Müll-Altlasten - Illegale Abfalllager plagen Brandenburg
Aktivisten sprechen vom "Müllparadies" Brandenburg: Noch immer lagern auf mehr als 50 Flächen im Land illegal Abfälle – Altlasten von Unternehmen, die ihren Betrieb eingestellt haben. Oft muss das Land einspringen. Von A. König und M. Schon
- Die Zahl der illegalen Abfalllager ist weiterhin hoch
- In den vergangenen Jahren hat das Land 14,5 Millionen Euro für die Sanierung ausgegeben
- Ein Ende der Aufräumarbeiten ist nicht in Sicht
- In Schwedt wird eine Müllkippe zum Baugebiet
Das blaue Schild mit den Geschäftszeiten hängt noch: Montag bis Donnerstag 7 bis 15 Uhr, Freitag nur bis eins. Sonst ist nicht mehr viel übrig vom Gelände der Manteuffel Recycling GmbH in Schwedt-Blumenhagen. Ein Zaun, ein altes Firmenschild, ein Gatter – dahinter märkischer Sand, der aussieht wie frisch geharkt.
Ein Schandfleck verschwindet
Bis vor kurzem war das Gelände noch einer der vielen Schandflecken in Brandenburg, auf denen die Ruine eines misslungenen Versuchs zu besichtigen war, aus Müll Geld zu machen. Der scheiterte offenbar bereits im Jahr 2003. Damals brannte es im Recyclingbetrieb. "Das hat das Ganze ins Rollen gebracht", ist sich Jens-Uwe Kühnel sicher, der Ortsvorsteher von Blumenhagen. Erst folgte die Insolvenz, dann die unendliche Geschichte der Schadstoffbeseitigung.
Auch Annekathrin Hoppe (SPD), die Bürgermeisterin von Schwedt, hat lebhafte Erinnerungen an das Areal: "Ich habe hier oft genug schauen müssen, ob der Zaun in Ordnung ist, welche illegalen Abfalllagerungen es wieder gibt." Jetzt sei sie erleichtert, dass die Altlasten endlich beseitigt sind.
Dabei erwies sich der Fall als hartnäckig. Immer wieder tauchten bei der Räumung Überraschungen auf: Das Fundament eines alten Schafstalls, asbesthaltige Bauabfälle – oder 308 Tonnen alter Kondensatoren, aus denen Öl ausgetreten war und ins Grundwasser zu sickern drohte. 15 Jahre vergingen von der Insolvenz des Betreibers bis zum Abschluss der Sanierung. Bilanz: 6.315 Tonnen Müll wurden beseitigt. Kosten für den Steuerzahler: 1,2 Millionen Euro.
Für die nächsten zwei Jahre stehen sieben Millionen Euro bereit
Auch in den kommenden Jahren dürften Millionenbeträge für die Beseitigung illegaler Kippen auf das Land zukommen. Ein wenig Statistik: 3,5 Mio. Euro stehen jeweils in diesem und im nächsten Jahr im Landeshaushalt bereit. 14,5 Millionen hat das Land Brandenburg für die Sanierung der Flächen schon ausgegeben – für die Deponie in Blumenhagen und vier weitere Anlagen. Seit der Wende wurden insgesamt etwa 77 illegale Abfalllager bekannt, für die das Landesamt für Umwelt zuständig ist.
Bei knapp 30 wurde das Problem inzwischen abgestellt: Mit Steuermitteln, durch die Besitzer, durch Dritte – oder, indem eine neue Betriebsgenehmigung für die Anlage erteilt wurde. Dazu kommen allerdings noch illegale Anlagen im Zuständigkeitsbereich der Landkreise und kreisfreien Städte sowie des Landesbergamtes. 2,8 Mio. Tonnen Müll auf illegalen Anlagen hat das Land offiziell erfasst. Wie viele Millionen es dafür noch wird aufbringen müssen, lässt sich nicht abschätzen. "Wie viel jeder Fall im Einzelnen kostet, das wissen wir leider ex post", also im Nachhinein, sagt Anja Boudon, Brandenburgs Umweltstaatssekretärin.
Ein Ende ist nicht absehbar
Unklar ist auch, wie lange das Aufräumen noch dauert. Zwar folgt das Umweltministerium einer Strategie, bei der die Deponien nach festen Kriterien priorisiert werden: Wie groß ist die Gefahr, dass Wasser, Luft, Boden oder Natur und Landschaft beeinträchtigt werden? Daraus ergibt sich die Reihenfolge, in der die Fälle abgearbeitet werden. Als nächstes an der Reihe sind illegale Deponien in Fürstenberg (Landkreis Oberhavel), Neustadt/Dosse (Ostprignitz-Ruppin), Schlunkendorf (Potsdam-Mittelmark), Vietznitz (Havelland) und Oelsig (Elbe-Elster).
Allerdings: Bevor die Bagger rollen können und das Land für die Kosten aufkommt, muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. "Das Land muss in öffentlicher Hand sein", sagt Boudon. Außerdem müsse festgestellt werden, dass der frühere Besitzer tatsächlich nicht für die Kosten aufkommen könne. Außerdem muss der Landtag die Mittel bewilligen. Bis die restlichen illegalen Müllhalden beseitigt sind, werden also Jahre vergehen, wenn nicht Jahrzehnte – und es kommen immer wieder neue dazu. "Gegen kriminelle Energie kann man nur begrenzt vorgehen", so Boudon.
In Blumenhagen hat die Geschichte nun ein Happy End: Das sanierte Gelände der ehemaligen Recyclingfirma gehört der Stadt Schwedt. Demnächst entsteht hier eine Eigenheimsiedlung. Aus dem einstigen "Müllparadies" wird also bald eines für Familien.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.03.2023, 19:30 Uhr