Uckermark denkt über neue Wege nach - Mit Berufsausbildungspflicht dem Fachkräftemangel begegnen

Fr 17.02.23 | 17:54 Uhr
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Illustration: Ein Holzhobel liegt an einer Berufsschule auf einem Tisch. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 17.02.2023 | Riccardo Wittig | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

An allen Ecken und Enden in der Wirtschaft und im Handwerk fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Firmen können schon teilweise keinen neuen Aufträge annehmen, weil die Leute fehlen. Der Landkreis Uckermarck denkt über eine Ausbildungspflicht nach.

Immer weniger junge Menschen in Brandenburg wollen einen handwerklichen Beruf erlernen. Darunter leidet der Mittelstand. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, prescht der Landkreis Uckermark jetzt mit einer bahnbrechenden Idee vor. Ähnlich der Schulpflicht will der Landkreis eine politische Debatte über die Einführung einer bundesweiten Ausbildungspflicht anstoßen.

Chef ist froh über neuen Lehrling

Der Azubi Mathes Saschowa aus dem ersten Ausbildungsjahr erlernt gerade das Versiegeln von Eichenholz. Der 18-Jährige ist einer von zwei Lehrlingen in der Tischlerei Holzfactura in Angermünde. "Ich interessiere mich generell für Holz, mein ganzes Leben schon mit Holz zu tun gehabt, meine Eltern, meine Großeltern sind alle so Holzaffine", sagt Sachowa dem rbb.

Sein Chef Sebastian Kurzhals sei froh über solchen Firmennachwuchs. Fachkräftemangel ist auch für ihm ein Thema. "Es ist im Prinzip so, dass wir ständig am Suchen sind und so gut wie keine Bewerbungen haben. Ja, es fehlt einfach an Fachkräften. Die Auftragslage ist super. Wir können Sachen nicht bedienen, weil wir die Leute nicht haben", so Kurzhals.

Sozialdezernent denkt über bundesweite Berufsausbildungspflicht nach

Tausende freie Stellen gibt es in Brandenburg. Der Landkreis Uckermark will dagegen steuern und prescht jetzt mit einer möglicherweise zukunftsweisenden Idee hervor. "Wir denken schon, dass es wichtig wäre, neben der Schulpflicht und einer einjährigen Berufsschulpflicht, eigentlich auch für junge Menschen in Deutschland eine Berufsausbildungspflicht zu etablieren", sagt der uckermärkische Sozialdezernent Henryk Wichmann (CDU). Mit dem erlernten Beruf könne man sein eigenes Geld verdienen und auf eigenen Füßen stehen. Man müsse dann nicht mehr zu Hause bleiben und sich mit den Leistungen des Staates zufriedenzugeben, so der Sozialdezernent.

Die Kreisbehörde verzeichnet eine steigende Zahl von jungen Menschen, die in die Sozialhilfe abrutschen. Viele seien ohne Berufsabschluss. Diese würden auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Wichmann wolle daher jungen Menschen eine Ausbildung im Handwerk schmackhaft machen. Das sollte seiner Ansicht nach schon in der Schule erfolgen. Im Unterricht sollte dafür mehr Zeit sein. In Arbeitsgemeinschaften könnten die Handwerkerberufe beworben und den Jugendlichen nähergebracht werden, so Wichmann.

Schon der Schule müssten Grundlagen gelegt werden

Allerdings sei es schwer, einmal abgerutschten Jugendlichen den Weg in ein handwerkliches Berufsleben zu ebnen. "Wir beobachten, dass die Jugendlichen praxisfern sind. Die wissen nicht, was hinter den verschiedenen Berufsbildern steckt", sagt Nicole Heise vom Angermünder Bildungswerk. Sie leitet dort die Berufsausbildung. Eigentlich müsste man damit schon im Kindergarten anfangen, beispielsweise den Werkstoff Holz vorstellen und was man damit alles anfangen kann, unterstreicht Heise.

Auch ihr Lehrausbilder Lutz Lehmann sieht Handlungsbedarf in der Schulbildung. Mehr praktischer Unterricht könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein. Von einer Berufsausbildungspflicht hat hält Lehmann aber wenig. "Das Interesse muss im Vorfeld geweckt werden. Mit Zwang quälen wir uns als Ausbilder oder die Betriebe genauso rum", sagt er. Wegen fehlendem Interesse entstünden dann nur Fehlstunden. Nur körperlich anwesend zu sein, weil man muss, bringt laut Lehmann wenig.

