Meinung | Bauernproteste -
Demokratie verträgt auf Dauer keine Maßlosigkeit
Mo 08.01.24 | 15:55 Uhr | Von Andreas Oppermann
Auf den größeren Straßen in Brandenburg geht aufgrund der Bauernproteste wenig bis gar nichts. Es regiert die Wut der Landwirte auf die Ampel-Koalition. Doch auch Protest sollte Grenzen haben. Ein Kommentar von Andreas Oppermann
Demonstrations- und Versammlungsfreiheit gehören zu Recht zum Kern der unveräußerlichen Menschenrechte. Deshalb ist es auch legitim, wenn sich Bürger gegen Regierungshandeln zusammenschließen, um zu protestieren. Auch landesweiter Protest ist völlig in Ordnung.
Die Proteste der Bauern gegen die Streich-Pläne der Ampel-Regierung gehen weiter. Ein Gespräch mit dem Agrarökonomen Klaus Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Landwirte.
Demokratie verträgt auf Dauer keine Maßlosigkeit
Aber dennoch sollte es auch Grenzen geben. Demokratie verträgt auf Dauer keine Maßlosigkeit. Das, was von vielen Landwirten in den vergangenen Tagen zu hören war, ist aber maßlos.
Wenn die Bundesregierung einen Großteil des bekämpften Subventionsabbaus streicht, dann war die Ankündigung des Protests allein schon erfolgreich. Dann ist jetzt der Moment des Gesprächs und nicht der Steigerung des Protests.
Egal was man von der Kommunikationsfähigkeit der Bundesregierung hält, auch Protest muss verhältnismäßig sein. Egal ob man sie am liebsten los wäre oder doch noch darauf hofft, dass das ideologisch zerstrittene Bündnis in Schwung kommt. Und dass der Bundeskanzler endlich beginnt seine Politik zu erklären, für Verständnis zu werben und im Idealfall sogar zu überzeugen. Ansonsten delegitimiert er sich.
Verkehrsstillstand ist Freiheitseingriff
Das gilt auch für die Form. Warum haben Besitzer von riesigen Maschinen mehr Macht bei Versammlungen und Demonstrationen als der Normalbürger? In der geheizten Fahrerkabine eines Traktors die Zufahrt einer Autobahn zu sperren, ist im Kern feige und natürlich auch maßlos.
Wer mit vielen Traktoren und Lkw viele Autobahnen und Verkehrskreisel dicht machen kann, hat die Macht, uns allen die gewohnte Freiheit zu nehmen. Verkehrsstillstand ist ein Eingriff in die Freiheit von uns anderen, in die Gewerbefreiheit, in unser aller Freizügigkeit. Oder das Recht auf Bildung, wenn die Kinder nicht in die Schule gehen können.
Straßenblockaden in der Region: Die Proteste in Bildern
Bild: dpa/F.Hammerschmidt
Noch bei Dunkelheit sperren Bauern mit Traktoren und Lkw bei Vetschau (Spreewald) die Auffahrt zur A15 in Richtung Berlin.
Bild: rbb/T.Schönberg
Traktoren fahren bei Tagesanbruch über einen Kreisverkehr in Beeskow (Oder-Spree)
Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul)
Landwirte blockieren am frühen Morgen bei Jacobsdorf die Auffahrt auf die Autobahn A12 in Richtung Berlin.
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Arktische Kullisse: Ein Bauer protestiert am frühen Montagmorgen ebenfalls bei Jacobsdorf in der Nähe der A12.
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Treffen bei Sonnenaufgang und klirrender Kälte: Hunderte Landwirte und Unterstützer versammeln sich am Spargelhof Klaistow (Potsdam-Mittelmark).
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Ein Traktor blockiert am Montagmorgen beim brandenburgischen Jacobsdorf die Auffahrt zur A12 in Richtung Berlin.
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Landwirte fahren mit ihren Traktoren bei Potsdam-Pirschheide zur Staatskanzlei der Brandenburger Landesregierung.
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"Wir treten euch raus" steht auf einem Stiefel von Protestlern am Brandenburger Tor in Berlin. Gemünzt ist die Ansage auf die Ampel-Koalition. Die Wut ist groß unter den vielen Hundert Landwirten, die sich am Montagvormittag auch in Berlin versammelt haben.
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"Ohne Landwirtschaft ist alles doof" - ein Bauernpaar warnt auf der Straße des 17. Juni in Berlin vor Streichungen im Agrarsektor.
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Sehnsucht nach Kolchose und LPG?: An einem Traktor auf der Straße des 17. Juni hängt die Fahne der DDR.
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Laut Polizei sind es fast 700 Fahrzeuge, die sich auf der Straße des 17. Juni versammelt haben.
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Auch am Mittag noch komplett dicht: die Straße des 17. Juni vor der Kulisse der Siegessäule.
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Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird am Montagvormittag vor der Staatskanzlei in Potsdam von Protestierenden umringt.
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So wie in Cottbus bildet sich in den Mittagsstunden auch in Frankfurt (Oder) ein Autokorso. Während in Cottbus mehr als 1.400 Fahrzeuge durch die Innenstadt fahren, sind es hier mehrere Hundert. Die Teilnehmer kommen aus verschiedenen Branchen und protestieren gegen die Bundesregierung.
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Teilnehmer der Sternfahrt durch Cottbus vor dem Start am Sandower Dreieck
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Zahlreiche Menschen stehen bei der Kundgebung des Verbands der Freien Bauern gegen die Subventionskürzungen in der Agrarwirtschaft vor dem Brandenburger Tor.
Bild: dpa/F.Hammerschmidt
Auch kleine und mittelständische Transportunternehmen wehren sich gegen die Politik der Ampel-Koalition. Ein Lkw blockiert auch aus Solidarität mit den Bauern eine Auffahrt zur A15 in Brandenburg.
Es ist also Zeit für Mäßigung. Wenn der Bauernverband dahin nicht zurückkehrt, sind auch alle Distanzierungen von rechtsradikalen Protest-Trittbrettfahrern obsolet. Denn so wie die Bauern auftreten, sind sie selbst militant. Wenn sie ihren Protest nicht absagen, eröffnen sie den noch militanteren die Chance im Schatten der Bauern ihre Umsturzphantasien auszuleben. Zum Schaden der Demokratie. Zu unser aller Schaden.