Nach Vorfällen bei Berlinale - Berliner Kultursenator Chialo will erneut Antisemitismusklausel diskutieren

Di 27.02.24 | 10:27 Uhr
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Archivbild: Kultursenator Joe Chialo in Berlin am 15.01.2024.(Quelle: IMAGO)
Tagesthemen | 26.02.2024 | Joe Chialo | Bild: IMAGO

Antiisraelische und antisemitische Äußerungen blieben bei der Berlinale-Preisverleihung unwidersprochen. Seitdem wird über die Kulturszene diskutiert. Berlins zuständiger Senator Joe Chialo will Fördermittel als Druckmittel einsetzen.

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) hat nach den Vorfällen bei der Berlinale-Preisverleihung erneut die Einführung einer Antisemitismusklausel für die Kulturförderung ins Gespräch gebracht. In den ARD-Tagesthemen sagte Chialo am Montagabend, er arbeite senatsübergreifend an einer rechtlichen Regelung, "damit diejenigen kein Geld mehr vom Staat bekommen, die antisemitisch sind, aber auch sonst sich diskriminierend verhalten".

Finanzielle Mittel der Steuerzahler dürften nicht "denen zugute kommen, die Demokratie zersetzend unterwegs sind", so Chialo, es brauche auf der einen Seite Dialog und auf der anderen Seite klare Regeln. Seinen ersten Versuch einer Antidiskriminierungsklausel hatte Chialo erst im Januar nach rechtlichen Bedenken zurücknehmen müssen. Er hatte Kulturförderung von einem Bekenntnis gegen Antisemitismus abhängig machen wollen, daraufhin wurde ihm ein Angriff auf die Meinungsfreiheit vorgeworfen.

Chialo: "Publikum nicht so divers, wie man es selbst gerne sähe"

Von den Vorfällen bei der Berlinale-Verleihung, als unwidersprochen teils antiisraelische Positionen auf der Bühne vorgetragen und mit Applaus quittiert worden waren, zeigte sich Chialo nicht überrascht. Er wolle aber auch nicht pauschalisieren, so der Kultursenator. Es gebe auch viele Kulturinstitutionen, die sich gegen Antisemitismus stemmten.

Während der Berlinale-Preisverleihung war der israelische Staat von mehreren Kulturschaffenden heftig kritisiert worden, unter anderem warf der US-Amerikanische Regisseur Ben Russell Israel vor, einen "Genozid" in Gaza zu begehen. Der israelische Journalist Yuval Abraham sprach von einer "Apartheid" im Westjordanland und forderte Deutschland auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern.

Die Äußerungen bei der Preisverleihung blieben unerwidert und bekamen Applaus. Auch nonverbal positionierten sich Kulturschaffende im Konflikt, beispielsweise mit Ansteckern. Eine Einordnung der Aussagen, beispielsweise durch Hinweis auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober durch die Moderation der Gala erfolgte nicht.

"Wir haben in der Kulturszene - insbesondere bei solchen Ereignissen - ein Publikum, was vielleicht nicht ganz so divers ist, wie man es selbst gerne sähe, wo nicht alle unterschiedlichen Perspektiven zu einem Thema repräsentiert sind sondern sich Gleichgesinnte treffen, das führt dazu, dass diese Dinge unwidersprochen bleiben", sagte Chialo dazu. Er habe es als "belastende Situation" empfunden.

Bundesjustizminister sieht Strafrecht beim Thema Antisemitismus gut aufgestellt

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht durch die Ereignisse auch eine Gefahr für die Institution Berlinale. Diese habe "schweren Schaden genommen", sagte Buschmann am Dienstag der Funke Mediengruppe.

Er äußerte sich auch zu möglichen Konsequenzen, blieb dabei aber vage: Buschmann sagte, das Strafrecht sei gut aufgestellt, um antisemitische Äußerungen zu ahnden. Parolen wie "Free Palestine - from the river to the sea" könnten etwa bereits als Billigung der Tötungsdelikte verstanden werden, die die Hamas am 7. Oktober in Israel beging. "Eine Belohnung und Billigung von Straftaten ist strafbar", so Buschmann. Angesprochen auf den konkreten Berlinale-Vorfall sagte er allerdings, die strafrechtliche Beurteilung der Aussagen sei Sache der zuständigen (Berliner) Behörden und Gerichte.

Am Montag hatten bereits Kulturstaatssenatorin Claudia Roth (Grüne) und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) angekündigt, die Vorfälle miteinander und mit der neuen Berlinale-Leitung aufarbeiten zu wollen.

