Protestwoche - Bauern, Spediteure und Handwerker blockieren Straßen in der Region
Die Bauernproteste gegen Subventionskürzungen haben Gütertransport und Verkehr in der Region teilweise lahmgelegt. Mit Autobahnblockaden, Kolonnen und Schleichfahrten protestierten Landwirte gegen die Sparpläne der Bundesregierung.
- In Berlin Straße des 17. Juni gesperrt - auch in der Nacht
- In Brandenburg Autobahnauffahrten blockiert
- Güterverkehrszentrum Großbeeren erst seit dem Abend wieder frei
- Sorge vor Vereinnahmung durch radikale Gruppen
Landwirte, Spediteure, Handwerker und andere Unterstützer haben den Verkehr in der Region am Montag teils erheblich blockiert.
In einer ersten Tagesbilanz sprach die Brandenburger Polizei von bis zu 171 Versammlungen mit einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Mehr als 100 Autobahn-Auffahrten wurden blockiert.
Insgesamt sprach die Polizei von friedlichen Protestem mit wenigen kleineren Vorkommnissen, die im Gespräch gelöst werden konnten. Bislang waren landesweit insgesamt 855 Polizeibeamte zum Einsatz. Unterstützung kam von der Bundespolizei.
Laut Polizei waren die Verkehrsprobleme in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) besonders groß.
Güterverkehrszentrum südlich von Berlin viele Stunden lahmgelegt
Nach mehreren Stunden sind am Montagabend zwei Blockaden des Güterverkehrszentrums Großbeeren aufgelöst worden. Das bestätigte eine Sprecherin des Brandenburger Polizeipräsidiums dem rbb. Die Blockaden an den Zufahrten waren nicht angemeldet, wie die Polizei betonte.
Im Verlauf des Tages hatte die Polizei dann nach eigenen Angaben vor Ort Kontakt mit den Teilnehmern und habe "kommunikativ eine Lösung" erzielt. In Großbeeren sind unter anderem Verteillager großer Lebensmittel-Händler angesiedelt. Bauern hatten seit dem Morgen mit Traktoren Zufahrten versperrt.
Verärgert hatte der Handelsverband Berlin-Brandenburg auf die Blockaden der Landwirte reagiert. Die Branche befürchtete für die kommenden Tage Einschränkungen bei der Belieferung von rund 200 Supermärkten in Berlin und Brandenburg mit Lebensmitteln.
Verbandssprecher Nils Busch-Petersen kritisiete die Aktion: "Wir sind ziemlich sauer. So funktioniert ordentlicher Protest nicht."
In Cottbus waren mehr als 1.000 Fahrzeuge in der Innenstadt unterwegs. Die Polizei schätzte die Länge des Korsos auf etwa zehn Kilometer. Er bewegte sich mit ungefähr 6 km/h vorwärts. Mittelständische Verbände und Bauern protestierten mit dem Autokorso gegen die Politik der Ampel-Regierung.
Nach rbb-Informationen waren auch in Frankfurt (Oder) mehrere Hundert Fahrzeuge. Mit Tröten und Flaggen mit Friedenstauben forderten sie die Absetzung der Ampel-Regierung.
Woidke: Agrarsubventionen sind notwendig
Die Staatskanzlei in Potsdam war am Montag von Traktoren belagert. Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kam nach draußen, um mit den Protestierenden zu sprechen. "Ich kann der Bundesregierung nur raten, die Kürzungen komplett zurückzunehmen", sagte Woidke in einer Menschenmenge. Im rbb wies er am Montagabend zudem die Kritik an den Subventionen zurück. Die Landwirte seien europa- und weltweit im Wettbewerb, so Woidke. "Diese Subventionen tragen ja dazu bei, dass auch ein Land wie Brandenburg mit relativ armen Böden, mit relativ schwachen Böden, landwirtschaftlich wettbewerbsfähig bleibt. Und das heißt wiederum, dass unsere Kulturlandschaft in Summe bewirtschaftet werden kann."
Auch der Brandenburger CDU-Vorsitzende Jan Redmann stellte sich hinter die Proteste der Landwirte. "Wir wünschen uns ja eigentlich alle mehr regionale Produkte (...) mit hohen ethischen und ökologischen Standards", sagte er. "Wenn wir da aber den Bauern das Leben so schwer machen, wird das am Ende nur zu Importen führen von Produkten, die unter schlechteren Standards produziert worden sind."
Nach Angaben der Kreisbauernverbände Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming hatten am Montag rund 1.000 Landwirte vor der Staatskanzlei protestiert.
In Brandenburg wurden fast alle Autobahnauffahrten blockiert: Auffahrten der A2, A9, A10, A11, A12, A13, A113 und A115, teilte die Polizei auf X (ehemals Twitter) mit.
