Müll-Altlasten - Illegale Abfalllager plagen Brandenburg

Mi 15.03.23 | 06:12 Uhr | Von Andreas König und Michael Schon
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Symbolbild. (Foto: dpa)
Bild: dpa

Aktivisten sprechen vom "Müllparadies" Brandenburg: Noch immer lagern auf mehr als 50 Flächen im Land illegal Abfälle – Altlasten von Unternehmen, die ihren Betrieb eingestellt haben. Oft muss das Land einspringen. Von A. König und M. Schon

  • Die Zahl der illegalen Abfalllager ist weiterhin hoch
  • In den vergangenen Jahren hat das Land 14,5 Millionen Euro für die Sanierung ausgegeben
  • Ein Ende der Aufräumarbeiten ist nicht in Sicht
  • In Schwedt wird eine Müllkippe zum Baugebiet

Das blaue Schild mit den Geschäftszeiten hängt noch: Montag bis Donnerstag 7 bis 15 Uhr, Freitag nur bis eins. Sonst ist nicht mehr viel übrig vom Gelände der Manteuffel Recycling GmbH in Schwedt-Blumenhagen. Ein Zaun, ein altes Firmenschild, ein Gatter – dahinter märkischer Sand, der aussieht wie frisch geharkt.

Ein Schandfleck verschwindet

Bis vor kurzem war das Gelände noch einer der vielen Schandflecken in Brandenburg, auf denen die Ruine eines misslungenen Versuchs zu besichtigen war, aus Müll Geld zu machen. Der scheiterte offenbar bereits im Jahr 2003. Damals brannte es im Recyclingbetrieb. "Das hat das Ganze ins Rollen gebracht", ist sich Jens-Uwe Kühnel sicher, der Ortsvorsteher von Blumenhagen. Erst folgte die Insolvenz, dann die unendliche Geschichte der Schadstoffbeseitigung.

Auch Annekathrin Hoppe (SPD), die Bürgermeisterin von Schwedt, hat lebhafte Erinnerungen an das Areal: "Ich habe hier oft genug schauen müssen, ob der Zaun in Ordnung ist, welche illegalen Abfalllagerungen es wieder gibt." Jetzt sei sie erleichtert, dass die Altlasten endlich beseitigt sind.

Dabei erwies sich der Fall als hartnäckig. Immer wieder tauchten bei der Räumung Überraschungen auf: Das Fundament eines alten Schafstalls, asbesthaltige Bauabfälle – oder 308 Tonnen alter Kondensatoren, aus denen Öl ausgetreten war und ins Grundwasser zu sickern drohte. 15 Jahre vergingen von der Insolvenz des Betreibers bis zum Abschluss der Sanierung. Bilanz: 6.315 Tonnen Müll wurden beseitigt. Kosten für den Steuerzahler: 1,2 Millionen Euro.

Für die nächsten zwei Jahre stehen sieben Millionen Euro bereit

Auch in den kommenden Jahren dürften Millionenbeträge für die Beseitigung illegaler Kippen auf das Land zukommen. Ein wenig Statistik: 3,5 Mio. Euro stehen jeweils in diesem und im nächsten Jahr im Landeshaushalt bereit. 14,5 Millionen hat das Land Brandenburg für die Sanierung der Flächen schon ausgegeben – für die Deponie in Blumenhagen und vier weitere Anlagen. Seit der Wende wurden insgesamt etwa 77 illegale Abfalllager bekannt, für die das Landesamt für Umwelt zuständig ist.

Bei knapp 30 wurde das Problem inzwischen abgestellt: Mit Steuermitteln, durch die Besitzer, durch Dritte – oder, indem eine neue Betriebsgenehmigung für die Anlage erteilt wurde. Dazu kommen allerdings noch illegale Anlagen im Zuständigkeitsbereich der Landkreise und kreisfreien Städte sowie des Landesbergamtes. 2,8 Mio. Tonnen Müll auf illegalen Anlagen hat das Land offiziell erfasst. Wie viele Millionen es dafür noch wird aufbringen müssen, lässt sich nicht abschätzen. "Wie viel jeder Fall im Einzelnen kostet, das wissen wir leider ex post", also im Nachhinein, sagt Anja Boudon, Brandenburgs Umweltstaatssekretärin.

Ein Ende ist nicht absehbar

Unklar ist auch, wie lange das Aufräumen noch dauert. Zwar folgt das Umweltministerium einer Strategie, bei der die Deponien nach festen Kriterien priorisiert werden: Wie groß ist die Gefahr, dass Wasser, Luft, Boden oder Natur und Landschaft beeinträchtigt werden? Daraus ergibt sich die Reihenfolge, in der die Fälle abgearbeitet werden. Als nächstes an der Reihe sind illegale Deponien in Fürstenberg (Landkreis Oberhavel), Neustadt/Dosse (Ostprignitz-Ruppin), Schlunkendorf (Potsdam-Mittelmark), Vietznitz (Havelland) und Oelsig (Elbe-Elster).