 

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31 Kommentare

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  1. 31.

    Sie beziehen sich auf zwei Vorfälle, die absolut nichts miteinander zu tun haben, ebenso wenig mit dem Thema des Artikels.

  2. 30.

    " die Vorfälle miteinander und mit der neuen Berlinale-Leitung aufarbeiten zu wollen. "

    aufarbeiten....ein inzwischen beliebter Begriff, der was suggerieren soll ? die Worte sind gefallen, die Aussagen sind nun in der Welt .
    " aufarbeiten " bedeutet einen Schuldigen finden, einige Wochen später ist das Thema versandet.

  3. 29.

    Liebe rbb Redaktion, manchmal tun Sie mir wirklich leid dafür, was Sie hier alles lesen und dann entscheiden müssen, ob Sie das noch veröffentlichen oder nicht. Ich möchte wirklich nicht wissen, was für Provokationen dort mitunter dabei sind. Mir reicht schon das, was veröffentlicht wird. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit und dass Sie uns diesen Austausch ermöglichen.

  4. 28.

    Was gibt’s da zu diskutieren? Den linksgrünen „Kulturschaffenden“ sind umgehend die staatlichen Subventionen zu entziehen. Dann landen sie dort, wo sie hingehören: in der Gosse.

  5. 27.

    Die Berlinale gehört zu Berlin. Berlin zeigte sich so wie es ist. Fast täglich Pro Palästina Demos auf unseren Straßen. Erst nach lauter Kritik von Michel Friedman ein zögerliches, fast schon gequältes zartes Aufstehen für Israel. Frau Roth, Herr Wegner saßen im Publikum bei der Preisverleihung. Applaus für die gehaltenen Reden. Und nun? Aufarbeiten? Ja, was denn? Herr Chialo hätte gern ein anderes Publikum. Ich nicht. Ich hätte gerne eine neue Staatsministerin für Kultur und Medien.

  6. 26.

    Das haben Sie komplett missverstanden, dabei war es eindeutig und nicht zweideutig.
    Wenn man nur einseitig argumentiert, hat man den Pfad der Objektivität verlassen. So müssen Sie sich einseitige Meinungen vorstellen. Oft in Diktaturen und Autokratien und Theokratien herrschendes Mittel, um eine einseitige Sicht auf die Dinge nur zuzulassen. Keineswegs zu verwechseln mit der Weltoffenheit der freien Welt.
    Gegen Antisemitismus, gegen rhetorische Wortklauberei, gegen Hass und Hetze.

  7. 25.

    Der Vorwurf von antisemitismus ist eine Verkürzung und was chialo da durchsetzen möchte, ist genau das.

  8. 24.

    Aus dem Statement von Senator Chialo bei der gestriegen Tagesschau:
    "einseitige Meinung" - Gibt es zweiseitige Meinungen?
    "warum wird nicht Sudsudan, Jemen angesprochen" - Warum sollte ein israelischer Journalist nicht über das sprechen, was momentan in seinem Land los ist? Da könnte man ja auch fragen, warum die Ukraine bei der Berlinale "so wenig" Aufmerksamkeit bekam?
    Die Berlinale ist kein bzw. war bisher kein "Politiktalk", oder doch?

    M.E. führen diese ganzen Debatten, Aufarbeitungsaufrufe, Statements zu "schwereren Schäden" für unser Land.

  9. 23.

    Ich finde so langsam sollte sich neben der Politik auch die deutsche Medienlandschaft selbst mal genauestens überprüfen auf ihre Haltung. Es wird die rechts-national-konservative Regierung Israels kritisiert für ihr Vorgehen und dies zu recht. Vor einem Monat hat das ICJ entschieden, dass Israel mehr humanitäre Hilfen zuladen soll - diese sind in den 4 Wochen sogar gesunken. Inzwischen macht die jordanische Regierung eine Luftbrücke, weil von Organisationen von Boden aus keine Hilfe gewährt werden kann. Und wir diskutieren hier über zwei Statements, wie sie die beiden als Israel-jüdischer Mann und als Palästinenser sachlich darstellen. Ihr Film zeigt genau das auf, worum es geht. Als Empfehlung seht euch die Beiträge von Tomer Dreyfus, Deborah Feldmann, Candice Breitz und auch Emilia Roig oder Hanno Hauenstein an und finde diese sehr wertvoll. Die aktuelle Haltung bringt sowohl jüdische als auch muslimische Menschen eher in Gefahr (durch Rechtsaußen hier in D).

