Interview | JVA-Leiterin - "Bedienstete im Vollzugsdienst sind weitaus mehr als Schließer"
Das Gefängnis in Luckau-Duben sucht Mitarbeiter, die mehr als nur aufpassen, dass niemand ausbricht. Während viele in Pension gehen, hören die Gerichte nicht auf, Urteile zu sprechen. Die Chefin der JVA muss jonglieren - und wirbt für den Job.
rbb|24: Frau Bruske, wer an der JVA Luckau-Duben vorbeifährt, sieht zurzeit ein großes Plakat, mit dem sie Leute suchen. Auf welche Seite der Gitterstäbe bezieht sich denn die Suche?
Petra Bruske: [lacht] Also, wir sind ja hier alle hinter Gittern, Bedienstete wie Gefangene. Die Anzeige bezieht sich natürlich auf Bedienstete und da generell auf alle Bereiche. Wir haben Psychologen, Sozialarbeiter, Mitarbeiter im pädagogischen Dienst, im Werkdienst. Aber die größte Gruppe ist der allgemeine Vollzugsdienst, da haben wir erfahrungsgemäß die größten Abgänge. Das sind die Bediensteten, die auch direkt an der Betreuung und Behandlung der Gefangenen mitwirken.
Das sind die sogenannten Schließer?
Der Begriff passt nicht mehr so ganz in die heutige Zeit. Bedienstete im allgemeinen Vollzugsdienst AVD sind heutzutage weitaus mehr. Das bedeutet nicht nur wegschließen und von A nach B bringen.
Wie sehen die Aufgaben aus?
Die Aufgaben variieren je nach Dienstposten und Tageszeit. Die Mitarbeiter sind in drei Schichten eingesetzt - Früh-, Spät- und Nachtschicht. Wenn ein Mitarbeiter zur Betreuung und Behandlung von Gefangenen eingesetzt ist, nimmt er beispielsweise auch Anträge von Gefangenen entgegen, zum Beispiel, wenn ein Gefangener zum Arzt möchte.
Sie haben auch Mitspracherecht in Vollzugsplankonferenzen. Gerade da sind unsere Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst immens wichtig, weil sie die Gefangenen im Vollzugsalltag erleben.
Dann begleiten die Mitarbeiter Gefangene innerhalb der Anstalt - zu den Arbeitsbetrieben und Sportmaßnahmen, letztlich auch zum Arzt oder zu Behandlungsmaßnahmen. Sie begleiten auch den Transport, wenn ein Gefangener aus medizinischen Gründen in ein externes Krankenhaus ausgeführt werden muss. Dort stellen sie auch die Bewachung vor Ort sicher.
Außerdem begleiten sie Gefangene bei Ausgängen oder bei Ausführungen. Das betrifft die Fälle, in denen zum Beispiel jemand vor der Entlassung steht und Behördengänge zu erledigen sind, Kontakt zu Verwandten im Vorfeld der Entlassung aufzunehmen oder eine Wohnung anzuschauen ist, gegebenenfalls auch eine Vorstellung beim Arbeitsamt erfolgen soll.
In Ihrer JVA gibt es 135 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst, davon sind zurzeit 113 besetzt, 13 Personen befinden sich in der Ausbildung. Es bleibt eine Lücke von neun Personen. Woher kommt es, dass diese Stellen unbesetzt sind?
Ich denke, es ist tatsächlich eine Gemengelage, die nicht eindeutig identifizierbar ist. Wir befinden uns gesamtgesellschaftlich in einem Generationenwechsel, da ist der Justizvollzug nicht ausgenommen. Man weiß, dass jetzt die "Baby-Boomer", diese geburtenstarken Jahrgänge, auf allen Ebenen in Pension gehen, beziehungsweise in den Ruhestand eintreten, dann kommen geburtenschwache Jahrgänge. Es muss natürlich entsprechend Nachwuchs hinterherkommen. Ich würde die Lage nicht als dramatisch bezeichnen, aber man muss jetzt auch das Personal ran bekommen, damit man für die nächste Zeit gut abgesichert ist.
Es gibt auch eine hohe Fluktuation. Meines Erachtens kommt noch ein bisschen dazu, dass sich junge Menschen vielleicht nicht mehr ein Leben lang auf einen Beruf festlegen möchten, sondern sagen: Gut, ich fange mal da an oder ich fange mal da an.
Ab wann würde ein Personalmangel dazu führen, dass so ein Gefängnis nicht mehr betriebsfähig ist?
