Netzwerktreffen - Rechtsextreme Prominenz versammelt sich auf "Buchmesse" von Berliner AfD-Fraktionsvize

Fr 10.05.24 | 11:19 Uhr | Von Sabine Müller
Archivbild: Thorsten Weiß, Kandidat für die Europawahl, spricht bei der Europawahlversammlung der Alternative für Deutschland. (Quelle: dpa/Skolimowska)
Video: rbb24 Abendschau | 11.05.2024 | Sabine Müller | Bild: dpa/Skolimowska

Der Berliner AfD-Fraktionsvize Thorsten Weiß lädt am Wochenende zu einem Vernetzungstreffen. Kritiker halten die Veranstaltung für brandgefährlich, in der AfD selbst zeigen sich viele demonstrativ unbeeindruckt. Von Sabine Müller

Es war sozusagen der Ritterschlag für die "Alternative Buchmesse", dass Thüringens AfD-Chef Björn Höcke höchstpersönlich auf seinem Telegram-Kanal Werbung für den Termin gemacht hat. Kein Wunder also, dass die jeweils 150 Tickets für Samstag und Sonntag innerhalb von vier Tagen ausverkauft waren, wie Organisator Thorsten Weiß, Berliner AfD-Fraktionsvize, dem rbb sagte. Offensichtlich verfängt die Kampfansage des 40-Jährigen, er wolle mit der Veranstaltung, einem Vernetzungstreffen in Berlin, Angriffen auf die AfD etwas entgegensetzen.

Auf seiner Website spricht Weiß von "vermeintlichen Enthüllungen der verschiedenen staatlich gepäppelten Presseorgane", die auf "die öffentliche und nachhaltige Beschädigung der Alternative für Deutschland" zielten. Namentlich nicht genannt, aber wohl gemeint: Die Correctiv-Recherche zum Treffen radikaler Rechter Ende November in Potsdam.

In diesem wichtigen Wahljahr – Europawahl im Juni, Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September – sieht Weiß aber nicht nur die AfD selbst im Visier. Sondern auch ihr "Vorfeld", also Personen und Gruppierungen, die der Partei nahestehen oder direkt mit ihr zusammenarbeiten. Dieses Vorfeld solle zerschlagen werden, beklagt der AfD-Fraktionsvize, und seine Buchmesse versteht er als gezielte Unterstützungsmaßnahme: "Sie soll vor allem einen Werbeeffekt für die Vorfeld-Protagonisten haben".

Eine Bühne für gesichert Rechtsextreme

Auf dem Podium sitzen am Wochenende unter anderem Götz Kubitschek und Erik Lehnert, führende Köpfe des "Instituts für Staatspolitik" (IfS), das laut eigener Aussage Organisations- und Aktionsplattform für neurechte Bildungsarbeit sein soll. Der Verfassungsschutz sieht im IfS "gesichert rechtsextremistische Bestrebungen". Als rechtsextrem stuft die Behörde auch den Brandenburger AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt ein, der sich die Bühne am Samstag unter anderem mit Benedikt Kaiser teilt, einem Vordenker der Neuen Rechten.

Organisator Weiß, der früher Obmann des inzwischen offiziell aufgelösten völkischen-nationalistischen "Flügels" der AfD war, hatte 24 Aussteller zu seiner Buchmesse eingeladen, 15 werden kommen. Darunter zentrale rechte Publikationen wie die Zeitschrift "Sezession", der Jungeuropa-Verlag, der auch Übersetzungen rechtsextremer und faschistischer Autoren herausgibt, und der Verein "Ein Prozent", der beim Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem geführt wird.

Die Buchmesse soll die noch engere Zusammenarbeit von Partei und Vorfeld-Organisationen fördern. Eine solche Vernetzung sei "entscheidend wichtig" für beide Seiten, meint Simon Brost von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin. "Die Neue Rechte beliefert die AfD mit Personal für Fraktions- und Abgeordnetenbüros und mit ideologischer Munition in Form von Begriffen und Erzählungen", sagt Brost im Interview mit dem rbb. Im Gegenzug profitiere die Neue Rechte, weil der politische Einfluss der AfD ihr zu einer Wirksamkeit verhelfe, die sie sonst "im rechten Kulturkampf" nicht hätte, so der Rechtsextremismus-Experte.