  10. 22.

    Wenn ich auf der Berlinale Filme zeige, mit kritischen Bezug auf den Staat Israel, muß ich damit rechnen, daß die Macher der Filme sich auch dazu äußern. Danach neue Regeln zu erfinden und lautstark sich zu äußern, ist nett formuliert wunderlich. Vorher überlegen wäre klug gewesen. Das jetzige Getue soll eventuell nur von der eigenen Schuld ablenken. Einfach zugeben das man einen Fehler gemacht hat und daraus lernt, hätte gereicht.

  11. 21.

    Belohnung und Billigung von Straftaten ist strafbar. Dann müsste so ein Verhalten unterbunden werden und nicht noch unterstützt werden.Wie es oft der Fall ist. Wie auch immer manche Sachen formuliert werden, dass es unterstützt wird.Kritik sollte nicht komplett verboten werden Die Tatsachen sollten dabei aber nicht verdreht werden. Wir leben alle nur eimal. Egal auf welchem Fleck der Erde. Wenn Menschen Macht in die Hand gedrückt wird, können dabei auch die falschen Entscheidungen getroffen werden.Siehe die Entführung und Ermordung von Menschen in Israel. Die es auch nicht verdient haben ermordet und entführt werden.Oder der Überfall von Putin auf die Ukraine.

  12. 20.

    Sie wollen nicht das Gesagte überprüfen, die Worte, die Äußerungen, die gefallen sind.
    Sie wollen einen Gesinnungstest.
    Erinnert mich an was...

  13. 19.

    Gut finde ich, dass der Senator den Streit darüber führen will. Dann wird es auch was...
    „ein Publikum, was vielleicht nicht ganz so divers ist, wie man es selbst gerne sähe“
    „Divers“ immer nur in eine (sexuelle)Richtung anzusehen, wirkt unter diesem Hintergrund mehr als verlogen. Es wird die Toleranz generell berührt. Sei es ein Krieg oder die banale Verkehrsmittelwahl ...
    Fakt ist aber auch, das Claudia Roth einen miserablen Job gemacht hat.

  14. 18.

    Ein israelischer Regisseur kritisiert sein eigenes Land, und so etwas soll nun zensiert werden? Oder mit Geldentzug bestraft, also auch Zensur.
    "Demokratie zersetzend" sind erst einmal nicht diejenigen, die Meinungen äußern, sondern die, die Meinungen verbieten wollen. Gut, dass es immer noch Gerichte gibt und nicht jeder Provinzpolitiker bestimmen kann, was genehm ist...
    Honecker und Mielke hätten an sowas ihre helle Freude gehabt, genau ihre Methoden!

  15. 17.

    Die Kommentare hier sind wieder sehr scharf. Aus meiner Sicht hat das einen Grund: Diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen, immer auf der Seite des Guten zu stehen, versuchen jetzt, ihren Antisemitismus reinzuwaschen. Denn offen Antisemitismus zu betreiben, ist ja nicht gut. Deshalb wird laviert, relativiert und gerechtfertigt, dass sich die Balken biegen. Ich halte es da mit unserem Kultursenator: Ich will das nicht auch noch finanzieren. Also Förderungen streichen!

  16. 16.

    Was soll ich diffenzieren?
    Den einen rassistischen Vorfall gegenüber dem anderen antisemitischen Vorfall, weil der eine sich in Heidesee, der andere in Leipzig und der dritte in der Hauptstadt "abgespielt" hat?
    Oder weil der eine etwas mit Israel, der andere mit Juden und der dritte mit "rassistischen brandenburger Jugendlichen"?

  17. 15.

    Um nach den Radio Eriwan Witzen der 70er Jahre zu antworten : Im Prinzip schon, aber das heißt nicht, dass man die falsche Meinung auch sagen darf.

  18. 14.

    „Siehe z.B. Heidesee 2023 - Ermittlungen zu mutmaßlich rassistischen Vorfällen in Freizeitzentrum eingestellt oder dem antisemitischen Fall im Leipziger Hotel „
    Gut das Sie auch Vorfälle ansprechen, die sich im Nachhinein sogar als Lüge herausstellten. Denn die eigene mangelnde Toleranz mit Rassismus in Verbindung zu bringen schadet dieser Toleranz und wirft moralische Fragen zu recht auf...

  19. 13.

    Volle Zustimmung!
    Schon sehr anstrengend heute die "richtigen" Worte zu finden!
    Läuft unser Land langsam in eine eher fragwürdige Richtung?

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