"Solidarität mit Palästina"-Demo - Ein unruhiger Abend in Neukölln
Sie beginnt friedlich, eskaliert dann aber zunehmend: Eine Kundgebung zum Gaza-Krieg endet mit Steinwürfen und brennenden Müllcontainern. Es gibt Festnahmen, Anzeigen und ein Video, das ein gewaltsames Vorgehen der Polizei zeigt. Von Hasan Gökkaya
Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs bleibt die Stimmung in Berlin angespannt. Das wurde am Dienstagabend deutlich, als Hunderte Menschen sich in Neukölln versammelten. Die Demonstration mit dem Motto "Solidarität mit Palästina stoppt den Krieg – stoppt den Genozid" verlief zunächst friedlich, wurde im Laufe des Abends aber schließlich von Ausschreitungen überschattet. Das zeigen Videos und darauf deuten Angaben der Polizei, die selbst von angewandten Zwangsmaßnahmen "in Form von körperlicher Gewalt, Schieben und Drücken" spricht.
Zwischenzeitlich lockte die Demo knapp 900 Menschen zum Hermannplatz. Was die Polizei gesehen hat, fasst sie einen Tag später so zusammen: Es wurden Flaschen und Steine geworfen, es wurden Müllcontainer angezündet und Sprechchöre skandiert. Nicht von allen Teilnehmern, doch immer wieder habe es Gruppierungen gegeben, die auch der Versammlungsleiter nicht habe kontrollieren können.
Und: Es kam zu Gewalt.
"Ganz Berlin hasst die Polizei"
Etwa bei einer Festnahme, als einem Polizisten mit einer Fahnenstange auf den Helm geschlagen wurde. Etwa als Einsatzkräfte mit Flaschen beworfen wurden, und ein Beamter sich dabei leicht verletzte. Tatsächlich zeigen Videos von Blaulichtreportern, wie aggressiv wirkende Gruppen sich vor Polizisten stellen, diese auch in Bedrängnis bringen. Immer wieder sind Chöre zu hören: "Ganz Berlin hasst die Polizei!" Als die Polizei einen Mann - im groben Ton - auffordert, den Platz zu verlassen, dieser sich aber anscheinend nicht kooperationsfreudig zeigt, eskaliert die Situation. Am Ende liegt der Mann erst auf dem Boden, bevor er gegen eine Fensterscheibe gepresst wird.
Die Polizei Berlin war am Dienstag auf drei Kundgebungen, die einen Bezug zum Nahostkonflikt hatten. Insgesamt wurden drei Beamte verletzt, heißt es. 19 Strafverfahren wurden wegen tätlichen Angriffs und Widerstands gegen Polizisten, wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung eingeleitet.
Wie entschieden die Berliner Polizei vorging, zeigen verschiedene Videos. Darunter ist allerdings auch eine Szene, die derzeit in sozialen Medien viral geht [instagram.de]. Viele User, die das Video gesehen haben, kommentieren, dass die Polizei nun selbst angezeigt werden müsste.
Zu sehen sind zwei junge Männer, die vor dem Eingang eines Neuköllner Lokals stehen. Vor ihnen steht ein Polizist, groß und in voller Schutzmontur. Der Beamte schubst zunächst einen der Männer, als der andere sich ein wenig dazwischenstellt, werden beide in den Eingangsbereich des Lokals gedrängt und der Polizist holt zu schnellen Faustschlägen aus. Zwei weitere Kollegen kommen schnell hinzu und treten nach - die beiden jungen Männer wirken eingekesselt.
Es entsteht schließlich das übliche Bild bei solchen Situationen: Mehrere Beamte bilden einen Kreis und schirmen ihre Kollegen ab. Die anwesenden Zuschauer schreien mehrmals: "Das sind Kinder." Später ist auf einem Video zu sehen, wie zumindest einer der beiden Männer von Polizisten abgeführt wird.
Auf Nachfrage von rbb|24 teilte die Berliner Polizei am Mittwoch mit, dass der Vorfall nun von der Polizei geprüft werde. Eine Strafermittlung gegen den Beamten gebe es bisher nicht.
Linke-Politiker spricht von "expliziter Polizeigewalt"
Auf das Video angesprochen, muss Ferat Kocak nicht lange überlegen. Der Polizist sei völlig "ausgerastet", sagt er im Gespräch mit rbb|24. Was das Video zeigt, sei "explizite Polizeigewalt".
Kocak, der im Abgeordnetenhaus für die Partei Die Linke sitzt, ist bekannt für seine scharfe Wortwahl, wenn es um das Thema Polizeigewalt und "Repressionen" geht. Den Urheber des Videos kenne er nicht, sagt er - aber ihm liege bereits die erste Anzeige gegen die Polizei vor - viele würden folgen, sagt er. Die Polizei stehe in der Pflicht, ein "milderes Mittel" einzusetzen, das sei hier nicht passiert. Er will nun eine Petition starten, um die Suspendierung des Beamten zu fordern, bis der Vorfall vollständig aufgeklärt sei.
Viele Fragen bleiben offen. Die Polizei betont jedoch, dass die Mehrzahl der Demonstrationen mit thematischem Bezug zum Gaza-Krieg bisher weitestgehend friedlich verlaufen sei. Ein Gefühl der Unberechenbarkeit bleibt nach diesem Abend aber wohl.
Sendung: rbb24, 30.05.2024, 19:30 Uhr
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