"Ein Fall für den Verfassungsschutz"

Ario Mirzaie, Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion für Strategien gegen Rechts, sieht in der Kombination von Thorsten Weiß sowie den Gästen und Ausstellern "einen Fall für den Verfassungsschutz". "Die Offenheit und Unverfrorenheit, mit der der öffentliche Schulterschluss mit Rechtsextremen gesucht wird, ist gefährlich", warnt er gegenüber dem rbb.

Diese Einschätzung teilt Simon Brost, der die "Alternative Buchmesse" mit vielen als gesichert rechtsextrem eingestuften Teilnehmern als "Machtdemonstration" des völkischen Teils der AfD bewertet. Aus dem Berliner Landesverband, der sich lange als gemäßigt inszenierte, komme keine Kritik oder Widerspruch, so Brost – für ihn ein Beleg, dass sich die Machtverhältnisse im Landesverband verschoben haben, hin zu mehr Gewicht der Völkisch-Nationalen. "Das ist ein Statement nach innen und nach außen: Es gibt niemanden in der Partei, der eine solche Veranstaltung verhindern kann oder auch nur verhindern möchte."

Thorsten Weiß selbst will nichts wissen von einer "Machtdemonstration". Aber natürlich, sagt er dem rbb, solle die Buchmesse "auch ein Signal in die Partei hinein" sein.

Auf Distanz

Die Berliner AfD-Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker wird laut ihrem Sprecher nicht an der Buchmesse teilnehmen und will sich auch nicht dazu äußern, da dies "keine Fraktions- oder Parteiveranstaltung" sei. Allerdings gibt es deutliche Überschneidungen beim handelnden Personal, unter anderem werden am Wochenende mit Gunnar Lindemann und Hugh Bronson zwei Abgeordnete aus Brinkers Fraktion auf dem Podium sitzen. Außerdem ihr Büroleiter Alexander Sell, Spitzenkandidat der Berliner AfD für die Europawahl.

Verschiedene andere AfD-Abgeordnete sagen dem rbb, sie hätten nicht vor, die Veranstaltung zu besuchen. Grundsätzliche Kritik äußern sie nicht, manche bewerten aber den Fokus der Buchmesse auf einen sehr kleinen, intellektuellen Teil des politischen Vorfelds als zu eng. "Das Bild des AfD-Vorfelds ist viel größer als diese Messe und die paar Verlage", heißt es aus Parteikreisen.

Ein Abgeordneter, der nicht namentlich genannt werden will, glaubt, Thorsten Weiß gehe es nur darum, sich über Berlin hinaus zu profilieren. Mittlerweile ist es ein offenes Geheimnis, dass Weiß bei der nächsten Wahl nicht mehr fürs Abgeordnetenhaus kandidieren will, sondern vorhat, sich Richtung Thüringen zu orientieren. Erwartet wird, dass er im Umfeld seines guten Bekannten Björn Höcke eine neue Verwendung findet.

Vorbereitet auf Widerstand

Noch ist unklar, wo in Berlin die Buchmesse stattfinden wird. Aus Sorge vor Protesten will Veranstalter Weiß den Teilnehmern den genauen Veranstaltungsort erst am Freitagabend mitteilen. Nach rbb-Informationen befindet er sich in Marzahn.

Der Grünen-Abgeordnete Ario Mirzaie sagte dem rbb, er hoffe "auf großen und breit aufgestellten Protest, denn es braucht eine Antwort der Gesellschaft". Weiß ist nach eigener Aussage gerüstet für mögliche Proteste: "Wir sind gut darauf vorbereitet, mit Sicherheitsdienst und Nachtwache".

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.05.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

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