reiseverbot gegen die iranischen Regisseur:innen hatte bereits im Vorfeld für Proteste gesorgt. "In Liebe, eure Hilde", der deutsche Wettbewerbsbeitrag von Andreas Dresen über die NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi ging ebenfalls leer aus.
Den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhielt bereits am Dienstag der US-Regisseur und Produzent Martin Scorsese ("Killers oft the Flower Moon"). Der 91-jährige deutsche Filmemacher Edgar Reitz, bekannt vor allem durch die "Heimat"-Trilogie, wurde am Donnerstag mit der Berlinale Kamera für besondere Verdienste um das Filmschaffen ausgezeichnet.
"Hass hat keinen Platz"
Auch die diesjährige Berlinale zeigte sich als ausgesprochen konfliktbewusstes Festival, ein besonderer Fokus lag auf dem Krieg im Nahen Osten. Zu dezidiert pro-palästinenesichen Statements kam es bei der Verleihung des Dokumentarfilmpreises an "No Other Land". Der Film erhält am Sonntag übrigens auch den Panorama-Publikumspreis. Realisiert von einem palästinensisch-israelischen Kollektiv, thematisiert "No Other Land" die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland. Ein Jury-Mitglied hatte sich einen Zettel auf den Rücken geklebt mit der Forderung nach einem Waffenstillstand. Wie auch einige andere Preisträger:innen nutzten die Filmschaffenden ihre Laudatio, um sich unter dem Applaus des Publikums, für einen Stopp der Kämpfe auszusprechen. Auch Mati Diop hatte bei ihrer Laudatio ihre Solidarität für Palästina Ausdruck verliehen: "I stand in solidarity with Senegal, with Palestine", erklärte sie.
Auf der Preisgala betonten Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, das Festival stelle sich gegen jegliche Art von Diskriminierung. "Wir sind ein Raum, wo Hass keinen Platz" hat. Bereits am Eröffnungsabend am 15. Februar hatte die Festivalleitung zu einer Berlinale "im Geiste der Solidarität" aufgerufen. Vorausgegangen war die Ein- und anschließende Ausladung von AfD-Mitgliedern.
Berlinale endet mit Publikumstag
Am Sonntag endet die Berlinale mit dem Publikumstag. Dabei werden noch einmal zahlreiche Festivalfilme gezeigt; wobei die meisten Vorstellungen aber schon ausverkauft sind. Insgesamt zeigte das Festival vom 15. bis zum 25. Februar in verschiedenen Programmsektionen mehr als 230 Filme aus insgesamt 80 Ländern.
Zahlreiche Weltstars besuchten das Festival, darunter Cillian Murphy, Adam Sandler, Carey Mulligan, Sharon Stone, Isabelle Huppert oder Martin Scorsese. Es ist nach fünf Jahren das letzte Filmfest des Leitungsduos Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. Im April übernimmt die US-Amerikanerin und frühere Chefin des London Film Festivals, Tricia Tuttle, die Intendanz der Berlinale.
Sendung: rbb24 Abendschau, 24.02.2024, 19:30 Uhr