Lemke bei Oder-Forschern an der Oder - Keine Entwarnung für Oder - Forscher vermessen Fische

Di 25.04.23 | 18:50 Uhr
  13
Steffi Lemke (l, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesumweltministerin, ist an Bord eines Forschungsschiffes vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) auf dem deutsch-polnischen Grenzfluss Oder und schaut auf einen Fisch der Art "Zope", der zuvor in einem Netz gefangen wurde. (Foto: dpa)
Video: rbb|24 | 25.04.2023 | Nachrichten | Bild: dpa

Die Gefahr einer erneuten Umweltkatastrophe an der Oder ist nicht gebannt. Wissenschaftler untersuchen nun, wie sich der Fischbestand entwickelt. Auch die Bundesumweltministerin ist auf einem Forschungsschiff mit dabei.

  • Fischbestand in Oder hat sich seit der Umweltkatastrophe erholt
  • Bundesumweltministerin Lemke kann noch keine Entwarnung geben - Wiederholung des Fischsterbens weiter möglich
  • Wieder erhöhte Salzgehalt im Oderwasser festgestellt
  • Oder-Ausbau ist für Lemke ein "Irrweg" - Moratorium notwendig - Wissing am Zug

Die Fische im Netz sind vermessen und gewogen. Eine Brasse, 50 Zentimeter lang und 1.804 Gramm schwer, ist dabei und vor allem viele kleinere Exemplare der Art Zope. "Der erste Eindruck ist: Es ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe", sagt Wissenschaftler Christian Wolter vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Der Fischbestand in der Oder erhole sich nach der Umweltkatastrophe im vergangenen Jahr wieder.

Zustand der Oder wird geprüft

In Begleitung von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) war der Wissenschaftler am Dienstag für eine Schleppnetz-Befischung auf dem 12 Grad kalten Grenzfluss bei Küstrin an der polnischen Grenze unterwegs, um Daten zu sammeln. Nach dem Messen und Wiegen setzen die Forscher die Fische rasch wieder ins Wasser zurück.

Lemke sprach bei der Entwicklung des Fischbestandes von einem positiven Zeichen, denn im Herbst vergangenen Jahres hatten die Experten noch massive Verluste registriert. Doch die Sorgen bleiben: "Um Entwarnung zu geben, ist es definitiv zu früh", meinte Lemke, die sich auf dem Forschungsschiff über die Arbeit der Wissenschaftler informierte.

Lemke fürchtet Wiederholung der Umweltkatastrophe

Sie habe die bedrückenden Bilder von unzähligen Fischkadavern an den Ufern der Oder noch vor Augen und befürchte, dass sich die Umweltkatastrophe in diesem Sommer wiederhole, sagte Lemke. "360 Tonnen waren es wahrscheinlich", sagte sie zur Menge der eingesammelten toten Fische. Auch viele Muscheln überlebten nicht.

Im August vergangenen Jahres war es im deutsch-polnischen Grenzfluss zu dem massenhaften Fischsterben gekommen. Die Fachleute gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift einer Algenart mit den Namen Prymnesium parvum wesentliche Ursachen für das Fischsterben waren.

Wieder erhöhte Salzwerte in der Oder gemessen

Auch am Dienstag stellte der Fischökologe Wolter mehrmals erhöhte Salzwerte im Gewässer fest - einen elektrischen Leitwert von mehr als 1.000 Mikrosiemens je Zentimeter. Der Richtwert liege bei 1.000, damit die Goldalge nicht wachse, sagte der Experte. Der Salzgehalt sei per se nicht besorgniserregend gewesen und nicht schädlich für die Tiere. Doch das war vor der Umweltkatastrophe und dem Auftreten der toxischen Alge. "Man ist erstmal sorglos damit umgegangen, die Zeit ist vorbei", meinte Lemke. Die Goldalge ist inzwischen laut Wolter auf 300 Kilometern Länge in der Oder vorhanden.