Allerdings: Bevor die Bagger rollen können und das Land für die Kosten aufkommt, muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. "Das Land muss in öffentlicher Hand sein", sagt Boudon. Außerdem müsse festgestellt werden, dass der frühere Besitzer tatsächlich nicht für die Kosten aufkommen könne. Außerdem muss der Landtag die Mittel bewilligen. Bis die restlichen illegalen Müllhalden beseitigt sind, werden also Jahre vergehen, wenn nicht Jahrzehnte – und es kommen immer wieder neue dazu. "Gegen kriminelle Energie kann man nur begrenzt vorgehen", so Boudon.

In Blumenhagen hat die Geschichte nun ein Happy End: Das sanierte Gelände der ehemaligen Recyclingfirma gehört der Stadt Schwedt. Demnächst entsteht hier eine Eigenheimsiedlung. Aus dem einstigen "Müllparadies" wird also bald eines für Familien.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.03.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas König und Michael Schon

15 Kommentare

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  1. 15.

    Pauschalisieren lässt sich das nicht. Zu unterscheiden sin Dachpappen die teerhaltig sind und KMF- bzw. Asbest-Fasern enthalten, teerhaltige Pappen und Bitumendachpappen mit und ohne Fasern.
    Die faserlosen Pappen können in die Verwertung (thermisch). Die faserhaltigen werden buchstäblich in ein Loch in den Boden gekippt. Das ist ein dummer Weg und sehr endlich, das lassen sich die Entsorger bezahlen. Meines Wissens nach ist das nächste Endlager ein Stollen in Sachsen.

  2. 14.

    Durchaus richtig für Sperrmüll in manchen Gemeinden.
    Warum ich in Brandenburg für die Entsorgung von Dachpappe das Dreifache bezahlen muss, wie zum Beispiel in Holstein, erschließt sich mir nicht und fördert natürlich auch Mülltourismus und illegale Entsorgung.
    Durch die starke Bautätigkeit sind Container teilweise auch nur sehr schwer zu bestellen. Rufen sSie nächstes Jahr nochmal an, ist etwas, dass ich oft gehört habe.

  3. 13.

    >"Vielleicht sollte man die Abnahme von Müll erleichtern. "
    Wie enfach solls denn noch sein? Bei uns hier gehts so: Sperrmüll (z.B. Möbel oder Elektrogeräte) beim kommunalen Entsorger anmelden, Termin ist dann innerhalb 14 Tagen, Abend zuvor vor die Türe, nächsten Tag wird die Fuhre abgeholt. Kostenlos für Haushalte! bzw. inkl der jährlichen Abfall-Grundgebühr.
    Schadstoffe wie alte Farbeimer, Lacke, Altöle werden bei den Schadstoffmobilen 2x im Jahr kostenlos für Haushalte abgenommen. Fertig aus. Die Schadstoffmobile stehen hier meist auf Supermarktparkplätzen an nem Alltagsweg. Bequemer gehts doch gar nicht.
    Das einzige, was überall nicht kostenlos ist, ist Bauschutt. Logisch... ist ja kein normaler Abfall im Haushalt.
    Die Leute sind einfach zu faul und kleine Schwarzhandwerker haben die Entsorgung nicht mit einkalkuliert. Das ist denk ich das Problem.

  4. 12.

    Der Kampf gegen Müll und Lebensmittelverschwendung ist besser als sich festkleben. Und eine sinnvollere Beschäftigung allemal. Vom vielen Sitzen wird man nur dick.

  5. 11.

    Mich erfasst jedes Mal eine Wut wenn deutsche LKW mit Altmatratzen Richtung Polen unterwegs sind.
    Das Thema hat unlängst auch die Politik erreicht.
    Da werden hunderte Tonnen Altmatratzen in die polnische Landschaft gekippt. Drei deutsche LKW wurden unlängst dingfest gemacht.

    Sie sehen, mit Pauschalisierungen kommen wir hier nicht sehr weit.

  6. 10.

    Müll in der Umgebung Berlins also in den Wäldern Brandenburgs, ist fast immer auch ein Symptom deutschen Geizes.
    Es sind meist deutsche Eigenheimbesitzer oder gar Investoren und Hausbesitzer, die für billig billig bauen oder sanieren lassen.
    Dass in den Preisen die fachgerechte Entsorgung von Müll nicht enthalten ist und die Allgemeinheit den Geiz der Hausbesitzer & Co zu tragen hat, sollte ihnen also sehr bewusst sein.

  7. 9.

