Preisverleihung - Goldener Bär der Berlinale für Raubkunst-Doku "Dahomey"

So 25.02.24 | 11:57 Uhr
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Director Mati Diop displays the Golden Bear she received for her documentary "Dahomey" at the International Film Festival, Berlinale, in Berlin. (Quelle: dpa/Schreiber)
Bild: dpa/Schreiber

Die Jury hat entschieden: Am Samstagabend ging der Goldene Bär an die Doku "Dahomey" von Mati Diop, ein deutscher Film war ebenfalls unter den Gewinnern. Auch dieses Festival erwies sich als ausgesprochen politisch.

Mit dem Goldenen Bär für "Dahomey", eine Koproduktion von Frankreich, Senegal und Benin, fand die Preisverleihung am Samstagabend ihren Höhepunkt. In der Doku-Essay begleitet Regisseurin Mati Diop die Rückgabe von 26 Raubkunst-Exponaten aus einem Pariser Museum nach Benin, ehemals Dahomey. Diop, die 2019 für den Spielfilm "Atlantique" in Cannes mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurde, gelingt es, das brisante Thema der Restitution in einer knappen Stunde auf den Punkt zu bringen. "Restitution ist Gerechtigkeit", sagte die französisch-senegalesische Filmemacherin, als sie ihren Preis entgegennahm, und rief dazu auf, die afrikanische Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Und das sind die Gewinner!

Noch eine weitere, formal ungewöhnliche, afrikanische Koproduktion wurde von der siebenköpfigen Jury unter Vorsitz der kenianisch-mexikanischen Schauspielerin und Regisseurin Lupita Nyong'o berücksichtigt: Nelson Carlos De Los Santos Arias erhielt für seinen Film "Pepe" den Silbernen Bären für die Beste Regie. Darin erzählt der dominikanische Filmemacher eine Geschichte über zwei Kontinente hinweg, von Südwestafrika bis Kolumbien - und zwar aus der Warte eines Nilpferds.

Silberner Bär für Altmeister Sangsoo

Über den Silbernen Bären großer Preis der Jury freute sich der koreanische Altmeister Hong Sangsoo, ein regelmäßiger Gast im Wettbewerb. Mit großer Leichtigkeit erzählt er in seinem aktuellen Film "A Traveler's Needs" von einer Europäerin – gespielt von Isabelle Huppert – die in Korea gelandet ist und dort Sprachunterricht erteilt. "Ich nicht, was Sie in dem Film sahen", sagte Sangsoo mit Blick auf die Internationale Jury, "aber ich bin neugierig darauf, es zu erfahren."

Mit dem Preis der Jury geehrt wurde "The Empire" von Bruno Dumont, eine ungewöhnliche Science-Fiction-Komödie: In einem verschlafenen französischen Küstenort tragen zwei verfeindete außerirdische Imperien den ewigen Kampf gegen Gut und Böse aus. Ebenso ungewöhnlich wie sein Film war auch die Dankesrede des Regisseurs, die er den überraschten Galagästen via Sprach-KI auf seinem Handy übermittelte: "Ein Kinofilm hat kein Geschlecht, keine Hautfarbe – ein Kinofilm ist ein Kinofilm", philosophierte die Maschinenstimme.

Bestes Drehbuch für Matthias Glasners "Sterben"

Auch ein deutscher Wettbewerbsbeitrag konnte einen Silbernen Bären nach Hause nehmen: Matthias Glasner wurde für seinen Film "Sterben" für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. In drei Stunden und mit drei verschiedenen Perspektiven breitet Glasner eine komplizierte Familiengeschichte aus. In dem Drama über dysfunktionale und entfremdete Beziehungen brillieren Corinna Harfouch, Lars Eidinger und Lilith Stangenberg. Er verarbeite darin, so Glasner selbst, auch eigene Erfahrungen.

Emily Watson und Sebastian Stan sind die besten Darsteller:innen

Einen Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller erhielt Sebastian Stan. In "A Different Man" sieht man Stan, der vor allem als Actionstar in Marvel-Verfilmungen wie "Captain America" bekannt wurde, in einer ungewöhnlichen Rolle: Er verkörpert einen Schauspieler, dessen Gesicht durch die Krankheit Neurofibromatose entstellt ist – und der nach einer überraschenden Heilung feststellen muss, dass sein Leben nicht weniger kompliziert ist. Es sei sein erster Preis, der er jemals auf einem europäischen Filmfestival erhalten habe, sagte der rumänische-amerikanische Star.