Umweltpolitiker drängen seit längerem auf einen besseren Schutz des Flusses in Zeiten der Klimakrise und auf einen Stopp des Oderausbaus, wie ihn Polen vorantreibt. Die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland gilt aber auch nach der offenen Kritik an der Aufklärung der Umweltkatastrophe als äußerst schwierig.

Oder-Ausbau für Lemke "Irrweg"

Lemke sagte, sie vermute, dass die polnische Bergbauindustrie für die Salzeinleitungen verantwortlich sei, die im vergangenen Sommer zu den erhöhten Belastungen geführt hätten. "Es wird langsam Zeit, dass man es aufklärt und dass die Einleitungen reduziert werden." Nach einem Greenpeace-Bericht äußerte sich einer der beschuldigten polnischen Bergbaukonzerne und wies im März die Vorwürfe zum Oder-Fischsterben zurück.

Ministerin Lemke nennt es einen Irrweg, den bislang noch naturnahen Fluss etwa für die Schifffahrt weiter auszubauen. Die Regeneration der Oder müsse Vorrang haben. Auch die EU-Kommission müsse sich dem Problem annehmen.

Wissing sei laut Umweltministerin am Zug

Zudem sieht Lemke Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Zug, der für die Wasserstraßen zuständig ist. Sie hofft, dass auch er sich dafür einsetzt, dass der Oder-Ausbau erst einmal ruht. "Es braucht ein Moratorium", sagte Lemke mit Blick auf ein deutsch-polnisches Abkommen, das 2015 zur Situation an den Wasserstraßen geschlossen wurde. Dabei ging es um Themen wie Hochwasserschutz und auch die Schifffahrt.

Den Gesprächsfaden zu ihren Kollegen in der polnischen Regierung will Lemke aber nicht abreißen lassen. Das Umweltministerium bereitet etwa eine Oder-Konferenz im Juni vor, bei der auch die polnische Seite beteiligt werden soll.

Dennoch ist das Klima angespannt, vor allem auch weil Polen trotz eines gerichtlich angeordneten Ausbaustopps die Arbeiten an Buhnen - einer Art Dammbauwerk auf dem Fluss - nicht beenden will. Lemke und die Wissenschaftler auf dem Forschungsschiff, das von Küstrin stromabwärts unterwegs war, konnten die Baggerarbeiten selber beobachten.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.04.2023, 15:40 Uhr

13 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 13.

    Wenn die Polen schlau wären, würden sie versuchen insbesondere die Salzlakeverklappung und alle anderen illegalen Sauerein deutlich zu reduzieren, denn eines ist ganz sicher, Greenpeace und andere Umweltverbände sind jetzt gewarnt. Eine erneute Vertuschungsaktion mit quasi natürlicher Beweismittelvernichtung wird es in dieser Form garantiert nicht noch einmal geben.
    Die Polen haben eine letzte Chance, die Ereignisse in 2022 weiterhin breitgefächert weichzuspülen und sie sollten sie insbesondere in ihrem eigenen Interesse JETZT nutzen!!

  2. 12.

    Ja, ich stehe eher auf der Seite belegbarer Ursachen&Wirkungen, denn, wenn es spannend wird, muss man die Behauptungen belegen können. Da Sie offenbar mehr im Köcher haben als ich derzeit, können Sie da anders auftreten. Dennoch ist das schon alles richrig, was was Sie da so schreiben. Mein berufl Ziel bestand darin, die Flüsse Lausitzer Neiße & Oder bis zum Haff unter einen Schutzstatus zu bekommen. Was nicht ganz so geklappt hat, s. Ursachen der Salz-(Über)frachten/Frachtungen. Dennoch war der kleinste gem. Nenner der EU-Staaten, die Wasserrahmenrichtlinie 2000 zu verabschieden. Und ist zu fragen, ob der Beitrittskand Polen 2004,die nun anerkannte & nicht! Und das wundert mich dann schon. Auch wenn diese WRRL 2000 noch längst nicht das Non+ultra ist, aber die ökolog. Ziele, zw. Einsparungen v. Geldern im techn. Bereich stehen schon im Fokus. Aber: eine immerhin Richtlinie! Denn nochmal so viele tote Fische aus dem Oberlauf? Und in der Welle? Keine Ahnung....?

