Bezirksübergreifende Strategie - Lageso fordert strikteres Vorgehen gegen Tigermücke in Berlin
Noch ist sie nicht weit verbreitet - wegen des Klimawandels könnte sich das jedoch schnell ändern: Die Tigermücke ist in Berlin längst heimisch geworden. Nun warnt das Lageso: Gegen das Insekt müssten stärkere Maßnahmen ergriffen werden. Von Kira Pieper
- Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) fordert bezirksübergreifende Strategie zum Umgang mit Tigermücken
- Nur so kann demnach flächendeckende Ausbreitung verhindert werden
- Tigermücke überträgt in südlicheren Regionen Viren, die Krankheiten wie Dengue, Chikungunya- und Zika-Fieber auslösen können
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat sich für ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Tigermücke in Berlin ausgesprochen.
In den Abstimmungen zwischen den Berliner Behörden gehe es um das Festlegen einer bezirksübergreifenden Strategie zum Umgang mit Mücken, die Infektionskrankheiten übertragen könnten, erklärte das Lageso. Zunächst berichtete der "Tagesspiegel".
"Strategische Bekämpfung" sei "wünschenswert"
Im Gespräch mit dem rbb erklärte der Epidemiologe Daniel Sagebiel vom Lageso, dass in Berlin eine "strategische Bekämpfung" wünschenswert sei. Durchgeführt von Personen, die sich auskennen würden und geschult seien - und die fachgerecht Brutstätten entfernen und Larvizide, also Mittel, das die Mückenlarven tötet, einsetzen könnten. Außerdem seien regelmäßige Kontrollen und eine Dokumentation der Vorkommen nötig, so Sagebiel.
"Wir haben bereits seit mehreren Jahren Tigermücken-Funde in Berlin", sagte der Experte weiter. "Mindestens seit dem Jahr 2020. Es geht jetzt darum, nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Wenn die Tigermücken-Population sich erst mal flächendeckend ausgedehnt hat, dann wird es zunehmend schwieriger und teurer, dagegen vorzugehen."
Insekt kann Dutzende Viren übertragen
Ursprünglich war die Asiatische Tigermücke in Fernost beheimatet. Mittlerweile ist sie in der ganzen Welt zu finden: Neben Ostasien auch in Australien, Amerika, Afrika auch im südlichen Europa. Sie breitet sich nur langsam aus, denn ihr Flugradius beträgt nur 300 Meter. So schaffte sie es wohl als blinder Passagier per Lkw oder auf Flugzeuge in die Welt. Auch in Deutschland gibt es in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen mittlerweile nachgewiesene Populationen. In Brandenburg wurde bisher noch keine Tigermücke gefunden.
Das gefährliche an dem Insekt: Es kann Dutzende Viren übertragen, darunter potenziell tödliche Erreger wie Dengue-, Chikungunya- und Zika-Virus. In Deutschland gibt es bisher keinen bekannten Fall einer solchen Ansteckung. In einem Flyer weist das Lageso auch darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, sich hierzulande durch einen Tigermücken-Stich eine Infektionskrankheit zuzuziehen, gering sei [berlin.de/PDF/download].
In benachbarten Ländern hat es diese Ansteckungen allerdings bereits gegeben: In Südfrankreich zum Beispiel wurden mehrfach Zika-Infektionen durch dort heimische Tigermücken gemeldet. Auf Madeira, in Kroatien und Frankreich wurden Dengue-Infektionen nachgewiesen. Auch Chikungunya-Ausbrüche gab es im Mittelmeerraum bereits.
Warnung von EU-Gesundheitsbehörde
Im Juni hatte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC wegen der sich verändernden klimatischen Bedingungen vor einem steigenden Risiko für durch Mücken übertragene Krankheiten gewarnt.
Das ECDC schrieb: Europa werde wärmer, Hitzewellen und Überschwemmungen würden häufiger und heftiger, Sommer länger und wärmer. Dies erzeuge günstigere Bedingungen für invasive Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke. Vor zehn Jahren sei das Insekt in 8 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nachgewiesen worden, jetzt seien es bereits 13.
Kleinste Wasseransammlungen reichen zum Brüten
Biologin und Mückenexpertin Doreen Werner erklärte im Gespräch mit dem rbb am Mittwoch, dass man aktuell in der Region noch die weitere Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke verhindern könne. Dafür würde es aktuell noch reichen, in einem Radius von 500 Metern um einen Tigermücken-Fundort alle stehenden Gewässer auszukippen.
"Der Tigermücken reichen zum Brüten kleinste Wasseransammlungen, wie zum Beispiel auf einer vollgeregneten Cola-Dose oder Untersetzer von Gartenkübeln", sagte Werner dem rbb. Das mache die Mücke so kompliziert in der Bekämpfung. "Hierzulande kann die Asiatische Tigermücke eine ideale Nische besetzen", so die Expertin. Denn die Mücke brüte in Wasseransammlungen, die etablierten Arten viel zu klein seien.
Ungewöhnliche Exemplare melden
In einigen Kleingarten-Anlagen in Neukölln und Treptow-Köpenick hat sich die Tigermücke bereits etabliert. Dort wurden sie in diesem Sommer schon wieder nachgewiesen, wie schon in den vergangenen beiden Jahren. Der Winter konnte den Tieren also offenbar nichts anhaben.
Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat bereits reagiert und hat etwa die Mitglieder der Kleingartenanlage Am Heidekampgraben Ende Juni darüber informiert, in den kommenden Tagen "Maßnahmen gegen die Tigermücke" durchführen zu wollen. Das könne sowohl die Entfernung von Wasseransammlungen als auch der Einsatz eines Insektizids sein. Der Bezirk hat die Kleingärtner deswegen schriftlich um Zugang zu allen Gärten gebeten.
Die Asiatische Tigermücke ist im Vergleich zur einheimischen Stechmücke eher zierlich. Sie misst einen halben bis einen Zentimeter, ist somit kleiner als eine Ein-Cent-Münze. Das Tier hat eine auffällige schwarz-weiße Musterung. Biologin Doreen Werner arbeitet zusammen mit Kollegen an einem Mückenatlas. Wer eine ungewöhnliche Mücke findet, kann sie an Werner und ihre Mitstreiter schicken [mueckenatlas.com].
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 18 Uhr