Als beste Nebendarstellerin wurde Emily Watson geehrt. Sie spielt in dem Eröffnungsfilm "Small Things Like These" die herrische Oberin eines örtlichen Klosters.

Für seine herausragende Kameraleistung in "Des Teufels Bad" der österreichischen Horror-Spezialist:innen Veronika Franz und Severin Fiala erhielt auch Martin Gschlacht einen Silbernen Bären.

Favorit geht leer aus

Insgesamt 20 Produktionen aus 30 beteiligten Ländern konkurrierten bei der diesjährigen Berlinale um den Goldenen und die sieben Silbernen Bären konkurriert.

Nicht berücksichtigt bei der Bären-Preisvergabe wurde "A Favorite Cake" von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, der von der Presse als Bärenfavorit gehandelt wurde. Das Reiseverbot gegen die iranischen Regisseur:innen hatte bereits im Vorfeld für Proteste gesorgt. "In Liebe, eure Hilde", der deutsche Wettbewerbsbeitrag von Andreas Dresen über die NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi ging ebenfalls leer aus.

Den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhielt bereits am Dienstag der US-Regisseur und Produzent Martin Scorsese ("Killers oft the Flower Moon"). Der 91-jährige deutsche Filmemacher Edgar Reitz, bekannt vor allem durch die "Heimat"-Trilogie, wurde am Donnerstag mit der Berlinale Kamera für besondere Verdienste um das Filmschaffen ausgezeichnet.

"Hass hat keinen Platz"

Auch die diesjährige Berlinale zeigte sich als ausgesprochen konfliktbewusstes Festival, ein besonderer Fokus lag auf dem Krieg im Nahen Osten. Zu dezidiert pro-palästinenesichen Statements kam es bei der Verleihung des Dokumentarfilmpreises an "No Other Land". Der Film erhält am Sonntag übrigens auch den Panorama-Publikumspreis. Realisiert von einem palästinensisch-israelischen Kollektiv, thematisiert "No Other Land" die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland. Ein Jury-Mitglied hatte sich einen Zettel auf den Rücken geklebt mit der Forderung nach einem Waffenstillstand. Wie auch einige andere Preisträger:innen nutzten die Filmschaffenden ihre Laudatio, um sich unter dem Applaus des Publikums, für einen Stopp der Kämpfe auszusprechen. Auch Mati Diop hatte bei ihrer Laudatio ihre Solidarität für Palästina Ausdruck verliehen: "I stand in solidarity with Senegal, with Palestine", erklärte sie.

Auf der Preisgala betonten Mariette Rissenbeek und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, das Festival stelle sich gegen jegliche Art von Diskriminierung. "Wir sind ein Raum, wo Hass keinen Platz" hat. Bereits am Eröffnungsabend am 15. Februar hatte die Festivalleitung zu einer Berlinale "im Geiste der Solidarität" aufgerufen. Vorausgegangen war die Ein- und anschließende Ausladung von AfD-Mitgliedern.

Berlinale endet mit Publikumstag

Am Sonntag endet die Berlinale mit dem Publikumstag. Dabei werden noch einmal zahlreiche Festivalfilme gezeigt; wobei die meisten Vorstellungen aber schon ausverkauft sind. Insgesamt zeigte das Festival vom 15. bis zum 25. Februar in verschiedenen Programmsektionen mehr als 230 Filme aus insgesamt 80 Ländern.

Zahlreiche Weltstars besuchten das Festival, darunter Cillian Murphy, Adam Sandler, Carey Mulligan, Sharon Stone, Isabelle Huppert oder Martin Scorsese. Es ist nach fünf Jahren das letzte Filmfest des Leitungsduos Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. Im April übernimmt die US-Amerikanerin und frühere Chefin des London Film Festivals, Tricia Tuttle, die Intendanz der Berlinale.

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.02.2024, 19:30 Uhr

14 Kommentare

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  1. 14.