In der Prignitz war das Auffahren auf die A24 bei Meyenburg und Pritzwalk nicht möglich. Traktoren hinderten unter anderem auch die Autofahrer bei Bernau in Barnim daran, auf die A11 zu fahren. Auch die B189 und die B5 sind komplett dicht. Lkw eines Düngemittelwerks blockieren beide Bundesstraßen bis voraussichtlich 17 Uhr.
In Südbrandenburg blockieren Fahrzeugführer die Auffahrten der A15 und A13. Landwirte aus Potsdam-Mittelmark fuhren mit Hunderten Traktoren von Klaistow nach Potsdam. Auch Vertreter von Handwerksbetrieben und Speditionen waren dabei.
Im Westen Brandenburgs sind laut Polizei alle Auffahrten an der A2, A9, A10 und A115 blockiert. Größere Auswirkungen sind auch in der Prignitz und Ostprignitz-Ruppin zu erkennen; Sperrungen von Autobahnauffahrten gibt es in Neuruppin, Neuruppin-Süd und Fehrbellin. Große Behinderungen gibt es auch auf der B5 ab Karstädt über Perleberg bis kurz vor Kyritz.
Am Brandenburger Tor in Berlin fanden sich laut Polizei 680 Fahrzeuge. Insgesamt 1.300 Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich zur Kundgebung, wie die Polizei mitteilte.
Die Straße des 17. Juni war bereits seit Sonntagabend gesperrt. Auch hier, zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, blockieren viele Traktoren und andere Fahrzeuge. Wegen langsam fahrender Traktoren komme es darüber hinaus zu teilweise zähem Verkehrsfluss auf der B101 im Süden Berlins und auf der B1 im Osten. Insgesamt sei die Lage in der Hauptstadt aber ruhig.
Straßenblockaden in der Region: Die Proteste in Bildern
Protestwoche gipfelt am 15. Januar in Berlin
Der Protest an Autobahnauffahrten und anderen Behinderungen wurde am Sonntag vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erlaubt. Damit ist ein Antrag der Brandenburger Polizei gescheitert, wonach nicht alle Auffahrten einer Autobahn gleichzeitig versperrt werden sollten. Autobahn-Abfahren dürfen hingegen nicht blockiert werden.
Angesichts der angekündigten Blockaden setzte das Land Brandenburg das Sonn- und Feiertagsverbot am 7. Januar aus, wie es am Sonntag mitteilte. Für Brandenburg bietet die Polizei einen Überblick über die aktuellen Verkehrswarnungen. [polizei.brandenburg.de].
Die Protestwoche der Bauern soll am 15. Januar in einer Demonstration in Berlin gipfeln.
rbb-Reporter bedroht
Bei der Berichterstattung über die Proteste wurden ein Reporter und ein Techniker des rbb bedroht und beschimpft. Sie hatten zunächst nur mit Polizeiunterstützung die Autobahn A13 an der Abfahrt Ortrand (Oberspreewald-Lausitz) verlassen können. Danach wurden sie auf der Bundesstraße am Weiterfahren gehindert und bedrängt. Demonstranten stellten sich vor den Übertragungswagen und schlugen dagegen. Wie die Sprecherin der Polizeidirektion Süd Ines Filohn sagte, wird im Falle einer Strafanzeige wegen Nötigung oder Beleidigung ermittelt.
Derweil wurden bei einer Straßensperrung in Pinnow am Kreisel in der Uckermark zwei Streikende leicht verletzt. Ein Autofahrer soll die beiden 35- und 42-Jährigen gegen 7 Uhr erfasst haben. Danach gab es eine verbale Auseinandersetzung, so die Polizeidirektion Ost in Brandenburg.
Mobilisierung durch radikalere Kreise befürchtet
Politiker und Bauernverbände riefen vor der Aktionswoche ausdrücklich zur Mäßigung auf. "Bleibt friedlich", forderte der brandenburgische Bauernpräsident Henrik Wendorff bei der Plattform X (vormals Twitter). Joachim Rukewied, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), betonte, dass Rechte und andere radikale Gruppierungen bei Demonstrationen unerwünscht seien.
Bauern rechnen mit Wettbewerbs-Nachteilen
Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen für die Branche im Zuge der Haushaltskrise. Die Bundesregierung hatte im Dezember geplant, im Agrarbereich 920 Millionen Euro einzukürzen, um das Haushaltsloch 2024 zu stopfen. Unter anderem sollten die Kfz-Steuerbefreiung für Fahrzeuge in der Landwirtschaft und die Subventionen für den Agrar-Diesel gestrichen werden. Diese Pläne wurden mittlerweile weitgehend aufgehoben, der DBV hält dennoch an den Protesten fest.
Die Landwirte beklagen teils nicht zu verkraftende Einkommenseinbußen durch die geplanten Subventionskürzungen. Sie sehen auch die Gefahr, dass sie mit der Produktion von Lebensmitteln nicht mehr wettbewerbsfähig innerhalb der EU sind.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.01.2024, 19:30 Uhr
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