rbb-Podiumsdiskussion - Experten sprechen sich für deutsch-polnische Energiekooperation bei Windenergie aus
Während beim Thema Atomkraft Deutschland und Polen unterschiedliche Strategien verfolgen, gibt es bei anderen Themen große Gemeinsamkeiten - mit Kooperationspotential. Das zeigte eine Expertendiskussion in Potsdam.
Die Energiewende beschäftigt nicht nur Deutschland. Auch das Nachbarland Polen will den Ausbau der Erneuerbare Energien vorantreiben, obwohl langsamer und anders als in der Bundesrepublik. Das Ziel: Bis 2030 sollen 50 Prozent der polnischen Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden.
Das habe auch Bedeutung für Deutschland, erklärte Meinungsforscher Adam Traczyk vom Warschauer Netzwerk "More in Common" am Mittwoch bei der rbb-Podiumsdiskussion "Polen verstehen" in Potsdam.
"Deutsch-polnische Energieachse"
"Nord Stream 2 stand für viele in Europa eben symbolisch für eine enge Beziehung zwischen Deutschland und Russland", so Traczyk im Gespräch mit dem rbb. Doch weil durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine diese "Achse" - wie Traczyk sagt - weggebrochen sei, solle eine neue sie ersetzen: "Diese deutsch-russische Achse kann man durch eine deutsch-polnische Energieachse ersetzen. Oder sollte es zumindest versuchen."
Immerhin habe auch Polen ein starkes Interesse, Abhängigkeiten von Russland zu reduzieren, so Traczyk. Mit Deutschland hingegen gebe es keine Vorbehalte für eine Kooperation. Konkret könne sich Traczyk beispielsweise eine riesige, grenzübergreifende Wind-Offshore-Anlage vorstellen. Also Windkraftanlagen, die in der Nordsee betrieben und von beiden Ländern getragen werden.
Eine Idee, die nicht abwegig sei, findet auch Monika Morawiecka. Mehr Windkraftanlagen seien für die Expertin für Energietransformationen eine gute Sache. Aber es bedürfe noch mehr, um grenzüberschreitend zusammenarbeiten zu können, sagte sie am Mittwoch. "Man könnte sich vorstellen, dass mehr Windkraft mit Netzen an Polen und Deutschland angeschlossen ist", so Morawiecka in Potsdam. Dafür sei jedoch die Errichtung von Übertragungsnetzen entscheidend.
Große Gemeinsamkeiten
Das Potential der gemeinsamen Nutzung von Windkraft sieht auch Kristina Haverkamp. Sie ist Geschäftsführerin der Deutschen Energie Agentur und entwickelt gemeinsame Energieprojekte. Zwar würden sich Deutschland und Polen beim Thema Atomkraft unterscheiden – in Polen konkretisieren sich gerade die Pläne für neue Atomkraftwerke – jedoch bei anderen Themen ähnliche Ziele verfolgen.
So sei Polen ein perfekter Kooperationspartner bei der Nutzung von Grünem Wasserstoff als Energiequelle, so Haverkamp: "Polen hat ganz ambitionierte Pläne für Wind-Offshore", sagte sie. Zudem treibe das Land auch den Netzausbau in großen Schritten voran. "Das bedeutet Überschuss-Strom. Und der ist für die Herstellung von Grünem Wasserstoff perfekt", so Haverkamp.
Windenergie für Grünen Wasserstoff?
Grüner Wasserstoff – sprich Wasserstoff, der mit Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird – wird auch in Deutschland als einer der zukunftsfähigen Energiemöglichkeiten betrachtet. Ein Vorteil: Für eine Kooperation könnten laut Haverkamp Deutschland und Polen bereits auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen: "Wir haben Pipeline-Verbindungen zwischen den beiden Ländern, die eventuell mit vertretbarem Aufwand auch an den Transport von Wasserstoff angepasst werden können", sagte sie. Das sei dann eine Win-Win-Situation für beide Länder. Und im Gegensatz zur Atomkraft seien sich dabei auch Polen und Deutschland einig.
Sendung: Antenne Brandenburg, 24.11.2023, 16:12 Uhr
Mit Material von Magdalena Dercz