Klette, Garweg und Staub - Was über die Suche nach den früheren RAF-Mitgliedern bislang bekannt ist
Eine Woche nach der Festnahme der ehemaligen RAF Terroristin Daniela Klette läuft die Suche nach ihren zwei mutmaßlichen Komplizen weiter auf Hochtouren. Garweg scheint die Polizei auf der Spur zu sein, über Staubs Verbleiben ist dagegen so gut wie nichts bekannt.
Wer sind die beiden Gesuchten?
Burkhard Garweg (55 Jahre) und Ernst Volker Staub (69 Jahre) sind ehemalige Mitglieder der Terrororganisation "Rote Armee Fraktion" (RAF). Staub soll sich bereits Anfang der 80er Jahre der RAF angeschlossen haben, Garweg erst später, vielleicht Anfang der 90er. Über sie und Daniela Klette ist, wie überhaupt über die sogenannte dritte Generation der RAF, nur wenig bekannt.
Über Ernst Volker Staubs Lebensweise und selbst seinen Aufenthaltsort in den letzten Jahrzehnten ist so gut wie nichts nachweisbar. Er wurde 1984 schon einmal festgenommen und zwei Jahre später in Bayern wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Anschließend tauchte er wieder unter.
Das ist bei Burkhard Garweg inzwischen anders. Er soll zuletzt auf einem Wagenplatz in der Nähe des Berliner Ostkreuzes gelebt haben, am Markgrafendamm. Die Polizei hat am Sonntag einen ausgebauten Campingwagen, der ihm als Wohnung gedient haben soll, sichergestellt.
Das Landeskriminalamt Niedersachsen teilte rbb|24 am Montagabend mit, dass es sich bei dem Campingswagen "mit hoher Wahrscheinlichkeit" um die "mutmaßliche Unterkunft des Burkhard Garweg" handelt.
Auf Fotos, die die Polizei veröffentlichte, ist er mit mehreren Hunden zu sehen. Einer davon trägt sogar eine Marke, schien also registriert gewesen zu sein – ob auf Garweg oder eine andere Person, ist unklar. Das Beispiel der verhafteten Daniela Klette zeigt, dass ihr unter falscher Identität ein scheinbar normales Leben in der Bevölkerung möglich war. Sie besuchte offenbar zeitweise ein Tanzstudio und öffentliche Veranstaltungen.
Wieso wird nach ihnen gesucht?
Dem Trio wird zwar die Mitgliedschaft in der Terrororganisation RAF vorgeworfen, ob und an welchen konkreten Anschlägen die drei beteiligt gewesen sein könnten, ist aber unklar. Lediglich mit der Sprengung der (damals noch leerstehenden) Justizvollzugsanstalt Weiterstadt brachte die Staatsanwaltschaft damals Medienberichten zufolge Klette und Staub in Verbindung.
Die nun laufende Fahndung des Landeskriminalamts Niedersachsen stützt sich deshalb auf den Vorwurf mehrerer versuchter und begangener Raubüberfälle, sowie versuchten Mordes im Zeitraum zwischen 1999 und 2016 – also nach Auflösung der RAF. Die Überfälle sollen sie begangen haben, um Geld zu erbeuten. Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter in Duisburg sollen sie beispielsweise 1999 mehr als eine Million D-Mark erbeutet haben, später überfielen sie unter anderem Supermärkte, vor allem in West- und Norddeutschland.
Wieso haben sich die drei nicht ins Ausland abgesetzt?
Abschließend können diese Frage nur die Personen selbst beantworten. Es gibt aber naheliegende Gründe, wieso man trotz der Möglichkeit (Klette soll beispielsweise einen gefälschten italienischen Pass besessen haben) nicht aus Deutschland flüchtet. Es ist beispielsweise denkbar, dass die drei das Leben in Deutschland besonders im Alter durchaus geschätzt haben: Es gibt keine sprachlichen Hürden, die Umgebung ist vertraut und das Gesundheitssystem gilt im internationalen Vergleich als gut.
In einer Großstadt wie Berlin ist zudem ein sehr anonymes Leben möglich, das sagen Experten und das Beispiel Klettes zeigte dies. Der RAF-Experte Butz Peters geht davon aus, dass Untertauchen in der heutigen Gesellschaft in Deutschland noch immer möglich ist, wenn man "wisse, wie die Systeme funktionieren", wie er im Gespräch mit rbb24 erklärt.
Welche Gefahr geht von dem Einsatz für die Bevölkerung aus?
Darüber gab es einige Verwirrung. Das Landeskriminalamt Niedersachsen veröffentlichte in der vergangenen Woche zunächst eine Mitteilung, in der es vor einer potenziellen Gefährdung der Bevölkerung warnte: Es sei nicht auszuschließen, "dass von den gesuchten mutmaßlichen Räubern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg eine Gefahr ausgehen kann", hieß es damals und wortgleich bestätigten dies die Ermittler auch am Montag dem rbb. Allerdings hatte es in einer weiteren Mitteilung in der vergangenen Woche auch geheißen: "Das LKA Niedersachsen stellt in diesem Zusammenhang klar, dass für die Stadt Berlin keine konkrete Gefährdungslage besteht". Die aktuelle Aufforderung der Ermittler lautet, dass sie "eindringlich darum bitten, keinen Kontakt zu den beiden Gesuchten aufzunehmen".
rbb-Polizeireporterin Kerstin Breinig schätzt die Verhaftete Daniela Klette und die beiden noch Gesuchten nicht als harmlose Rentner ein: "Die ihnen vorgeworfenen Überfälle bis 2016 sind schwere Straftaten und wer solche Waffen zuhause hat, ist nicht ungefährlich", sagt sie. Allerdings habe die RAF in der Vergangenheit nicht die Zivilbevölkerung als Ziel ihrer Taten gehabt, höchstens Kollateralschaden hingenommen. Die Gefahr könnte also vor allem dann entstehen, wenn die Gesuchten auf der Flucht in die Enge getrieben werden.