Ich muss sagen, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Bislang sind wir glücklicherweise nicht in der Situation - und so wie das aussieht, kommen wir auch nicht in die Situation -, dass ich darüber nachdenken muss, dass wir nicht mehr betriebsfähig sind.
Ich nehme an, die Suche nach Personal ist nicht nur ein Problem der JVA Luckau-Duben, sondern auch anderer Brandenburger Justizvollzugsanstalten?
Ja, das gibt es tatsächlich bundesweit. Wobei wir Gott sei Dank immer noch mit bestimmten Dingen punkten können. Im Dezember 2021 wurde das Mindestalter für Neueinstellungen für die AVD-Stellen von 21 auf 18 Jahre abgesenkt und das Maximalalter für Neueinstellungen auf 39 Jahre heraufgesetzt. Das heißt, wir können inzwischen eine Gruppe von jungen Menschen ansprechen, die wir davor nicht ansprechen konnten. Wir haben jetzt auch Bewerbungen von Abiturienten und Abiturientinnen.
Bei ihnen fehlen neun Mitarbeiter, die 13 in der Ausbildung sind auch noch nicht hundertprozentig einsetzbar. Welche Folgen hat das für den Gefängnisalltag?
Man muss ein bisschen jonglieren. Wenn Personal fehlt, haben wir eine Vertretungssituation. Wir haben immer ein Backup, das muss man sagen. Aber man kann natürlich dieses Backup und diese Vertretungssituation nicht lange vorhalten. Man muss sehen, dass man dann wieder Personal ran bekommt, sodass diese Vertretungssituationen aufgelöst werden.
Es ist natürlich so, dass dann auch Belastungen insgesamt steigen. Deswegen bin ich bestrebt, dass meine Stellen immer voll besetzt sind.
Wie viele Inhaftierte gibt es zurzeit in Ihrer JVA?
Wir sind zurzeit einigermaßen voll belegt, haben 250 im geschlossenen und 60 im offenen Vollzug. Meine Belegungsfähigkeit im geschlossenen Vollzug liegt bei 273 Haftplätzen und wir haben ja noch eine Außenstelle in Spremberg mit maximal 101 Haftplätzen für den offenen Vollzug.
Wirkt sich der Personalmangel auch auf die Zahl der Zuweisungen von Häftlingen aus? Sprich: Gibt es leere Zellen, weil Personal fehlt?
Nein, das kommt natürlich nicht vor, weil die Gerichte ja auch weiterhin verurteilen. Darauf haben wir keinen Einfluss.
Die wenigsten werden wissen, wie so ein Job in der JVA aussieht. Auf welche Weise werben Sie um Mitarbeiter?
Da das Mindestalter herabgesetzt wurde, sind wir jetzt auch an Schulen bei Berufsorientierungstagen präsent. Dann gibt es Ausbildungsmessen sowie die Bildungsstätte der JVA Brandenburg an der Havel. Sie veranstaltet Bewerberinformationstage. Dort ist zum Beispiel ein Haftraum aufgebaut, den man anschauen kann. Man bekommt dann auch eine Vorstellung davon, wie sich ein Gefangener fühlt.
Die Bewerberinformationstage finden am 25. September und am 20. November 2024 statt. Das ist auch die Gelegenheit, tatsächlich mit Bediensteten ins Gespräch zu kommen und sich darüber zu informieren.
Ist die Arbeit als Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst gefährlich?
Was in diesem Leben ist nicht gefährlich?
Dann anders gefragt: Ist diese Arbeit in besonderer Weise gefährlich?
Also im Vergleich halte ich sie für weitaus weniger gefährlicher als die Arbeit bei der Polizei. Wir sind hier gut gesichert. Zum einen wird hier im Team gearbeitet. Man hat also immer Kollegen, die mit vor Ort sind. Wir haben hier sogenannte Personensicherungsgeräte, mit denen man auch sofort Alarm auslösen kann. Und wenn Sie mal gucken: Es gab, es gibt wenige, wirklich gefährliche Übergriffe von Gefangenen auf Bedienstete.
Ich bin schon so lange im Justizvollzug und würde also eher antworten: Nein. Gut, wenn jemand in der Wäscherei an der Mangel arbeitet, ist es sicherlich etwas anderes, als wenn man mit Menschen zusammenarbeitet. Aber wenn man vergleichbare Berufe nimmt, bei denen auch mit Straftätern oder auch mit psychisch auffälligen Menschen gearbeitet wird, würde ich in dem Verhältnis sagen: Nein.
