Putinnahe Rockergruppe - Polizei beobachtet möglichen deutschen Ableger der "Nachtwölfe"
Die putinnahe Rockergruppe "Nachtwölfe" will auch dieses Jahr am 9. Mai in Berlin Aufsehen erregen. Doch aus Russland durften sie wegen der verhängten Sanktionen nicht in die EU einreisen. Jetzt soll ein deutscher Ableger einspringen. Von Georg-Stefan Russew
Die Brandenburger Polizei hält die Rockergruppe "Nachtwölfe" im Blick, die wegen des Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs angereist sind. Bislang habe es keine Vorkommnisse oder strafbaren Handlungen gegeben, sagte Polizeisprecher Mario Heinemann am Montag dem rbb.
Es handele sich um eine Gruppe von knapp 50 Personen, hieß es von der Polizei weiter. Sie sollen Berichten zufolge unter dem Logo "Nachwölfe Germany MC" firmieren. Wie es verschiedentlich heißt, hat sich die Gruppierung erst im März gegründet. Die Gruppe habe sich in einer Ferienanlage in Heidesee (Dahme-Spreewald) einquartiert, schreiben die "Nachwölfe Germany MC" auf ihrer Facebook-Seite. Zuerst hatte "Märkische Allgemeine" darüber berichtet.
Mitglieder der Rockergruppierung stehen auf EU-Sanktionsliste
Der russische Rockerclub existiert bereits seit mehr als drei Jahrzehnten. In Deutschland erregen die Fahrten des Clubs zum 9. Mai (dem Tag des russischen Gedenkens an das Ende des Zweiten Weltkrieges) immer wieder - durchaus kalkuliert - Aufsehen. Mitglieder des Clubs sind glühende Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Club gilt als homophob und nationalistisch. Alexander Saldostanow, Chef und Gründer der "Nachtwölfe", bezeichnet sich als "Freund" Putins. Er steht auf der EU-Sanktionsliste.
Mitglieder des russischen Motorradvereins dürfen seit dem vergangenen Jahr nicht mehr in die EU einreisen. Trotzdem ist die Rockergruppe auch in diesem Jahr wieder zur Triumph-Ausfahrt in Moskau aufgebrochen. Nach Berlin werden sie es wohl kaum schaffen. An einigen Motorrädern soll laut der Nachrichtenagentur AFP das Z-Symbol befestigt sein. Dieses Symbol verwenden auch die russischen Truppen beim Überfall auf die Ukraine.
Deutscher Nachtwolf-Ableger?
Ob es tatsächlich einen deutschen Ableger der "Nachtwölfe" gibt, lässt sich aktuell nicht sicher verifizieren. Die Brandenburger Polizei geht faktisch von der Existenz eines solchen aus. Es gibt laut Heinemann einen entsprechenden Polizeieinsatz, die in Heidesee eingetroffene Gruppe wird in Brandenburg auf Schritt und Tritt beobachtet.
Die Sprecherin der Berliner Polizei, Anja Dierschke, sagte dem rbb, dass es Rockergruppierungen nicht dulden würden, wenn Fremde mit ihren Logos und Patches posierten. Genau dies tue die Gruppe beispielsweise auf dem Facebook-Profil "Nachtwölfe Germany MC".
Dort zeigen sich sie unter anderem mit Fahnenmaterial der "Nachtwölfe". Sie berichten unter anderem über einen Ausflug auf einen Dresdner Soldatenfriedhof und einen Abstecher ins thüringische Weimar und das KZ Buchenwald.
Der rbb erfuhr aus Ermittlerkreisen zudem, dass Gruppenmitglieder durchaus direkt etwas mit den russischen "Nachtwölfen" zu tun hätten. So seien Motorräder mit tschechischen und slowakischen Kennzeichen gesichtet worden. Dass es "Nachtwölfe"-Ableger in Tschechien und der Slowakei gebe, wisse man sicher. Es sei auch denkbar, dass sich in dem deutschen Chapter russische Mitglieder tummelten, die sich schon vor dem Einreiseverbot im Schengenraum und in Deutschland befunden hätten.
Gruppe war am KZ Sachsenhausen und in Oranienburg
Auch am Montag war die Gruppe in Brandenburg unterwegs. So meldete die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die unter anderem die Gedenkstätte KZ Sachsenhausen betreut, dass eine Gruppe von acht Personen in Kutten auf das Gedenkstätten-Gelände habe gehen wollen.
Wie Stiftungssprecher Horst Seferens dem rbb sagte, wurde den Personen von der Polizei erklärt, dass sie ihre Kutten ausziehen oder bedecken müssten, wenn sie auf das Gelände wollten. Es sei ihnen klar gemacht worden, dass das Gedenken nicht zu Propaganda-Zwecken missbraucht werden dürfe. Sie seien nicht bereit gewesen, ihre Kutten zu verbergen oder auszuziehen, sagte Seferens. Daraufhin seien sie abgezogen.
Aus Polizeikreisen erfuhr der rbb, dass Gruppenmitglieder stattdessen einen sowjetischen Ehrenfriedhof in Oranienburg besucht und dort Blumen abgelegt hätten. Von Zwischenfällen war nicht die Rede.
Gruppe wird auch in Berlin erwartet
Die Brandenburger Polizei stellt sich zudem darauf ein, dass sich die "Nachtwölfe Germany MC" auf den Weg nach Berlin machen werden, um dort den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland zu feiern. Am Montag und Dienstag jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 78. Mal. Weil die nächtliche Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde nach Moskauer Zeit auf den 9. Mai fiel, wird in Russland der Tag des Sieges traditionell an diesem Tag begangen.
Ihre möglichen Ziele in Berlin sind laut Polizeisprecherin Anja Dierschke das Sowjetische Ehrenmal in Treptow und das an der Straße des 17. Juni. Um mögliche Störungen zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu verhindern, ist die Berliner Polizei mit einem Großaufgebot im Einsatz. Sie befürchtet Spannungen wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Sendung: rbb 88,8, 09.05.2023, 7:30 Uhr