Prozessbeginn - Berliner Kardiologe wegen Totschlags vor Gericht

Ein Charité-Kardiologe soll Patienten absichtlich überdosierte Beruhigungsmittel verabreicht haben. Jetzt steht er wegen Totschlags vor Gericht, eine Krankenpflegerin ist mitangeklagt. Gemeldet hatte die Fälle eine Whistleblowerin.
Nach dem Tod zweier Patienten in Berlin steht ein Herzmediziner der Charité seit Dienstag wegen Totschlags vor Gericht. Der 56-Jährige, der direkt aus der Untersuchungshaft zum Prozess gebracht wurde, soll einen Patienten und eine Patientin mit überdosierten Medikamenten getötet haben. Mitangeklagt ist eine 39 Jahre alte Krankenschwester. "Nach meinem Eindruck hat jemand Gott gespielt", sagte Nebenklage-Anwältin Galina Rolnik am Dienstag am Rande des Prozesses. Sie vertritt die Ehefrau eines 73 Jahre alten Opfers.
Doch kein Heimtückemord
Die Staatsanwaltschaft war in dem Fall bei ihrer Anklage zuerst von zweifachem Heimtückemord aus niedrigen Beweggründen ausgegangen. Das Landgericht bewertete den Fall jedoch bei der Eröffnung des Verfahrens anders, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Die zuständige Kammer habe darauf hingewiesen, dass in beiden Fällen lediglich ein hinreichender Tatverdacht für den Straftatbestand des Totschlags bestehe, Mordmerkmale also nicht erkennbar seien. Aus Sicht der Kammer könne es sich auch um eine "Mitleidstötung" gehandelt haben.
Der beschuldigte Mediziner und die Krankenschwester äußerten sich zum Prozessauftakt nicht zu den Vorwürfen. Über ihre Verteidiger ließen sie aber erklären, dass sie sich grundsätzlich zu einem späteren Zeitpunkt äußern wollten. Beiden droht nach Gerichtsangaben im Fall einer Verurteilung ein Berufsverbot.
"Es hätte jeden treffen können"
Laut Anklage soll der Kardiologe im Fall eines 73 Jahre alten Mannes mindestens drei Krankenpflegerinnen angewiesen haben, eine eigentlich erfolgreiche Reanimation einzustellen. Außerdem soll er die Mitangeklagte angewiesen haben, dem Patienten eine tödliche Menge des Sedierungsmittels Propofol zu geben. Das habe sie "zögerlich" getan.
Weil der Mann aber unerwartet weiterhin Vitalzeichen aufgewiesen habe, soll der Arzt dem Patienten dann selbst eine weitere, letztlich tödliche Dosis verabreicht haben. Im zweiten Fall soll der Mediziner einer ebenfalls 73 Jahre alten Patientin ohne medizinischen Grund mehrere Dosen des Sedierungsmittels gespritzt haben.
"Es hätte jeden treffen können", sagte Rechtsanwältin Rolnik. Der Arzt habe gehandelt, ohne nachzufragen und ohne zu schauen, ob es eine Patientenverfügung gebe.
Meldung über Whistleblower-System
Der Kardiologe war am 8. Mai dieses Jahres zunächst wegen des dringenden Verdachts des zweifachen Mordes verhaftet worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Ins Visier der Ermittler waren er und die Mitangeklagte durch einen anonymen Hinweis geraten. Nach Charité-Angaben war dieser am 19. August 2022 im Rahmen einer Art Whistleblower-System mit Vertrauensanwälten eingegangen. Dorthin können sich Beschäftigte der Klinik vertraulich wenden, die etwa Ungereimtheiten bemerken.
Von der Charité war der Kardiologe bereits im August 2022 freigestellt worden.
Junge Pflegerin soll Gewissen erleichtert haben
Das Landgericht Berlin hat bislang 20 Verhandlungstage bis zum 16. Januar 2024 geplant. Beim nächsten Prozesstag in drei Wochen soll nun als Zeugin die Whistleblowerin gehört werden. Bei ihr handelt es sich laut Staatsanwalt Martin Knispel um eine junge Pflegerin. "Ich habe sie so verstanden, dass sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, Augen und Ohren zuzumachen", sagte Knispel.
Die Charité wollte sich mit Blick auf das laufende Gerichtsverfahren aktuell nicht äußern. Sie hatte das Whistleblower-System als Konsequenz aus einer früheren Mordserie durch eine Krankenschwester eingerichtet - die Täterin wurde 2007 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.10.2023, 07:05 Uhr
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