  3. 11.

    Die Ursache ist doch bekannt und die Polen selbst bestreiten nicht mal das Toxin der Goldalge. Man hat im letzten Jahr durch unabhängige Labore den Nachweis erbringen können und gestützt über Satellienbilder die Ausdehnung des sehen können.
    Polen weigert sich nur die Salzkonzentration in der Oder an die neuen klimabedingten Gegebenheiten (neu festzulegenden Grenzwerte) anzupassen. Hier gehts nicht um Forensik, hier gehts schlicht und ergreifend um das Abstellen der Salzlakeverklappung Polens und zweitens ersteinmal um den Stopp des Oderausbaus, bis sich das Biotop hinreichend erholt hat.
    Oder wir werden langfristig mit einem toten Fluss, der kippt, namens Oder leben müssen. Aber schon aus touristischen und regionalwirtschaftlichen (also rein hedonistisch)Gründen der GAU!! Eigentlich auch für Polen.

  4. 10.

    Der Artikel beschreibt lediglich eine Stichproben-Messung zur Feststellung der Erholungsrate der Oderfauna nach der letzten Katastrophe. Hier gehts nicht um Ursachenforschung.
    Und selbst wenn sich das Biotop tatsächlich schneller erholt als anfänglich prognostiziert, ist diese Erkenntnis für den Eintritt und die Folgen der nächsten Katastrophe unkorreliert (zusammenhangslos)
    Sie boxen im Ring gegen Muhammad Ali und kriegen eine auf die Nuss. Sie stehen vor 10s wieder auf und der Boxkampf geht weiter. Und... Ali haut sie trotzdem wieder um. usw. usf.

  5. 9.

    Und zweitens, der Artikel beschreibt lediglich eine Stichproben-Messung zur Feststellung der Erholungsrate der Oderfauna nach der letzten Katastrophe. Hier gehts nicht um Ursachenforschung.
    Und selbst wenn sich das Biotop tatsächlich schneller erholt als anfänglich prognostiziert, ist diese Erkenntnis für den Eintritt und die Folgen der nächsten Katastrophe unkorreliert (zusammenhangslos)
    Sie boxen im Ring gegen Muhammad Ali und kriegen eine auf die Nuss. Sie stehen vor 10s wieder auf und der Boxkampf geht weiter. Und... Ali haut sie trotzdem wieder um. usw. usf.

  6. 8.

    Die Ursache ist doch bekannt und die Polen selbst bestreiten nicht mal das Toxin der Goldalge. Man hat im letzten Jahr durch unabhängige Labore den Nachweis erbringen können und gestützt über Satellienbilder die Ausdehnung des sehen können.
    Polen weigert sich nur die Salzkonzentration in der Oder an die neuen klimabedingten Gegebenheiten (neu festzulegenden Grenzwerte) anzupassen. Hier gehts nicht um Forensik, hier gehts schlicht und ergreifend um das Abstellen der Salzlakeverklappung Polens und zweitens ersteinmal um den Stopp des Oderausbaus, bis sich das Biotop hinreichend erholt hat.
    Oder wir werden langfristig mit einem toten Fluss, der kippt, namens Oder leben müssen. Aber schon aus touristischen und regionalwirtschaftlichen (also rein hedonistisch)Gründen der GAU!! Eigentlich auch für Polen.

  7. 7.