    Danke Benno. Sowas sollte man auch meiden. Wer schaut sich sowas eigendlich an? Was haben solche Filme, (die es in den letzten Jahren reichlich gab) auf ein Filmfestival zu suchen?

  2. 13.

    Bin zwar nur Gelegenheits-Kinogänger - aber diesen Beitrag würde ich ganz sicher auslassen. Mit der Raubkunst aus dieser Region haben wir nun aber auch nicht das Geringste zu tun.

  3. 12.

    Die Beiträge #1 bis #3 finde ich nicht so gut und hoffe mal, zumindest das hier noch schreiben dürfen, rbb24.

    Die Berlinale ist ein nach wie vor sehr wichtiges Festival und Event, das sich m. E. in Zukunft allerdings auch gerne etwas weniger "ideologisch-bürokratisch" (vice versa) präsentieren dürfte, um wirklich relevant zu bleiben.

  4. 11.

    Das ist keine Schuldfrage ,sondern die Konsequenz aus unsrer Verantwortung .

  5. 10.

    Es gibt keine unschuldige Kunst. Kunst ist immer politisch, denn sie beeinflusst die Welt und wird von ihr beeinflusst.

  6. 9.

    Das verweise ich Sie doch einfach mal auf die Einleitung des Artikels: "Auch dieses Festival erwies sich als ausgesprochen politisch." Haben Sie den Artikel überhaupt gelesen?

  7. 8.

    Die Berlinale steht für künstlerische Vielfalt, für einen Hauch von kulturellem Austausch und vor allem für künstlerische Freiheit! Da haben wir Stars aus aller Welt, Kreativität, die sprudelt wie ein ungezähmter Wasserfall, und dann auf der anderen Seite – der Leningrader Kinoherbst. Nun, der war ja nun wirklich ein Kind seiner Zeit, mit all den politischen und kulturellen Zwängen, die man sich nur vorstellen kann. Glauben Sie mir, das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe! Die Berlinale tanzt ihren eigenen Tanz, frei und ungezwungen, während der Leningrader Kinoherbst in den Fesseln der sowjetischen Ideologie gefangen war. Es bedarf schon einer beträchtlichen Prise Exzentrik, auch nur den Gedanken zu hegen, diese beiden Festivals miteinander zu vergleichen. Mein Rat an Sie: Suchen Sie sich lieber ein nettes Hobby, gehen Sie angeln oder machen Sie Yoga – aber hören Sie auf, hier rumzustochern in Dingen, von denen Sie nicht den Hauch einer Ahnung haben!

  8. 7.

    Toni Morrison sagte dazu einmal: "Kunst und Politik sind untrennbar miteinander verbunden. Die beste Kunst ist immer politisch und das beste Politische hat immer eine künstlerische Dimension."

  9. 6.

    Die Berlinale hat ebenso fertig wie die Documenta, wenn den politischen Aussagen mehr Wert beigemessen wird als dem künstlerischen Wert.

  10. 5.

    …, eine fantastische gute Filmauswahl in diesem Jahr, selten so viele gute Filme auf der Berlinale gesehen, daß dann aber gerade einer der schwächsten Filme aus rein politischen Gründen den Bären holt. Möchte nicht jemand der es kann, sich dem Thema annehmen. Echt schade…

  11. 4.

    Gerade für mich als Cineastin ist ja die Berlinale deshalb so spannend, weil ich dort interessante Filme sehen kann, die NICHT NUR gedreht wurden, um Geld zu verdienen. Die gibt es genug im Kino!

  12. 3.

    Selbst wenn diese Doku, die den Goldenen Bären gewonnen hat, einen Verleih finden würde - wieviele Leute würden sich das im Kino anschauen? Wenn ein politisches Statement das wichtigste Kriterium eines Filmfestivals ist, kommen dabei so seltsame Blüten raus. Aber das ist bei der Berlinale ja schon lange so. Und darum ist für mich als Kinogänger das Festival darum weitgehend irrelevant.

  13. 2.

    Hoffentlich ist der Zirkus der Sekbstgefälligen bald für immer vorbei.

  14. 1.

    Sind solche nahezu rein politschen Filmfestspiele eigentlich noch zeitgemäß? Es erinnert mich doch sehe an frühere Filfestivals in der DDR oder in der Sowjetunion.

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