Tischlermeister von Berufsschulpflicht nicht angetan

Auch Tischlermeister Kurzhals ist für freiwilliges Lernen. Von einer Berufsausbildungspflicht hält er nichts. "Entweder kommt es aus eigenem Interesse, wie bei unseren Mathes, oder ansonsten wird es eher schwierig", so der Tischlermeister. Um in Zukunft Fachkräfte zu sichern, wolle er jungen Menschen mit Praktikumsplätzen und Workshops fürs Handwerk begeistern.

Übrigens: Einige Schulen in Brandenburg haben bereits umgesteuert und bieten praktischen Unterricht an. Für eine großflächige Einführung braucht es aber die Unterstützung aus Handwerk, Industrie und Wirtschaft.

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.02.2023, 14:40 Uhr

Mit Material von Riccardo Wittig

 

6 Kommentare

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  1. 6.

    "Pflicht" "Zwang" "drangsalieren" - was soll das helfen?
    Die Vernünftigen (zum Glück die meisten) kümmern sich von selbst um Bildung und Ausbildung - und wie wollen Sie Aus-, Weiter- und allgemein Bildungsverweigerer zur Ausbildung zwingen?

    Entzug von Liebe, Kontakt oder Geld? Wenn das nicht hilft: Jugendhof, Einzelhaft, Prügel, Folter ?
    Wenn Sie den Bildungsfernen das Geld kürzen, kommen schnell die um die Ecke, die "soziale Benachteiligung" und "Ausgrenzung" rufen...

  2. 5.

    Wir hatten Werken und Produktive Arbeit in der Schule. Bis heute profitiere ich von diesem Unterricht. Feilen, bohren, sägen, hämmern, Strom =>was man als Allgemeinbildung haben sollte. Kann nicht alles handwerliche selbst machen, verstehe aber, was und wie es gemacht werden muss. Stricken und häkeln gelernt. Basics, die ich 40 Jahre später erweitert habe. Schulgarten…auch die Kenntnisse bis heute sinnvoll. Insofern, gab es alles schon und hatte seinen Sinn.

  3. 4.

    Habe gelacht. Als Tischler übe ich trotz angeblichen Fachkräftemangel einen Beruf aus, von dem man kaum leben, geschweige denn jemals die Rente finanzieren kann. In Brandenburg ist man selbstverständlich noch ein bisschen schlechter dran als in Berlin. Ein Beruf, von dem man sich kaum das Leben und garantiert keine Zukunft leisten kann, ist Schwachsinn.
    Es gibt keinen Fachkräftemangel, es gibt einen Mangel an Fachkraftgehältern!

    Und jetzt auch nicht Zwangsarbeit als Lösung? Womöglich ein unmögliches Lehrlingsgehalt für die künftige Unterschicht, die aus dieser Arbeit erwachsene Gewinne streicht selbstverständlich das Unternehmen ein? Schlimmer kann die UDSSR für Otto-Normal-Verbraucher aber auch nicht gewesen sein. Ehe ich da mitmache gehe ich nach Dänemark.

    Und an die Jugend: bevor ihr euch die Gesundheit und die Rente versaut, nehmt das Bürgergeld, habt ihr unterm Strich mehr von.

  4. 3.

    Meier - Tischler! Müller - Maurer! Lehmann - Elektriker! Ja, das hört sich total nach einem Erfolgsmodell an. Echt, wäre toll, wenn alle dieser Koryphäe in seinem beruflichen Werdegang nacheifern würden. So ein Vorbild - wow.

    "Er absolvierte 1997 das Abitur an der Pestalozzi Gesamtschule in Lychen. Von 1999 bis 2006 studierte er an der Humboldt-Universität in Berlin Rechtswissenschaften. Im Jahr 2007 absolvierte er das erste juristische Staatsexamen und ist seit August 2008 im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Brandenburg."

    ... und dann im Baumarkt fragen, wo die Quecksilbernieten liegen.

  5. 2.

    Der Herr Wichmann tut so, als würden alle jungen Menschen noch bei Mutti wohnen und sich mittels Leistungen des Staates einen Lenz machen. Das empfinde ich wirklich empörend.
    Mittlerweile denke ich, Politiker hassen Kinder und Jugendliche. Anders kann ich mir das nicht mehr erklären.

    P.S.: Ich empfehle Herrn Wichmann mal Artikel 12 des Grundgesetzes.

  6. 1.

    So so...mit Zwang also.Na das wird aber einschlagen wie eine Bombe!
    Viel Spass mit den Auszubildenen, die Ergebnisse dürften dann Bände sprechen.
    DDR 2.0, der kleine feine Unteschied zwischen Ost und West.Mehr praktischer Untericht!?
    Da brauch ich mir nur die Pläne von Fr. Ernst anschauen.Bildung wird zweitrangig Haupsache malochen und das möglichst billig!

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