Welche Voraussetzungen müssen Bewerber mitbringen?
Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit.
Okay, das klingt nach einem Bürojob.
Im allgemeinen Vollzugsdienst ist man schon in einer besonderen Weise aufeinander angewiesen, auch, was die Kommunikation angeht. Ich hatte ja vorhin gesagt, dass sie in der Wechselschicht eingesetzt sind. Es gibt immer die sogenannten Schichtübergaben. Das heißt, ich muss ganz gut beobachtet haben. Ich muss wissen, was in meiner Station, in meiner Abteilung los ist, damit ich den Kollegen, die die nächste Schicht übernehmen, Auskunft darüber geben kann. Das unterscheidet es schon ein im besonderen Maße von einem Bürojob, bei dem auch Kommunikationsfähigkeit wichtig ist.
Es muss natürlich auch ein gewisses Level an körperlicher Fitness vorhanden sein. Das wird beim Eignungsfeststellungstest, die regelmäßig stattfinden, abgeprüft. Gerade im allgemeinen Vollzugsdienst würde das tatsächlich dazukommen.
Wie viel verdient ein Mitarbeiter im allgemeine Vollzugsdienst im Schnitt?
Das ist schlecht einzuschätzen. Für Anwärter kann ich sagen, dass sie schon während der Ausbildung circa 2.000 Euro brutto im Monat bekommen, was recht gut ist. Darin enthalten ist ein Anwärtersonderzuschlag.
Bei den ausgebildeten "AVDlern" kommen Schichtzulagen in Höhe von 100 Euro pro Monat nach einer Dienstzeit von einem Jahr und 200 Euro pro Monat nach einer Dienstzeit von zwei Jahren hinzu. Die Besoldung im Eingangsamt des AVD wurde erst kürzlich von A7 auf A8 angehoben und damit das Einkommen gerade für Ausbildungsabsolventen noch attraktiver gemacht.
Ist auch ein Praktikum zum Reinschnuppern möglich?
Also bei der JVA Luckau-Duben ja. Dafür bin ich recht offen. Man sollte mindestens 16 Jahre alt sein, 18 wäre mir lieber, und es sollte natürlich ein Interesse an dem Berufsbild vorhanden sein. Mal so reinzugucken, weil Justizvollzug irgendwie spannend ist, ist schwierig.
Bei den meisten ist es so, dass sie über den Freundes- oder Bekanntenkreis schon Menschen kennen, die im Justizvollzug arbeiten oder die in irgendeiner Form eine Berührung haben und die dann anfragen, ob sie mal ein Praktikum machen können.
Man braucht natürlich immer jemanden, der sich um die Praktikanten kümmert. Sie bekommen natürlich auch keinen Schlüssel. Das heißt, ich muss auch immer jemanden haben, der dabei ist, sie durch die JVA geleitet.
Was denken Sie: Wie wird sich die Personalsituation bei Ihnen künftig entwickeln?
Ich bin optimistisch. Ich glaube, wir haben tatsächlich vieles zu bieten. Diese Herabsetzung des Mindestalters hat es schon gezeigt. Und selbst wenn man im allgemeinen Vollzugsdienst anfängt, gibt es hier auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
Wir haben jetzt beispielsweise eine junge Frau, die studiert nebenbei Sozialarbeit. Sie kann man dann hinterher im Sozialdienst übernehmen. Oder es gibt welche, die dann nochmal einen gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienst machen wollen. Auch die Möglichkeiten gibt es. Das ist so ein duales Studium.
Es gibt aber auch innerhalb des allgemeinen Vollzugsdienstes und innerhalb einer JVA viele Bereiche, wo man eingesetzt werden kann. Wenn jetzt also jemand fünf oder zehn Jahre im Hafthaus gearbeitet hat und sagt, ich möchte mal den Posten wechseln, ich möchte mich an der Arbeit der Gefangenen beteiligen oder ich möchte gerne in den Fahrdienst, in die Sicherheitszentrale oder lieber Sport mit den Gefangenen machen, gibt es ganz viele Möglichkeiten.
Deswegen denke ich, dass wir, wenn man das tatsächlich transportieren kann, einen großen Vorteil haben. Ich erlebe im Moment auch, dass wirklich Interesse da ist - gerade auch bei Abiturienten, die sagen: Ja Mensch, das klingt interessant.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Martin Schneider für Antenne Brandenburg. Der Text ist eine redigierte und gekürzte Fassung.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.08.2024, 14:10 Uhr