    Na, erst einmal geht es um die (wissenschaftlichen) Belege, man sollte doch ziemlich genau wissen, wovon man spricht. Das Vorgehen ist schon richtig, um so eher "schält" sich dann die Ursache "heraus" und das In-der Lage-sein, diese richtig "adressieren" zu können.
    Mich wundert nur, dass die Schöpfung - hier: Fisch - in einem erzkatholischen Land so unterbewertet und kaum an der vermuteten/inzw. bekannten Ursache gearbeitet wird.
    Das kann man nicht auf die lange Bank schieben, denn der Co² ist nun mal schon aufsummiert in "der Welt" und wer(?) bitte soll es wie wieder abbauen? Die Schweiz, Irland, selbst im sonnigen Kalifornien forscht man daran, wie das gehen könnte. Wenngleich in den USA und in Europa noch fleißig dran "gearbeitet wird" weiterhin noch mehr CO² zu erzeugen.
    Von zugucken oder abwinken wird nichts.

  8. 6.

    Das muss nicht viel geforscht werden, eigentlich wissen alle, dass es der Bergbau ist der Salzlake in die Oder verklappt.
    Und wenn es stimmt, dass die Goldalge durch die Versalzung in der Oder bereits heimisch geworden ist, dann ist die Frage nicht, ob die nächste Katastrophe kommt, sondern nur wann sie kommt.
    Ich kapiere ehrlich gesagt nicht, warum Bundeskanzler Scholz das Thema nicht längst zur Chefsache gemacht hat.
    Ich meine wie sind der größte Einzahler in der EU und Polen gehört zu den Nehmerländern und hält sich im Grunde nur an EU-Regeln die ihren Interessen und eigenen Vorteil entsprechen. Ich mein nichtmal Beschlüsse ihrer eigenen Gerichtsbarkeit sind denen heilig und die Gerichte lassen ihre Urteile nicht mal vollstrecken. Das sagt eine Menge über die momentane Verfasstheit Polens aus.

  9. 5.

    Das muss nicht viel geforscht werden, eigentlich wissen alle, dass es der Bergbau ist der Salzlake in die Oder verklappt.
    Und wenn es stimmt, dass die Goldalge durch die Versalzung in der Oder bereits heimisch geworden ist, dann ist die Frage nicht, ob die nächste Katastrophe kommt, sondern nur wann sie kommt.
    Ich kapiere ehrlich gesagt nicht, warum Bundeskanzler Scholz das Thema nicht längst zur Chefsache gemacht hat.
    Ich meine wie sind der größte Einzahler in der EU und Polen gehört zu den Nehmerländern und hält sich im Grunde nur an EU-Regeln die ihren Interessen und eigenen Vorteil entsprechen. Ich mein nichtmal Beschlüsse ihrer eigenen Gerichtsbarkeit sind denen heilig und die Gerichte lassen ihre Urteile nicht mal vollstrecken. Das sagt eine Menge über die momentane Verfasstheit Polens aus.

  10. 4.

    frage mich manchmal, wieso wir eine EU haben ??? schafft es keiner mal in polen nachzuforschen, wieso weshalb woher ? einfach nur kopfschütteln***

    wird wohl im sommer wieder so kommen...tolle politik !!!

  11. 3.

    Da der Schiffsverkehr ja zu den umweltfreundlicheren Verkehr zählt, sollte auch hier der Ausbau dringend beschleunigt werden. Größere Schiffe, mehr Fracht = weniger Verkehr und weniger Dieselabgas und weniger CO2. Ich denke Herr Wissing wird schon richtig entscheiden. Ob dass die Grünen so wollten? Naja, muss ja nicht.

    Grüne schwurbeln lieber anstatt etwas zu verantworten. Und wenn, dann wird es nur teurer.

  12. 2.

    Das ist halt aus der Sicht der Wissenschaft gedacht, mehr kann die ja auch nicht machen.
    Für die Beseitigung der Ursache benötigt es nun eine erfolgreiche politsche Kommuniation der deutschen mit der polnischen Politik.

  13. 1.

    "die Daten zu Fischbeständen lieferten einen wichtigen Beitrag, um die genauen Umstände der Umweltkatastrophe aufzuklären und um Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen erfolgreich auszurichten." Ist das nicht eher der zweite Schritt? Sollte nicht als erster Schritt die Ursache beseitigt werden?

Nächster Artikel