Welche Spuren verfolgt die Polizei in den letzten Tagen?
Nach der Veröffentlichung der Fahndungsbilder von Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg ist davon auszugehen, dass derzeit vermehrt Hinweise zu möglichen Aufenthaltsorten der beiden früheren RAF-Mitglieder eingehen. Solche Hinweise stuft die Polizei üblicherweise in drei Kategorien ein, je nach Priorisierung wird diesen dann schnell nachgegangen oder zunächst gar nicht. Bei öffentlichen Fahndungen ist davon auszugehen, dass viele falsche oder unwichtige Hinweise der Bevölkerung eingehen.
Manche führen die Polizei aber auch auf die richtige Spur. Der Hinweis zu dem Bauwagen von Burkhard Garweg muss ein sehr konkreter gewesen sein, so Polizeireporterin Breinig. "Die Polizei wusste bei dem Einsatz genau, wo sie hinwollte".
Die von der Polizei veröffentlichten Fotos von Burkhard Garweg wurden in der Wohnung von Daniela Klette gefunden. Aus ihnen könnten sich neue Hinweise ergeben haben. Unter anderem ist eine Hundemarke an einem der Tiere zu sehen, die rückverfolgbar sein sollte, auch Orte könnten auf weiteren, nicht veröffentlichten Fotos erkennbar gewesen sein. Auch aktuellere Bilder von Ernst-Volker Staub sollen die Ermittler gefunden haben, hieß es, diese wurden aber bislang noch nicht von der Polizei veröffentlicht.
Ein weiterer Ort der Spurensuche könnten die sozialen Medien und das Internet im Allgemeinen sein. So hatte Daniela Klette zuletzt einen öffentlichen Facebook-Account, auf dem sie auch Fotos von sich hochlud. Der brachte unter anderem den Podcaster Khesrau Behroz mit seinem Team auf die Spur Klettes.
Ob und welche weiteren Hinweise und Informationen die Polizei über die möglichen Aufenthaltsorte der Gesuchten hat, teilt sie mit Verweis auf "taktische Gründe" nicht mit.
Wie nah ist die Polizei an den beiden Gesuchten dran?
Zumindest Garweg könnten die Behörden sehr eng auf den Fersen sein. Es soll Hinweise darauf gegeben haben, dass Garweg noch kurz vor dem Eintreffen der Polizei am Markgrafendamm in seinem Bauwagen gewesen ist.
Bei Ernst-Volker Staub ist die Sache weniger eindeutig. Entweder die Polizei möchte ihre Erkenntnisse über ihn aus taktischen Gründen nicht teilen oder sie weiß hier tatsächlich deutlich weniger. Ob und wann die beiden Gesuchten gefasst werden, das sei derzeit reine Spekulation, sagte der Berliner Polizeivizepräsident Marco Langner am Montag dem rbb.
Am Sonntag und Montag durchsuchte die Polizei weitere Wohnungen in Friedrichshain, in der Grünberger Straße und eine in der Corinthstraße. Diese Durchsuchungen dauerten länger als bei gewöhnlichen Wohnungen, so Langner weiter. "Die Wohnungen sind konspirativ vorbereitet, man hat doppelte Böden, man hat Wandverschläge. Nicht jeder hat seine Maschinenpistole auf dem Küchentisch liegen", sagte er.
Wer ermittelt und wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Berliner Polizei und der Polizei Niedersachsen?
Die Ermittlungen leiten die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen. Die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen der Polizei Berlin und der Polizei Niedersachsen soll in den letzten Tagen nicht konfliktfrei verlaufen sein. Polizeivizepräsident Marco Langner sagte dem rbb am Montag, die die Amtshilfe verlaufe mittlerweile "wirklich gut", anfänglich habe es zwar etwas "geruckelt", das sei bei solchen Lagen aber normal, so Langner. Es seien weiterhin Einsatzkräfte aus beiden Bundesländern an den Einsätzen beteiligt, heißt es von der Polizei. Das LKA Niedersachsen erklärte dem rbb am Montag: "Die Polizei Berlin und das LKA Niedersachsen arbeiten in der aktuellen Einsatzstruktur durchgehend sehr eng zusammen."
rbb-Reporter berichten, dass in Friedrichshain, bei den Einsätzen am Markgrafendamm und in der Grünberger Straße überwiegend Niedersächsische Einsatzkräfte anhand von Kennzeichen oder Dienstkleidung erkennbar gewesen sind.
Erste Details zum Umfang der Einsätze wurden am Montag in der Sitzung des Berliner Innenausschusses bekannt: An der Durchsuchung am Markgrafendamm am Sonntag sollen insgesamt rund 130 Beamte beteiligt gewesen sein, darunter Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, des Landeskriminalamtes Niedersachsen, sowie Spezialeinsatzkräfte aus Berlin und Niedersachsen. Die Razzia in einer Wohnung in der Grünberger Straße soll zunächst vom SEK Niedersachsen durchgeführt worden sein.
Sendung: rbb24 Abendschau, 04.03.2024, 19:30 Uhr