    Vielleicht sollte man die Abnahme von Müll erleichtern. Viele Stoffe werden nicht oder mit hohen Auflagen oder hohen Preisen abgenommen. Dass manch einer dann illegal "entsorgt " ist nicht verwunderlich, wenn auch nicht in Ordnung, da viele sich um ordentlich getrennte Entsorgung bemühen.

  8. 8.

    Obwohl wir sehr gerne in Polen Urlaub machen und dort auch einkaufen und tanken. Es sind jedoch viele polnische Transporter aus Berlin kommend zu sehen, die auf der B1 Richtung Polen gerne mal in den Wald abbiegen! Traurig, mich erfasst jedesmal so eine Wut!

  9. 7.

    Was die Hinterlassenschaften von nicht mehr existenten Unternehmen betrifft, haben in ersterLinie die örtlichen Ämter mit zu verschulden. Statt die Gelder für die sehr aufwendige und teure Entsorgung auszugeben, sollten vermehrte Kontrollen erfolgen. Die schwarzen Schafe sind doch bekannt und haben eine Betriebserlaubnis erhalten. Da hilft nur permanente Kontrolle. Und das ist wesentlich kostengünstiger . Siehe die nachträgliche Müllentsorgung in Blumberg mit Millionen €. Da spreche ich auch die Schwedter Stadtverwaltung nicht frei. Für die wilde Entsorgung der Bürger habe ich auch absolut kein Verständnis, leider auch kein Rezept.

  10. 6.

    Die gebrauchten Zellen werden geprüft und dann als Speicher für PV Anlagen weiterverwendet. Mit etwas "Glück" bekommt man dann also für einige tausend Euro fünf Jahre alte Akkus hingehangen und darf die nach ein paar Jahren für weitere viele Euro entsorgen. Für die Industrie eine win-win-win-Situation.

  11. 5.

    Wenn die Herren Scholz und Habeck jährlich 500.000 Wärmepumpen in Deutschland verbauen (lassen) wollen, dann werden jährlich zig-tausend Öl und Gasheizungen samt Fenster, Dachziegel..evtl komplett abgerissene Häuser...entsorgt werden müssen.

    Wo soll der ganze Abfall hin?

    Bald schon werden Batterien von Autos entsorgt werden müssen.
    (For Sea Ferries, eine Elektofähre zwischen Schweden und Dänemark braucht 640 Lithium-Ionen-Batterien a 90 kg.Man rechnet mit einer Lebensdauer von 5 Jahren, bis die Batteriepacks ausgetauscht werden müssen-Wie lange halten deutsche Batterien?)

    Gibt es bezüglich Abfall bereits eine Lösung?
    Oder wartet man, bis überall illegal entsorgt--oder alles nach Afrika oder die große weite Welt exportiert wird?

  12. 4.

    In Berlin im kleineren Maßstab auch überall zusehen.
    Doch scheinbar hat Müll keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt.
    Sonst würde er doch bei den ganzen Aktivisten die wir in Berlin haben irgendwie erwähnt werden.

  13. 3.

    Ja, @Auskenner, und es ist erschreckend, welch' ein Un-Verhältnis diese Menschen zu ihrer direkten Umgebung und Natur haben. Da gibt es offenbar überhaupt kein Bewusstsein für irgendwas. Wie will man solchen Menschen den notwendigen Klimaschutz nahebringen, wenn es schon mit grundlegendem Verständnis für Flora und Fauna vor der Haustür hapert?
    Ästhetik scheint auch ein Fremdwort.
    So lockt man auch keine zahlungswilligen Touristen ins Land.
    Man kann all das auch ganz offensichtlich auch live sehen - und riechen. Womit da diesen Winter durch welche Verbrennungsanlagen geheizt wurde und WAS verheizt (und nicht im Wald abgelegt) wurde, ließ sich unschwer erahnen.
    Die Menschen sollten sich wirklich schämen.

  14. 2.

    Vergangenheit? Viele Brandenburger entsorgen ihren Müll immer noch im Wald oder wo gerade Platz ist. Da sind Ablageflächen seit Jahrzehnten “in Betrieb”. Das ist eine Mentalitätsfrage. Und die ist katastrophal.

  15. 1.

    Illegale Müllentsorgung ist Volkssport in Brandenburg. Wer schon einmal in einem Brandenburger Wald nach Pilzen oder Beeren gesucht hat, kennt die zahlreichen Müllnester, vor allem in der Nähe von Straßen, Feldwegen und Autoparkplätzen. Komplette Haushalte werden da im Wald deponiert. Und nein: es sind keine "Fremden", die für diese Art der "Entsorgung" stundenlang ins Grüne fahren. Es sind Menschen aus den Städten und Dörfern der allernächsten Umgebung.

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