Entzogener Doktortitel - Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück
Die Universität Rostock hat die Doktorarbeit von Manja Schreiner überprüft - und wird ihr den Titel entziehen. Schreiner zieht daraus nun Konsequenzen - und kündigt ihren Rücktritt als Berliner Verkehrssenatorin an.
- Im August 2023 wurde die Überprüfung der Doktorarbeit von Manja Schreiner (CDU) wegen möglicher Plagiate angestoßen
- Die Universität Rostock enzieht der Politikerin nun den Doktortitel
- Schreiner kündigte am Dienstag ihren Rücktritt an
- Sie will die Einschätzung der Uni privat anfechten
Die Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück. In einem kurzen Statement sagte die CDU-Politikerin am Dienstagvormittag zur Begründung, die Universität Rostock werde ihr den Doktortitel entziehen. Um Schaden vom Berliner Senat abzuwenden, habe sie den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) deshalb um ihre Entlassung gebeten.
"Ich tue dies sehr schweren Herzens", sagte die Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, "ich hätte sehr gerne mit all meiner Kraft diese Stadt weiter gestaltet." Schreiner betonte, sie habe in ihrer Dissertation an keiner Stelle vorsätzlich getäuscht oder betrogen. Als Privatperson werde sie deshalb Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen.
Wegner teilte rund eine Stunde später mit, dass er der Bitte Schreiners nachkomme. Wer auf ihren Posten folgen werde, steht demnach nicht fest. "Es werden zeitnah Gespräche geführt", so der Regierende Bürgermeister.
Überprüfung nach Plagiatsvorwürfen gegen Schreiners Doktorarbeit
Manja Schreiner hatte die Universität Rostock im vergangenen Sommer selbst darum gebeten, ihre juristische Doktorarbeit aus dem Jahr 2007 zu überprüfen. Damit reagierte sie auf Berichte über Plagiate in der Arbeit zum Thema "Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht".
Die Universität Rostock begründete den Entzug des Doktortitels nun mit dem Ausmaß an nicht ausreichend gekennzeichneten Textübernahmen in ihrer Dissertation. Die Quantität der Fehler und ihre qualitative Gewichtung ließen den Fakultätsrat zu dem Schluss kommen, dass das Werk den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht genüge, teilte das Gremium der Juristischen Fakultät am Dienstag mit: "Daher hätte Frau Schreiner der Doktorgrad nicht verliehen werden dürfen. Der Fakultätsrat hat daher einstimmig beschlossen, den Doktorgrad wieder zu entziehen."
Zuerst war der Vorwurf im Fachmagazin "Neue Juristische Wochenschrift" aufgetaucht. Der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel hatte in einem Artikel über sogenannte "Bauernopfer" in akademischen Schriften Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Als "Bauernopfer" werden Textübernahmen aus anderen Arbeiten bezeichnet, bei denen die Quelle zwar genannt wird, aber beispielsweise nicht klar gekennzeichnet ist, in welchem Umfang Text übernommen wurde.
Danach hatten Fachleute auf der Plattform Vroni-Plag Wiki die Doktorarbeit analysiert und nach eigenen Angaben "zahlreiche und umfängliche Plagiatsbelege" gefunden. Auf der Website heißt es, mehr als zwei Drittel der Seiten enthielten Plagiatstext, auf 13 Seiten machten die problematischen Stellen mehr als 75 Prozent des Textes aus. Hauptsächlich gehe es dabei um "Bauernopfer", teilweise aber auch um "Komplettplagiate".
Auch Giffey trat nach Plagiatsvorwürfen zurück
Schreiner selbst hatte sich bis Dienstag nie öffentlich zu den Vorwürfen geäußert. Aus ihrem Umfeld hieß es zuletzt, sie habe "eine tiefe Grundüberzeugung, nichts falsch gemacht zu haben".
Manja Schreiner ist nicht die erste Berliner Spitzenpolitikerin, die nach Plagiatsvorwürfen ein Amt verliert. 2021 trat die heutige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) als Bundesfamilienministerin zurück, als sich abzeichnete, dass ihr die Freie Universität den Doktortitel entziehen würde. Wenige Monate später trat Giffey aber als Spitzenkandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl an und wurde nach dem SPD-Wahlsieg Regierende Bürgermeisterin.
Trotz Verlust des Doktortitels im Amt blieb 2012 der damalige CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf.
Schreiner stieß mit ihrer Politik als Verkehrssenatorin auf Kritik
Schreiner ist Juristin und gehört dem schwarz-roten Berliner Senat seit Ende April 2023 an. Von 1996 bis 2001 studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Rostock. Nach dem Referendariat schloss sie ein Masterstudium in Internationalem und Europäischem Wirtschaftsrecht an. Von 2005 bis 2007 promovierte sie in Rostock.
Als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt stieß Schreiner mit etlichen ihrer Entscheidungen auf Kritik aus der Stadtgesellschaft. Kritiker aus anderen Parteien warfen ihr vor, nach den Bemühungen der rot-grün-roten Vorgängerregierung um eine ökologische Verkehrswende wieder stärker eine Mobilitätspolitik für das Auto zu machen.
Anerkennung aus der CDU, Kritik aus der Opposition
"Wer getäuscht und Privilegien missbraucht hat, muss Konsequenzen ziehen", kommentierte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Graf am Dienstag die Rücktritts-Ankündigung. "Daher war der Rücktritt Manja Schreiners nach der Aberkennung ihres Doktortitels der einzig mögliche Schritt." Die nun frei werdende Stelle Schreiners müsse "zügig neu besetzt werden". Er kritisierte Schreiners Arbeit als Verkehrssenatorin als "Stop-Politik" und forderte eine "progressive, mutige und nachhaltige Verkehrspolitik" für Berlin.
Der Regierende Bürgermeister Wegner betonte in seinem Statement, er sei dem Rücktrittsgesuch "schweren Herzens" nachgekommen. Wegner nannte Schreiner "ein Gesicht und eine Stimme für eine dringend notwendige Verkehrswende in unserer Stadt, die die Ideologie der letzten Jahre überwindet". Schreiner habe in den vergangenen zwölf Monaten "die richtigen Schwerpunkte gesetzt und sich für eine Verkehrspolitik eingesetzt, die alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer in den Blick nimmt."
Die Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein zollte Schreiner auf X ihren Respekt. "Die vor einem Jahr begonnene Wende hin zu einer fairen Mobilität für alle trägt ihre Handschrift."
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Kristin Brinker, lobte den Rücktritt der Verkehrssenatorin als "politischen Anstand". Schreiner war "als Verkehrssenatorin eine positive Abwechslung zu ihren rein ideologisch motivierten Vorgängern. Sie war erkennbar bemüht, die vielfältigen verkehrlichen Interessen der Berliner unter einen Hut zu bekommen, anstatt wie ihre Vorgänger die Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen", so Brinker.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.04.2024, 11:30 Uhr
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